Klaus Peter Wolf am Deich 4 Foto Ute BrunsIst das Literatur? Das ist Literatur! , Teil 2/2

Hanswerner Kruse

Wir sprachen mit Klaus-Peter Wolf über Literatur, die Authentizität seiner Geschichten, die Reaktionen der Leserschaft und die Verfilmung seiner Bücher.


Moin Herr Wolf, Sie sind sehr erfolgreich, werden Sie als Krimischreiber eigentlich von oben herabangesehen? Es gibt eine Literatur, die von den Kritikern sehr gelobt wird, aber die Leute lesen die nicht, weil sie davon abgeschreckt werden.

Also ich schreibe jedenfalls für meine Leser und mache endlos viele Lesereisen. In der Corona-Zeit weniger, da habe ich den Kontakt mit den Menschen sehr vermisst. Ich rede mit ihnen, sie beeinflussen mich. Ich mache Selfies, auch das Merchandising geht gut, aber mit allen Nebeneinnahmen unterstütze ich ein Hospiz. Ich lebe ja von meinen Romanen...

...und die Kritiker?

Dass es jemandem gelingt, Leser und Leserinnen zu begeistern, das schätzen einige Kritiker gering. Neulich sagte ein bekannter Kulturredakteur zu mir, „schämen Sie sich denn gar nicht, dass Sie so viele Leser haben? Sogar meine Oma und meine Tante lesen Sie...“ Nein habe ich gesagt, ich schäme mich überhaupt nicht. Aber offensichtlich schämen Sie sich für ihre Verwandtschaft. Ich war richtig sauer auf den, dann müssten wir ja auch politisch von einer fragwürdigen Elite regiert werden und lesen, was die Literaturkritik bestimmt:
In so einer Welt will ich nicht leben!


So viele Serienmorde in Ostfriesland, ist das authentisch...

...ich habe die Verbrechen in Ostfriesland angesiedelt, weil ich mich da auskenne. Diese Verbrechen geschehen in der Welt – und Ostfriesland ist Teil dieser Welt.

Eigentlich erzähle ich viel über die Gesellschaft, im neuen, zweiten Rupert-Buch erfahren wir was über das Gesundheits- und das Bankwesen. Der untergetauchte Serienkiller Dr. Sommerfeld wird  Chefarzt der Gangsterklinik. Er meint, Krankenhäuser seien nur dazu da ,um Gewinne zu machen. Aber darum müsse er sich nicht kümmern, die Gangster wollten gesund gemacht werden und das mache er und hole sich dafür die besten Ärzte...

Rupert als Undercover-Gangster wird Bankdirektor und aus seiner naiven Perspektive fragt er, wieso müssen wir denn Strafzinsen zahlen? Von uns wurde doch immer gefordert, wir sollten sparen. Deshalb gibt er lieber jedem Neukunden 1000 Euro.


Ein Wahnsinnsgedanke!

Im Roman verfolgt das BKA alle Geldströme, hat die totale Übersicht – und die Gangster fühlen sich durch das Bankgeheimnis sicher, die schwimmen darin wie die Fische im Wasser. Rupert hebelt das aus durch seine Bank für Kriminelle.


Erkennen sich die Polizisten in ihren Büchern?

Ja, ein Polizeichef meinte mal zu mir, dass es diese literarischen Figuren wirklich gibt, die sind so, die reden so... Seine Kollegen lieben meine Bücher, die haben den ganzen Tag damit zu tun und lesen dann abends noch so etwas.


Die finden ihren Alltag wieder?

Wahrscheinlich, denn viele Polizisten fühlen sich von mir gesehen, sie sind in den Romanen nicht die doofen Bullen. Manches erkennen sie aus ihrem Dienst wieder, da kann etwa der Papa auf dem Kindergeburtstag nicht den Clown spielen, weil er mal wieder einen dringenden Einsatz hat.

In der kriminalistischen Arbeit haben sie auch ihre Spürnasen, aber sie müssen ihre Erkenntnisse hinterher beweisen. Vor Gericht haben sie das Gefühl, dass IHNEN der Prozess gemacht wird. Klar, Anwälte sollen die Ermittlungsarbeit der Polizei infrage stellen. Doch manche Beamte kommen dann sehr klein mit Hut aus dem Gericht.


