pnny drei kiefernMehr über die Krimiautorin, die mit Hillary Clinton STATE OF TERROR schrieb, Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ja, lesen Sie am besten die bisherigen Besprechungen und die grundlegenden Aussagen in den Teilen 1 und 2! Aber für den neuen Leser gilt auch hier: Sie können bei HINTER DEN DREI KIEFERN in die Krimihandlung um Inspector Gamache und das formidable Dorf Three Pines direkt einsteigen, auch wenn es sich um den 13. Krimi dieser Reihe handelt, der 2017 im Original in Kanada erschien und 2018 direkt nach Band 1+2 von KAMPA herausgebracht wurde, die inzwischen die Krimis dazwischen auch übersetzt und veröffentlicht haben. Davon ein ander Mal mehr, denn diesmal ist die Geschichte so drängend, daß wir auf nette Worte zu den Ermittlern (vergleiche Teil 1+2) und leider auch Näheres zu den Dorfbewohnern schuldig bleiben müssen.

Louise Penny hat's wirklich drauf. Dieser Kriminalroman ist so Roman wie Wirklichkeit. Wir haben in Europa ja keine Ahnung, wie insbesondere in den USA der Drogenkonsum ein Ausmaß angenommen hat, der alles übersteigt, was uns bei uns schon schlimm vorkommt, wenn man ausgezehrte Leute auf der Straße liegend mit dem Löffel und Feuer hantieren sieht. Seit mir vor Jahren ein drogenabhängiger junger Mann auf dem Frankfurter Hauptbahnhof beim Wegfahrenwollen meine Handtasche von der Schulter riß, in der alles – Geld, Fahrkarte, Papiere – steckte und ich nach einer Schrecksekunde ihm laut brüllend: „Dieb, geben Sie meine Tasche wieder her.“ hinterherwetzte und beim Laufen den Menschen mit offenem Mund zurief: „Helfen Sie mir!“ und tatsächlich welche losrannten und wir den Kerl festhielten, bis die Polizei kam, weiß ich, was Drogensucht aus Menschen macht. Als die Gerichtsverhandlung kam, war dies seine 12. Festnahme und es passierte nichts. Man kann nicht bei den Drogenabhängigen ansetzen, aber bei den Drogendealern, wobei das Wort Dealen viel zu nett ist, es handelt sich um menschenmordende Verbrecher, die inzwischen mit den chemischen Keulen, hier Fentanyl noch eins draufsetzen.

Die Größe und Bedeutung dieser Verbrechen kommen in diesem Krimi der Australierin sehr deutlich zum Ausdruck. Sie nimmt zudem eine aktuelle amerikaspezifische Diskussion auf, denn die Routen zwischen beiden Ländern: Kanada und USA sind legendär und der Drogenfluß gehen in Richtung von Nord nach Süd. Wie nun das kleine Dörfchen Three Pines hineingerät, kann man auf der Landkarte sofort visualisieren. Richtig, das Dörfchen selbst finden Sie nicht, aber die Nähe der Grenze schon und auch die Bewaldung, relativ wenige Bewohner. Die kleinen Straßen sind ideale Transportwege, weil man dummerweise immer glaubt, die Transporte würden in großen Lastern über die Autobahnen verlaufen. Dort wird viel zu viel kontrolliert, auf den kleinen Seitenstraßen nicht. Da aber ist nun das Entscheidende, daß man einen Ort der Zwischenlagerung hat, von dem aus man entscheiden kann, wann eine Lieferung sich auf den Weg machen sollte. Einen solchen Ort hatte die kanadisch-US-amerikanische Drogenmafia gefunden: in Three Pines, ausgerechnet im geheimen Keller der Dorfkirche, der früher, als die verbotene Droge noch Alkohol hieß, in den Zeiten der Prohibition Schnaps lagerte.

Damit haben wir das Ende, das den Krimi in Gang hält, schon verraten, aber nur das lokale Ende und nicht, wer mit wem und was. Wie immer verschränkt die Autorin gekonnt, verschiedene Stränge. Das Ganze geht nämlich mit einem Gerichtsprozeß los, wo der – wie sind im 13. Band, der ehemalige Inspector Gamache ist Leiter der Sûreté du Quebec' geworden, wo also Chief Superintendent im Juli – auch das ist für uns neu, die ersten Krimis spielten immer bei Eis und Schnee! - stark schwitzend im Zeugenstand die Unwahrheit sagt. Nein, so steht das nicht dort, aber wir verstehen nach ein paar Zeilen, daß es hier ein geheimes Spiel zwischen dem Staatsanwalt und seinem Zeugen gibt, daß es so aussehen läßt, als ob der Staatsanwalt seinen eigenen Zeugen auseinandernehmen will, was der Richterin Judge Corriveau in ihrem ersten Fall so gar nicht gefällt. Was ist da los?

