Jo Nesbø ist auch im Hörbuch spannend: gelesen von Burghart Klaußner

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Aha, der neue Krimi von Jo Nesbø heißt KOMA und die Chefin hat ihn im Weltexpresso besprochen, weil ich den erst lesen darf, wenn ich endlich meine Rezension zur Lesung vonHörbuch Hamburg zum LEOPARD geliefert habe. Das hat mir Beine gemacht und ich lege los.

 

Jo Nesbø darf man trotz seiner internationalen Millionenauflagen und den letzten Harry Holes im Ullstein Verlag bei rund 500 000 Exemplaren pro BAnd, noch einmal vorstellen. Er ist 1960 in Oslo geboren und in Oslo und um Oslo herum spielen auch seine Romane, bei denen wir uns jetzt strikt auf die Harry Hole Reihe beschränken, nur erwähnen wollen, daß er auch Kinderbücher schreibt, vor allem aber als Musiker mit seiner Band in Norwegen Kult ist. Jetzt zur zehnten Ausgabe seiner Krimireihe KOMA; um diesen so versoffenen wie glasklaren Harry Hole; spricht er ein wenig mehr über den Zusammenhang von Autor und literarischem Personal. Früher nämlich, so sagt er, sei Harry Hole für ihn eine völlig andere Person gewesen, die mit ihm nichts gemein habe, aber inzwischen merke er, daß er dem Hole immer mehr ähnele – oder dieser ihm. Die Kongruenz liege bei rund 70 Prozent, ausreichend, um ihn als alter ego zu bezeichnen.

 

Das ist aber nicht so wichtig, wichtiger sind die bisherigen Handlungen der Reihe, weil jedes neue Buch eben doch auf den Fällen von zuvor aufbaut. So auch im LEOPARD. Deshalb eine kurze Übersicht über die Harry Hole Reihe und damit die Einbettung vom LEOPARD. Begonnen hat der Autor mit DER FLEDERMAUSMANN 1999 auf Deutsch bei Ullstein, dann gab es eine Pause bis 2007, wo KAKERLAKEN erschien, der im Original aber schon 1998 herausgekommen war, nun aber die Reihe vervollständigte, die inzwischen auch in Deutschland bekannt war. Den Durchbruch schaffte nämlich ROTKEHLCHEN 2003, mit dem auch wir einsetzten und richtig begeistert waren, weil die Personen uns immer besser bekannt, diese aber auch immer konziser wurden. Im gleichen Jahr erschien dann auch DIE FÄHRTE als vierte Fall. Pause.

 

Im Jahr 2006 gab es dann DAS FÜNFTE ZEICHEN als fünften Fall, allerdings bei Claassen,ein Verlag, der aber auch zur Ullsteingruppe gehört. Leider ist uns damals Nesbø aus dem Blick geraten und wir haben auch DER ERLÖSER , Ullstein 2007, Harra Holes 6. Fall nicht verfolgt, dann aber wieder mit dem SCHNEEMANN bei Ullstein 2008 und der siebte Fall, eingesetzt, ein so unheimlich gutes Buch, das wir ab da am Ball blieben. Der vorliegende LEOPARD - von 2010 auf Deutsch - ist nun Harry Holes achter Fall, vor DIE LARVE von 2011, alle bei Ullstein. DIE LARVE, das gab Nesbø erst jetzt bekannt, bildet eigentlich einen Doppelband mit dem neuen KOMA. Gleichzeitig dachten die Leser aber überwiegend, es sei nach dem neunten Fall Schluß mit dem ewigen Todeskandidaten Harry Hole. So ist dieser Autor. Es stand für ihn selbst auf der Kippe, ob hier Schluß war. Mitnichten. Harry Hole überlebt auch dies, aber jetzt zurück zum LEOPARD, dem achten Fall.

 

Burghart Klaußner ist ja nun weder als Schauspieler noch als Sprecher ein Unbekannter. Man überläßt sich seiner sonoren Stimme gerne, die nie aufdringlich wird, sondern immer dicht beim Geschehen das Auf und Ab und all die verwegenen Seitenwege wie aus dem normalen Leben liest, gerade dadurch aber enorme Spannung aufbaut, weil man beim Hören sich denkt: „Da muß doch noch etwas kommen?!“ und prompt ist es da. Die 6 CDs und damit 446 Minuten vergehen wie im Fluge, beim Selberlesen braucht man wesentlich länger, was auch daran liegt, daß die Lesefassung gekürzt ist, was naturgemäß der nicht merkt, der hört, denn es ist unauffällig gekürzt.