Solche Situationen finden die in Ihren Büchern wieder?

Ein Polizist hat mir soeben geschrieben, er freue sich auf den nächsten Roman, er liebe den Rupert, denn er könne sich stark mit ihm identifizieren. Der sage so tolle Sachen, die möchte er auch gerne sagen, das darf er natürlich nicht. „Bin ich ein Barhocker, muss ich mit jedem Arsch klarkommen“, meinte Rupert mal in einer Dienstbesprechung.


Er machte als literarische Figur Karriere?

Das ist faszinierend, er war eine kleine Nebenfigur, manchmal konnte man über seine doofen Geschichten lachen, aber mehr nicht. Es können ja nicht alle die Guten sein, das entspricht nun nicht der Wirklichkeit.


Wieso ist er denn diese wichtige Hauptfigur geworden, dass er sogar eine Trilogie bekommt?

Ich habe intensiven Kontakt mit meinen Lesern, nach jedem neuen Buch bekomme ich täglich Hunderte von Leserbriefen, auch bewegende. Etwa „Ihr Roman hat mir in schlimmer Zeit geholfen als ich Krebs hatte“. Daher weiß ich genau was die Lesenden mögen, was sie wollen, was ihnen wichtig ist. Sie inspirieren mich, das war auch bei Rupert so...

fcfda22c e9dd 46e7 9864 185b9be0670c

Wie finden sie die bisherigen Verfilmungen Ihrer Bücher, Sie arbeiten ja als Berater direkt daran mit?

Früher konnte ich nicht von meinen Büchern leben und habe Kinderfilme, Tatorte, Polizeirufe gemacht, also ich kenne mich aus. Doch die Drehbücher schreibe ich nicht selbst, aber ich lese jedes vorher. Bisher wurde nie etwas gegen meinen Willen gemacht.

Bei den Dreharbeiten erkenne ich, dass sich die Akteure immer mehr einfinden, sie werden zu den Figuren...


...aber warum immer neue Regisseure?

...ich lege darauf Wert, dass die Serie nicht konfektioniert und einfach heruntergedreht wird. Jeder Dreh schafft einen eigenen Spielfilm und jeder Regisseur holt etwas anderes aus den Figuren heraus. Denn in den Romanen sind sie ja vielfältiger und vielschichtiger als im Film.

Außerdem wird jeder neue Filmemacher von mir in die ostfriesische Welt eingeführt, der muss das ja kennenlernen. „Ich gehe hier durch eine vorhandene Kulisse“, hat mir mal einer gesagt. Das ist natürlich Quatsch, denn Ostfriesland ist ja schon da. Diese Vorarbeit findet man später in den Filmen wieder, etwas von dieser besonderen ostfriesischen  Atmosphäre kriegen die mit, sie könnten sonst nicht unsere Welt verstehen und darstellen.


Was ist der Unterschied zwischen Film und Buch

Die Leser sagen oder schreiben mir, der Film sei ja ganz gut gewesen, doch der Roman viel besser. Klar, das Buch schafft eine andere Tiefe und intensivere Verbindung zu den Lesenden. Ich schreibe bewusst fantasieanregend, bei jedem Satz entsteht ein neues Bild, dadurch drehen die Lesenden im Kopf ihre eigenen Filme.

Und der eigene Film ist immer besser, als der, den die anderen gedreht haben. Romane haben 400 bis 500 Seiten, das Filmdrehbuch nur um die 100, da fehlen auch Figuren aus dem Polizeirevier, ebenso die kleinen Details mit den Nachbarn der Kommissarin Klaasen. Das ist die Ökonomie des Personals (lacht).

Ein Film ist ein eigenes Kunstwerk das inspiriert ist von meinem Roman, aber die Figuren dürfen nicht verraten werden, ich muss die Atmosphäre und die Geschichte wiederfinden.

Foto:
Titel:Klaus-Peter Wolf Porträt am Meer © Wolfgang Weßling / Fischer Verlag
Text: Die ostfriesische Polizeitruppe © ZDF / Sandra Hoever
v.l.n.r. Chef Ubbo Heide (Kai Maertens), Ann-Kathrin Klaasen (Julia Jentsch), Frank Weller (Christian Erdmann) und Rupert (Barnaby Metschurat) 

Zur Einleitung: Neue Bücher von Klaus-Peter Wolf