deutsche llteraturhauserStellungnahme des Netzwerks der Literaturhäuser in Deutschland, Österreich und in der Schweiz

Vorstand Netzwerk der Literaturhäuser e.V.

Frankfurt am Main/Hamburg - Die Zukunft des Buches hängt von den Büchern ab. Die werden geschrieben, verlegt, besprochen, verkauft und Tausenden von Leserinnen und Lesern in Lesungen und Diskussionen vorgestellt. Und Bücher brauchen Foren. Die Leipziger Buchmesse repräsentiert die Vielfalt, die wir uns wünschen. Sie ist auch die Manga-Comic-Con sowie vor allem das Lesefest „Leipzig liest“ – das größte seiner Art in Europa.

Es ist der Buchpreis zur Europäischen Verständigung, es sind die drei Sparten-Preise der Leipziger Buchmesse, der Alfred-Kerr-Preis, die Preise der Kurt Wolff Stiftung usf. Die Leipziger Buchmesse war immer auch – erst recht nach 1989 – ein Symbol, eine Positionslaterne auf schwankendem Gelände. Deshalb wird das Netzwerk der Literaturhäuser in Deutschland, Österreich und in der Schweiz auch 2022 trotz Absage der Messe nach Leipzig reisen, dort tagen und dort den Preis der Literaturhäuser verleihen.

Das Buchereignis in Sachsen ist ein tragender Ast, auf dem die gesamte Buchbranche sitzt. Jetzt sägen die daran, die dem Anschein nach am besten durch die Krise kamen und die am deutlichsten von weichen Faktoren wie Auszeichnungen, Preisen, TV-Präsenz und Berichterstattung profitiert haben dürften. Der Politik wurde vorgeworfen, die Bedeutung des Publikums für Kulturveranstaltungen wie von Kunst und Kultur im Allgemeinen zu unterschätzen – jetzt untergräbt sich die Branche nachhaltig selbst. Wir können es uns nicht leisten, mit Leipzig einen Austragungsort für Anschlussfähigkeit, für Niedrigschwelligkeit, für Diskussion, Einmischung, Dissens und Behauptung aufzugeben. Die Messe ist ein Wimmelbild aus Effekten für die helle Kulturkraft des Buches.

Die, die das Buch durch ihre Messeabwesenheit jetzt eines der größten Schaufenster berauben, verkennen die Folgen. Was für 2022 billigend in Kauf genommen wird, ist eine Absage an die Bundesländer im östlichen Deutschland, eine Absage an die Jugend, die dort zu Tausenden physisch mit der Relevanz des Buches und des freien Wortes in Berührung kam, es ist eine Absage an Vermittlungskultur wie sie einzigartig ist auf der Welt, eine Absage an die Gastfreundschaft Leipzigs und nicht zuletzt ist es eine Einladung, mit Frankfurt am Main früher oder später ähnlich zu verfahren. Die an Umsichtigkeit kaum zu überbietenden Begleitmeldungen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in seinem Hausblatt taten ihr übriges.

Die wirksamste Verkaufsfläche für das Buch ist Begegnung. Für das Buch im Gespräch ist Deutschland Weltmarktführer. Ein Status, den es mit Gestaltungswillen zu behaupten gilt. Denn die Wirkungsmacht des Buches ist in keiner Weise mehr abgekoppelt von ihrer öffentlichen Performanz. In einem Moment, in dem es leicht war, Normalität einkehren zu lassen und vorausschauend zu handeln, demonstrieren die Größten der Branche ihr volles Desinteresse. Gerne schicken die Verlage ihre Autoren auf Reisen, Teams für die Messestände fänden sich vorgeblich nicht. Es ist jetzt an den Verlagskonzernen wie an uns allen, zu investieren, etwas zurückzugeben, zu zeigen, wir sind gut durch diese Krise gekommen. Danke, du furchtloser Buchhandel. Dank an alle Leserinnen und Leser. Dank an die Kreativen.


Hauke Hückstädt, Literaturhaus Frankfurt am Main
Tomas Friedman, Literaturhaus Salzburg
Gesa Schneider, Literaturhaus Zürich
für den Vorstand des Netzwerk der Literaturhäuser e.V.

Thorsten Ahrend, Literaturhaus Leipzig
Katrin Eckert, Literaturhaus Basel
Bettina Fischer, Literaturhaus Köln
Tanja Graf, Literaturhaus München
Florian Höllerer, Literarisches Colloquium Berlin
Robert Huez, Literaturhaus Wien
Anja Johannsen, Literarisches Zentrum Göttingen
Susanne Lewalter, Literaturhaus Wiesbaden
Rainer Moritz, Literaturhaus Hamburg
Ulrika Rinke und Reiner Mnich, Literaturhaus Rostock
Stefanie Stegmann, Literaturhaus Stuttgart

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