Jussi Adler Olsens ERBARMEN bei dtv

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Thriller steht vorne drauf und man sieht das Gesicht der Heldin aus dem gestern angelaufenen Film ERBARMEN, Sonja Richter als Merete Lynggaard, wie sie eingeschlossen das Fensterglas durchbrechen will. Die FRAU IM BUNKER. Der erste Fall für Carl Mørk, Sonderdezernat Q.

 

 

Sein Autor Jussi Adler-Olsen – wir sind in Dänemark, in Kopenhagen, das muß man dazu sagen, weil sich die skandinavischen Kriminalromane schon gleichen – ist heute ein bekannter Mann und mit 4, 5 Millionen weltweit verkauft, was eine Leserschaft von über 8 Millionen ausmacht. Damals aber, als er 2008 diesen ersten Band einer Serie herausbrachte, der dann gleich 2009 ins Deutsche übersetzt wurde, mußte er sich mit diesem Buch erst durchsetzen und konnte es auf Anhieb. Das hängt mit diesem Querkopf, diesem Carl Mørk zusammen, ein Querulant, wenn nötig, ein schlecht gelaunter Depressiver über weite Strecke, faul dazu, aber fit, wenn es um die Aufklärung von Verbrechen geht.

 

Da dies seine Arbeit ist, kommt er also bei allen seinen Problemen gut in Buch und Film weg. Was allerdings frappierend ist, das ist, daß man im Jahr 2014 die Neuauflage von ERBARMEN. DAS BUCH ZUM FILM gar nicht mehr lesen kann, ohne daß mürrische, verschlossene, ausdrucksstarke Gesicht von Darsteller Nikolaj Lie Kaas vor sich zu sehen. Unwiderbringbar dahin, sich den Vizepolizeikommisar, der sich noch Vizekriminalkommissar nennt, in eigener Phantasie vorzustellen. Da wir damals den ersten und die weiteren Bände gelesen und rezensiert hatten, müßten wir uns doch erinnern, wer und beim Lesen vor Augen stand. Tatsächlich erledigt dies Kaas auf einen Schlag, was dafür spricht, daß sein Schauspieler eine gute Wahl war.

 

Das trifft erst recht auf seinen Adlatus Assad zu, den er sich zum Saubermachen und Kleinmistaufarbeiten bestellt, woraus der Syrer Fares Fares eine kongeniale Gestaltung macht. Die beiden prallen aufeinander und daß wir dabei lachen dürfen, hat mit dem Witz und dem Hintersinn des menschenklugen Assad zu tun. Wie sehr allerdings Adler-Olsen dies schon im Roman vorweggenommen hat, liest man – nach der Sichtung des Films – im Filmbuch eher verblüfft. So stark hatte man Assad damals nicht wahrgenommen, aber die Humoreske steckt in diesem bitterbösen Krimi absolut drinnen.

 

Bitterböse? Ach ja und das gleich doppelt. Schon die ersten Seiten enthüllen eine Tragödie. Ebenfalls eine doppelte. Da ist diese Merete, eine aufstrebende, beliebte und sehr hübsche (das wird im Buch viel stärker betont) Politikerin, die spurlos verschwunden ist, wir wissen, daß sie in einer Druckkammer gefangengehalten wird, in der ihr Fänger und Mörder sie langsam töten will. Die andere Tragödie ist die des Polizeieinsatzes von einem Dreierteam, wo einer stirbt, Henry vom Hals ab gelähmt bleibt und nur der lädierte Carl Mørk übrig bleibt. Angeschlagen an Leib und Seele, aber dienstfähig.

 

Als er den Dienst nun antreten will, will ihn keiner haben. Sein altes Team ist erledigt, die anderen sehen ihn als teamunfähig an. Aber herausschmeißen kann man den verdienstvoller Polizisten nicht. Also befördern, indem ein Sonderdezernat gebildet wird, in dem alle alten und ungelösten Fälle in ganz Dänemark aufgeklärt werden sollen. Schließlich ist er einer der besten Ermittler. Schnell bemerkt Carl das doppelte Spiel seines Vorgesetzten. Denn dieser kann mit diesem politisch gewollten Dezernat hohe finanzielle Mittel an sein Haus binden, von denen nur ein Fünftel im Sonderdezernat landen. Aus dem Organisationsdschungel wird jedoch durch den Fall der jungen Politikerin sehr schnell ein rasanter Krimi, in dem die beiden: Carl und Assad die Puppen zum Tanzen bringen.

 

Beim Wiederlesen staunt man auch darüber, wie frisch einem das Pärchen Carl und Assad vorkommt. Schließlich haben wir schon alle fünf Fälle des Carl Mørk gelesen, eine Reihe, die - laut Aussage des Autors – auf zehn Bände angelegt ist. Im Deutschen sind – weil man das für publikums- und verkaufsfördernd hält – die Titel auf Ein-Wort zusammengeschnurrt. Aber sie haben alle Untertitel und benennen den jeweiligen Fall, damit man sich alles gut merken kann:

 

ERBARMEN. Die Frau im Bunker, Der erste Fall...

SCHÄNDUNG. Die Fasanentöter, Der zweite Fall...

ERLÖSUNG. Flaschenpost von P, Der dritte Fall...

VERACHTUNG. Akte 64, Der vierte Fall...

ERWARTUNG/ Der Marco-Effekt, Der fünfte Fall

 

Die Regie im Film ERBARMEN führt Mikkel Nørgaard, der wohl auch beim nächsten Film SCHÄNDUNG – schon im Dreh – mit seinen Schauspielern dabei ist. ERLÖSUNG ist schon in Vorbereitung. Wann allerdings der sechste Fall des Carl Mørk – gesprochen Mörk – als Buch vorliegt, wissen wir nicht. Sicher aber wieder bei dtv.

 

 

INFO:

 

Jussi Adler-Olsen, ERBARMEN, Deutscher Taschenbuch Verlag, ungekürzte Ausgabe 2014

 

Jussi Adler-Olsen, ERBARMEN als Hörbuch, gekürzte Lesung mit Wolfram Koch, Der Audio Verlag, 1.1.2014