Hans Baluschek zum 150. Geburtstag. Die Ausstellung ist vorbei, der Katalog bleibt
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Hans Baluscheks Name hatte ich noch nie gehört. Aber kaum habe ich das Buch aufgeschlagen und die ersten Fotos gesehen, aha, ein Maler, bin ich fasziniert. Auch die nächsten Seiten zeigen auf Fotos den Maler mit seiner Frau, mit seinem Modell?, so lange man nichts Genaues weiß, kann man einfach phantasieren, auf jedem Fall sieht sie glücklich und er stolz aus, mit wilhelminischem Schnurrbart. Und auf dem Rasenstück sieht er eher wie ein kritischer Oberaufseher oder Polizeibeamter aus. Aber er steht aufrecht und sicher, ja selbstbewußt. Das gefällt.
Der aufmerksamkeitserheischende Ausdruck vom Parfüm (zu wenig) und der Pfütze (zu viel) war eine Reaktion des Kunstkritikers Willy Pastor, mit der er die Meinungen seiner Kollegen über die Werke des Hans Baluschek zusammenfaßte. Das war Anfang des letzten Jahrhunderts, ist also die Zeit zwischen Kaiserreich und nationalsozialistischer Diktatur, in der nur die Weimarer Republik Aufatmen ließ. Er verstand sich als proletarischer Künstler, trat der SPD bei, unterstützte Bildungsinitiativen und das Kulturleben, setzte sich solidarisch für die Kollegen ein und wurde von den Nazis unmittelbar als ‚marxistischer‘ Künstler von allen Ämtern abgesetzt und mit Arbeits- und Ausstellungsverbot überzogen. Aber er überstand die Zeit und fand in Ostberlin eine größere Aufmerksamkeit als im Westen. Muß einen das wundern? Nein. Im Westen hatte man allzu viel damit zu tun, die amerikanische Vorbilder nachzuahmen. Aber Ost und West holten zu erst einmal nach, was im Faschismus verboten war, die „Entarte“ Kunst wiederzuentdecken, erst einmal den Expressionismus und erst viel später dann die Neue Sachlichkeit.
Aber auch in Westberlin wurde er gezeigt, seine letzte Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Berlin 1991, vom Kunstsammler H.Bröhan, in dessen nach ihm benannten Museum jetzt die Erinnerungsausstellung zum 150. Geburtstag stattfand. Das war vom 26. März bis 27. September letzten Jahres und deshalb durch Corona empfindlich gestört. Doch der Katalog vom Wienand Verlag kann einem wenigstens den sinnlichen Eindruck vermitteln, was zu sehen war und wie die Ausstellung wirkte. Mal ganz davon abgesehen, daß ja die Texte sehr viel mehr vermitteln, als der normale Besucher bei der Ausstellung mit eigenen Augen erst einmal sieht.
Gleich schaue ich die Fotos noch mal an. Ein gut aussehender Mann und sowohl lässig wie auch bürgerlich im Künstleroutfit gekleidet, einschließlich weißer Stehkragen. Was war das für eine Umbruchszeit, wo Künstler gesellschaftlich weitaus radikaler waren als heute, gleichzeitig sich aber stärker an bürgerliche Normen hielten – halten mußten?
Blättert man erst einmal im Band herum, um einen Überblick über seine Malerei zu gewinnen, erkennt man sofort verschiedene Handschriften. Das war keiner, der einen Stil entwickelte und diesen ‚durchzog‘, sondern einer, der immer wieder neu ansetzte, eine neue Formensprache entwickelte, auch völlig unterschiedliche Farbpaletten bevorzugte. Interessant. Denn auch wenn er aus einem Haus kam, das ihm das Gymnasium möglich machte und er eine richtige akademische Kunstausbildung durchlief, hatte er bei politisch eindeutiger Gesinnung, sprich: Einsatz für das Proletariat, dennoch ganz unterschiedliche Motive seiner Malerei und eben auch, wie erwähnt, völlig unterschiedliche künstlerische Mittel. Im Unterschied zu zwei Berliner Künstlern, wie zum einen, Käthe Kollwitz, zum anderen später Otto Nagel, der beispielsweise in den Siebziger Jahren durch Posters in vielen Wohngemeinschaften Westdeutschlands hing.
