9783596700035Zum 16. Ostfriesenkrimi, der immer noch gefällt

Hanswerner Kruse

Fulda/Norden (Weltexpresso) - Wie immer in den Ostfriesenkrimis jagt Kommissarin Ann Kathrin Klaasen einen brutalen Serientäter mit abnormen Gewohnheiten. Diesmal steckt er seinen toten männlichen Opfern deren Geschlechtsteile in den Mund. Darum könnten die Tatverdächtigen auch Frauen sein, etwa betrogene Liebhaberinnen oder eine politisch aktive Frauen-WG, wie die Machos im Team mutmaßen. Natürlich versucht Klaasen auch in ihrem 16. Fall die Verdächtigen zu verstehen und verlangt ebenfalls von ihren Kollegen, sich in Täter und Opfer hineinzuversetzen.
Mit großer Selbstverständlichkeit verlegt Auto Klaus-Peter Wolf die Handlung in die Frühzeit der Corona-Pandemie: Die Menschen sind im Lockdown, Touristen müssen aus Ostfriesland abreisen, Masken sind noch selbstgeschneidert und die Orientierung, was man darf, ist unsicherer als heute. Auch die  Polizeiarbeit ist schwierig geworden und selbst die Verbrecher sind unzufrieden: „Er hoffte, dass die Scheißzeit bald vorbei sein würde. Er wollte sein altes Leben zurück“, dachte der Killer.

Der Autor taucht tiefer als je zuvor in die seelischen Zustände und zerbrochenen Beziehungen seiner nicht-polizeilichen Figuren ein. Wir lernen die angstgestörte Frau und ihren untreuen Ehemann kennen, einen saufenden, prügelnden Vater und dessen Sohn, den Auftragsmörder und seine Opfer, etwa den Richter und seine langjährige heimliche Prostituierte. Stark sind viele Sequenzen des Buches durch eigene abscheuliche Erfahrungen des Schriftstellers geprägt, etwa durch die leidvolle Vater-Sohn-Beziehung in seiner Kindheit. Das macht den überaus spannenden Krimi bewegend und stärker literarisch.

Der Roman ist natürlich in sich abgeschlossen und könnte auch Erstleser der Ostfriesen-Serie faszinieren. Ganz nebenbei ist man erstaunt, wie locker wir eigentlich heute mit Corona umgehen.

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Cover: Fischer-Verlag

Info:
Klaus-Peter Wolf Ostfriesen-Sturm, Fischer-Verlag, Taschenbuch 560 Seiten, 13 Euro
erscheint am 9. Februar