Bildschirmfoto 2021 12 07 um 01.08.03Am 1. Dezember jährte sich zum zehnten Mal der Todestag der Schriftstellerin Christa Wolf, Teil 7

Juliane Schätze

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mit der Wiedervereinigung Deutschlands beginnt ihre Demontage in der Bundesrepublik. Obwohl sie Mitglied der Untersuchungskommission der Polizeieinsätze am 7. und 8. Oktober 1989 in Berlin ist, gilt sie nun nicht mehr als Kritikerin, sondern als Günstling und Mittäterin des Systems.

Literarisch erkennt sie, dass die von ihr angestrebte Subjektivierung, die sich in der subjektiven Authentizität äußert, in einer Gesellschaft, in der nur Leistungsfähigkeit und Effizienz zählt, nicht akzeptiert wird. Das Subjektive ist nicht mehr Gegenpol zum sozialistischen Realismus, sondern privat und damit belanglos. Sie erinnert sich wehmütig an den Ausspruch Bertolt Brechts: „Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit, konnten selbst nicht freundlich sein.“ Früher hielt sie den Satz für falsch. Literarisch wendet sie sich erneut, wie zuvor bei „Kassandra“ der Antike zu. „Medea“ gilt als Beispiel für die Ausgrenzung der Frauen und ganzer Bevölkerungsgruppen.

International wird sie nach wie vor hochgeachtet. In Frankreich wird sie zum „Offizier des Arts et Letters“ ernannt, in Santa Monica/Kalifornien erhält sie für neun Monate ein Stipendiat am „Getty-Center for the History of Art and the Humanities“, wird zu mehrwöchigen Lesereisen, zu Preisverleihungen als Laudatorin eingeladen, erhält Gastprofessuren und Ehrendoktorwürden.

Politisch und wirtschaftlich herrscht nun der Kapitalismus ohne sozialistisches Gegengewicht. Die Folge ist die Ausgrenzung großer Teile der ostdeutschen Bevölkerung, die Schließung von Firmen, Ängste, Entfremdung, Illusionen und Kriege in Kuweit und am Golf. 1990 erscheint die Erzählung „Was bleibt“, die sie im Jahr 1979 begonnen hatte und die sich mit der Überwachung durch die Stasi und der Ausbürgerung Wolf Biermanns auseinandersetzt. Der Zeitpunkt des Erscheinens ist denkbar ungünstig, da die Erzählung als Versuch gewertet wird ihre Angepasstheit an das politische System der DDR zu legitimieren.

1992 nimmt sie Einsicht und 1995 veröffentlicht sie ihre Stasi-Akte, die aus einem Hefter für den IM „Margarete“ und zweiundvierzig Ordnern der eigenen Überwachung besteht. Nach Bekanntwerden der Akte in den Medien werden die Debatten um sie abrupt, aus Mangel an Interesse, eingestellt.

Obwohl sie völlig desillusioniert ist und bezweifelt, dass Literatur die Verhältnisse in der Gesellschaft ändern kann, schreibt sie weiter.

2010 erscheinen der Roman „Stadt der Engel“ mit Bezug auf ihren Aufenthalt in Los Angeles und 2011 die Erzählung „August“, der Name eines Findelkindes, dem sie auf der Flucht nach Gammelin begegnete und die sie ihrem Ehemann Gerhard widmet.

Christa Wolf wurde als Schriftstellerin in Ost und West mit zahlreichen Preisen geehrt. Durch ihr Schwanken zwischen Loyalität zum Sozialismus und Dissidenz zur realen Politik der SED, wurde sie über ihr literarisches Werk, ihre Haltung zum Feminismus und zur Friedensbewegung in Ost und West sowohl verehrt wie vereinnahmt. Sie erhielt den Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR, zweimal den Nationalpreis der DDR, den Bremer Literaturpreis, den Büchner-Preis der Akademie für Sprache und Dichtung/Darmstadt, den Geschwister-Scholl-Preis der Stadt München und den Uwe-Johnson-Preis.

Christa Wolf starb im 83. Lebensjahr am 1. Dezember 2011 in Berlin.

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Info:
Die Serie zu Christa Wolf
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