„Baluscheks Malerei changiert zwischen den großen Strömungen seiner Zeit, zwischen Impressionismus , Naturalismus, Realismus und Neuer Sachlichkeit. Von all diesen Ismen finden sich Anklänge in seinem Werk und doch kann man ihn nicht eindeutig verorten.“, stellt der Katalog fest. Das stimmt. Es fällt auf, daß nicht nur stilistisch eine Phase der anderen folgt, sondern daß dies auch für seine Sujets gilt, er also ganz unterschiedliche Inhalte malt. Kein Wunder, daß ein Kapitel dann auf das Verhältnis von Form und Inhalt eingeht. Er malt Milieus heißt es, allerdings ganz unterschiedliche. Das ist wirklich eine gute Analyse, zu der Fabian Reifferscheidt beiträgt. Er unterscheidet Milieu 1: Bürgerliches Vergnügen und die Konfrontation der Klassen; Milieu 2: Proletarische Tristesse und die Hoffnung im Detail; Milieu 3: Prostitution und das Auge des Betrachters; Milieu IV: Der Mensch „im Zeichen der Maschine“ oder die „Mechanik des Geistes“;
Das letzte Milieu wird dann an drei Beispielen in Illustrationen vorgeführt, die alle aus dem Archiv des Bröhan-Museums stammen, weil sich der Kunstsammler frühzeitig um Werke bemühte. Zwei sind aus dem Buch DER KRIEG 1914-1916 , Berlin 1915 und heißen Österreichischer 30cm Mörser und Englisches Flugzeug abstürzend (eine deutsche Wunschvorstellung?) Beide sind nervöse Zeichnungen in Grau-Schwarz, dem Motiv völlig angemessen. Völlig anders ein ähnliches Motiv: Die Mondrakete aus Gerdt von Basewitz: PETERCHENS MONDFAHRT, Berlin 1919. Wir sehen den Zauberer oder den Wissenschaftler im Morgenrock und die Kleinen, ein Bub und ein Mädchen, die Puppe in der Linken. Sie schauen gespannt dem Stoß aus der Kanone zu, der ein Insekt in den Himmel donnert. Komisch. Und auch eine weitere Illustration zeigt diese leicht dunkel getönte, phantasievolle, ja märchenhafte Unterwasserwelt, in der ein Junge auf einem geflügelten Fisch durchs Wasser segelt.
Seine Anfänge – die Gemälde werden vielfach gezeigt – sind in symbolistischem Stil, sehr dunkel, und man sieht immer wieder Abendszenen, Feierabend im Freien, auch deshalb sind die Farben sehr gedeckt. Die Bilder nach 1900 haben mal Anklänge an van Gogh – übrigens eine Phase für fast alle Maler - , mal an, ach was, das sind einfach Gemälde, wie sie zeittypisch sind. Besonders gut gefallen mit seine Farblithographien sowie die Feder-Tusche-Kreide Zeichnungen, die comichaft wirken. WINTERWIND von 1907,Mischtechnik auf Pappe, was er auch oft verwendet, erinnert an russische Maler. Sehr bewegt und sehr bodenständig gleichzeitig. Das gefällt mir besonders, was auch für TAUWETTER von 1907 gilt.
Wir können nicht alles kommentieren, aber wir sind zufrieden, daß wir einen neuen Künstler kennengelernt haben, der sicher bekannter wäre, wenn nicht die Nazis ihm seine Grundlage entzogen hätten. Er starb 1935.
Den Katalog kaufen kann jeder und seine Bilder sind auch außerhalb der Ausstellung im Bröhan-Museum in Berlin sicher anzutreffen. Wenn wieder offen ist. Aber diese Zeiten werden wieder kommen.
Foto:
Cover
Info:
hg. Von Tobias Hoffmann, Anna Großkopf und Fabian Reifferscheidt, Bröhan-Museum, Landesmuseum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus, Wienand Verlag 2020
ISBN 978 3 86832 565 2