 

Hörbuch Hamburg hat, wie wir recherchierten, auch die übrigen Harry Holes in Hörbuchfassungen. Muß ganz interessant sein, die Stimmen zu vergleichen vom DAS FÜNFTE ZEICHEN, das war der fünfte Fall, gelesen von Heikko Deutschmann 2007, SCHNEEMANN, den siebten Fall, den Oliver Mommsen 2009 liest, im selben Jahr DER ERLÖSER, der sechste Fall, wieder Heikko Deutschmann. Mit dem FLEDERMAUSMANN kommt 2010 dann der erste Fall dran, wieder gelesen von Heikko Deutschmann und schnell auch KAKERLAKEN, was ja das 2. Buch war. Diesmal liest Achim Buch. Unseren LEOPARD, den neunten Fall liest Klaußner, aber die 2011 herausgekommene Hörbuchfassung DIE LARVE lesen in der gekürzten Fassung Achim Buch und Rafael Stachowiak und als audible.de als MP§-Download ungekürzt in 974 Minuten Uve Teschner.

 

Dann geht es wieder rückwärts und es kommt 2012 DIE FÄHRTE bei Hörbuch Hamburg, gelesen von Achim Buch in gekürzter Fassung heraus. Das war in der Folge der vierte Fall. Aber damit haben wir nicht alle. Uns fehlt doch noch das ROTKEHLCHEN. Wir haben das Durcheinander mit Vergnügen aufgelistet. Denn es zeigt lebendiges Leben. Sicher ist Hörbuch Hamburg dann erst durch den Erfolg zu den Hörbüchern des Anfangs der Reihe gekommen. Aber das ROTHKEHLCHEN? Vielleicht gibt es das längst und sicher auch bald die Hörfassung von KOMA. Worauf wir dann aber gespannt sind, wäre, welcher Sprecher uns dann erwartet.

 

Zurück zu Burghart Klaußner und dem LEOPARD. Die Geschichte geht so: Wir glauben kaum an das Überleben des Harry Hole, der in Hongkong dahindämmert in seinem Drogenrausch. Er ist sich selbst der größte Feind, obwohl die ihn auflauernde chinesische Mafia auch nicht ohne ist, denn die hat er geprellt und seine Wettschulden nicht bezahlt und so was geht tödlich aus. Wäre es auch, wir sind uns sicher, wenn nicht in Oslo eine Mordserie passierte, die auf kaum glaublich Weise geschieht, denn etwas, was die Opfer im Munde haben, war das Mordwerkzeug, das gleichzeitig so groß ist, daß man es gar nicht in die Mundhöhle einführen kann.

 

Diese Morde werden als grotesk-grausam bezeichnet und die junge Kaja Soulness nach China geschickt, um den heruntergekommenen Hole zu holen, was ihr erst nicht gelingt, mit der Information von seinem todkranken Vater dann doch. Allerdings gibt es in Oslo sofort Stolpersteine, weil die Mordkommission und das Kriminalamt gegeneinander arbeiten. Wie das? Ganz einfach. Denn es ist Mikael Bellman im Spiel. Dieser Ehrgeizling will die Ermittlungen an sich reißen, ist er doch gerade ins Kriminalamt, die zentrale norwegische Stelle, vergleichbar so in etwa mit dem Bundeskriminalamt, befördert worden und will dem Osloer Morddezernat die Kompetenz streitig machen, was im Sinne des Mörders ist. Des Mörders? Das Rätsel bleibt lange das Mordwerkzeug, das langsam im Mund des Opfers seine Dimensionen erreicht und einen qualvollen Tod beschert. Das ist keine europäische Waffe und Nesbø gelingt spielend, zwei geographische Inseln in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Denn das Unheil begann in einer abgeschiedenen Berghütte im norwegischen Hochgebirge, kann aber erst durch Harry Holes Visite nach Ruanda von ihm geklärt werden.

 

Worum es dabei geht? Um die Vergangenheit, die nicht vergeht. Nachdem schon eine Lösung da war, geht die eigentliche Verfolgerjagd los. Es geht um die Nachwirkungen von Demütigungen in der Jugend, um ein Wiedergutmachen für den, der sich von den anderen da oben auf der Skihütte ausgegrenzt fühlte, die Namen aller sind erfaßt im Gästebuch der Hütte, nur – die entsprechende Seite ist herausgerissen und jeder neue Tote erweist sich als damals dabei gewesen. Da müßte man doch auf den Täter kommen...Jo Nesbø hat einfach was drauf und wir folgen Burghart Klaußner gerne.

 

Jo Nesbø, LEOPARD, Hörbuch Hamburg, ISBN 978-3-89903-685-5, gelesen von Burghart Klaußner. 6 CDs, 446 Minuten