Es geht um einen Mordfall und während wir über viele Seiten dem Spiel der beiden zuschauen und auch, wozu sich Gamache versteigt, was seinem Stellvertreter – und inzwischen Schwiegersohn Jean-Guy Beauvoir – das Blut in den Kopf schießen läßt, wissen wir zwar vom Mord, aber nicht, wer überhaupt angeklagt ist. Hat das die Autorin vergessen, fragte ich mich. Natürlich nicht, aber ein geschickter Schachzug, weil über dem über den Prozeß Gesagten immer ein großes Fragezeichen hängt, das erst am Schluß zum Ausrufezeichen wird. Aber, daß der Mord im Keller der örtlichen Kirche geschah und entdeckt wurde, das ist schnell klar. Denn in einer Erinnerungshandlung werden wir über die Modalitäten, wieso es zum Prozeß kommt, aufgeklärt. Spannend. I

Zu den sonstigen Bewohnern von Three Pines haben sich schon vor Jahren auch Armand Gamache mit seiner Frau Reine-Marie gesellt, die ein eigenes kleines Haus bewohnen. Gegenüber sonst sind nur zwei Personen hinzugekommen, die noch nicht lange hier arbeiten, sich aber von der früheren Stelle in einem Privathaushalt kennen: der junge Abwäscher, hinter dem ein begnadeter Koch steckt, Anton und Jacqueline, die der Bäckerin hilft, die dringend auf eine Nachfolgerin aus ist, nur gelingt der Neuen einfach die Zubereitung des Baguettes nicht, während das Gebäck hervorragend ist. Und dann gibt es ebenfalls seit Jahren jährlichen Besuch von zwei Ehepaaren, die eine eine Politikerin, die noch viel vorhat, die andere eine Architektin mit ihrem Architektenmann. Die ist es, die als erste nervös wird, als der Cobrador del Frac auftaucht.

Auch, wer die Funktion dieser spanischen Figur nicht kennt, erschrickt bei der Beschreibung, als so ein in eine schwarze Kutte – wie bei der Inquisition – Gehüllter reglos auf dem Dorfanger steht und immer in Richtung der Häuser, eben auch auf die Pension blickt, wo die vier Gäste wohnen. Die sind nervös, aber Nervösesten die dann Ermordete, die aber gleichzeitig aufklärt, was es mit dieser Figur auf sich hat, die historisch Schulden eintreibt und zwar nur durch persönliches sprachloses Auftauchen in den Menschen Schuld und Angst erzeugt. Doch hier wird diese Saga weiterentwickelt, daß diese schwarze Figur das Gewissen darstelle, das derjenige, auf den sie stumm starrt endlich haben solle und seine Schuld gestehen soll. Doch stattdessen findet man die Architektin tot in dem schwarzen Umhang in der Kirche.

Hier schließt sich ein Kreis in unserer Besprechung. Und mehr dürfen wir nicht verraten, als daß dies eine spannende Handlung, bei der man viel lernt, ist, die zudem die Gewissensnöte eines deutlich werden läßt, der Recht und Gesetz ein wenig brechen muß, um das echte Recht und das wirkliche Gesetz durchsetzen zu können.
 
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Info:
Louise Penny, Hinter den drei Kiefern, Ein Fall für Gamache, aus dem kanadischen Englisch von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck, Kampa Verlag 2018
ISBN 978 3 311 12002 5

Die bisherigen Pennyartikel:
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/24350-louise-penny-das-dorf-in-den-roten-waeldern-der-erste-fall-fuer-gamache
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/24342-louise-penny-und-ihr-inspector-armand-gamache-faelle-aus-quebec
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/24341-louise-penny-und-die-hintergruende-der-zusammenarbeit-mit-der-ex-us-aussenministerin
https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/24351-louise-penny-tief-eingeschneit-der-zweite-fall-fuer-gamache
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/24361-louise-penny-hinter-den-drei-kiefern


Und die Besprechung von Clinton/Penny THE STATE OF TERROR
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/24260-state-of-terror
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/24261-die-handlung