Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. April 2022, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Film GESCHICHTEN VOM FRANZ ist richtig gut, einfach durch und durch gelungen, weil sich beim Zuschauen die Gefühle einstellen, die man beim Lesen der FranzGeschichten auch hat: Erinnerung an die eigene Kindheit für uns Erwachsene, an das Gute, Heimische, aber auch an Konflikte und Streit. Beispielgebend für Kinder und Jugendliche sind die Geschichten in ihrer Wärme, ihrer Offenheit, ihrer positiven Gestimmtheit bei allen Problemen, die angesprochen und ausgetragen werden.
Wir kennen die GESCHICHTEN VOM FRANZ seit jeher, schon deshalb, weil wir früh eine Verehrerin der Christine Nöstlinger waren, die übrigens damals irgendwann den Literaturnobelpreis verdient gehabt hätte, wenn denn Kinder- und Jugendliteratur endlich als Literatur anerkannt wären. Nicht alle, aber die Bücher der Nöstlinger ganz gewiß.
In unserem schönen dicken Band, mit richtig großer Schrift, für Kinder gut und für die Erwachsenen, die nur bei kleiner Schrift eine Brille brauchen, auch!!, also in unserem schönen dicken Band DIE BESTEN GESCHICHTEN VOM FRANZ wird gleich am Anfang auf der allerersten Seite links über Christine Nöstlinger (1936-2018) berichtet. Da wackeln einem erst einmal, ja was?, aber es wackelt auf jeden Fall gewaltig, wenn wir von den ganzen Preisen lesen, die sie im Laufe ihres Schreiblebens erhalten hat. Aber ehrlich gesagt, bin ich schon froh, daß sie eine derartige Wirkung hatte, was sich auch in den Verkaufszahlen ihrer Bücher niederschlägt. Noch mal. Wenigstens das. Und der wichtigste Preis ist sicher der als erste Preisträgerin des hoch dotierten Astrid-Lindgren-Gedächtnispreises: „Christine Nöstlinger ist eine wahre Nichterzieherin im Sinne Astrid Lindgrens...sie steht vorbehaltlos auf der Seite der Kinder und Außenseiter.“
Nein, wir dürfen jetzt nicht weiter von Christine Nöstlinger schwärmen, sondern müssen uns um Franz kümmern, der ja eigentlich ein Wiener Franzl ist. Es sind legendäre Geschichten – die man nicht nur schriftlich als Bücher, sondern längst auch als Hörbücher bekommt - , in denen der Franz Fröstl, wohnhaft mit Familie in der Hasengasse, auf himmlische Weise kaum älter wird. Denn immerhin gibt es ihn seit 1984 und die FranzGeschichten hat die Autorin erst 2011 beendet. Das sind 27 Jahre, so lange rechnet man eine Generation, so daß man davon ausgehen kann, daß Franz literarisch noch lange weiterlebt. Schließlich hat er Vorbilder wie HEIDI von Johanna Spyri, die schon 1880 erschien und heute durch Neuauflagen und eben auch die Filme über sie in unserem Gedächtnis lebendig bleibt.
Die Struktur der FranzGeschichten ist eine andere, denn es handelt sich wirklich um kurze Geschichten, die dann erst zusammengenommen einen Lebensroman, einen Jungensroman ergeben, aber – und das ist gut – gerade für diejenigen, die mit dem Lesen anfangen, überschaubar, bewältigbar sind. Wir, die Erwachsenen, die da in einer Geschwindigkeit die Buchstaben zu Wörtern und die Wörter zu Sätzen – möglichst sinnvollen – mehr erahnen, überfliegen, als lesen, wir erinnern uns kaum mehr daran, wie schwierig es war, lesen zu lernen. Da gibt es die einen, die wirklich mit Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort oder Satz für Satz anfangen und es sofort können, das Lesen, und da gibt es die anderen, bei denen sich lange nichts tut: und auf einmal können sie’s. Auf jeden Fall eignen sich die FranzGeschichten in besonderem Maße für Erstleser. Und das wissen die auch, bzw. ihre Lehrer und Lehrerinnen – meist nämlich diese – und verwenden den Franz beim Lesenlernen. Gut so. Aber über die viel zu vielen, die nie lesen lernen sprechen wir kaum und auch jetzt nur ganz kurz! Für diejenigen, den Analphabeten, von denen selten die Rede ist, sind wir aber über die Hörbücher und Filme doppelt froh. Denn ehrlich gesagt, sind die Geschichten vom Franz gerade für die Nichtlesenkönner am zutreffendsten, so daß beim Hören der FranzGeschichten gerade die sagen, ‚genau, genau‘, die das Lesen nicht gelernt haben.
Ein Widerspruch? Überhaupt nicht. Das Gegenteil ist richtig. Für das ‚genau, genau‘, gibt es Gründe. Denn, wenn ich oben von Wärme sprach, die alle Bücher von Christine Nöstlinger charakterisieren, so hat das damit zu tun, daß sie nicht die Alleskönner zu ihren Helden macht, nicht die 1a-Schwimmer, nicht die Mathegenies, nicht die, die schon mit drei Jahren am Klavier sitzen oder Gedichte aufsagen, auch nicht die Kinder, die beim Wettbewerb mit Erwachsenen die wirklich tollsten Leistungen erbringen, sondern einen Helden erschreibt, der erst einmal überhaupt nicht auffällt, denn er ist klein und hat blonde Ringellöckchen, rote Bäckchen und oft wissen die Leute gar nicht, daß sie einen Jungen vor sich haben, so mädchenhaft wirkt er – und dann erst die Stimme! Männlich ist was anderes! Eher so piepsig, nein, an eine Maus muß man nicht denken, aber doch daran, daß man ihm mehr Selbstbewußtsein, eine andere Stimmlage gönnt.
Aber, damit Ihr das nicht falsch versteht. Er ist zwar ein Außenseiter, unser Franz, aber er hat es faustdick hinter den Ohren. Er nutzt sein Äußeres wie auch sein Inneres. Er setzt sich auf eine ganz andere Art durch, nicht durch Gewalt, nicht durch Auftrumpfen, nicht durch Angeben. Was das ist? Das liebe Leserin, lieber Leser müßt ihr nun selber herausfinden, in diesem schönen Gesamtband DIE BESTEN GESCHICHTEN VOM FRANZ, wo die Schulgeschichten, die Feriengeschichten, die Detektivgeschichten, auch die Krankengeschichten und haha, die Liebesgeschichten und noch mehr Geschichten vom Franz zusammengefaßt werden.
Ein Buch fürs Leben, für einen selbst, für Kinder, für Enkel. Hauptsache, man liest es!
DIE FRANZ BÜCHER:
Geschichten vom Franz 1984
Neues vom Franz 1985
Schulgeschichten vom Franz 1987
Neue Schulgeschichten vom Franz 1988
Feriengeschichten vom Franz 1989
Krankengeschichten vom Franz 1990
Liebesgeschichten vom Franz 1991
Weihnachtsgeschichten vom Franz 1993
Fernsehgeschichten vom Franz 1994
Hundegeschichten vom Franz 1996
1998 Babygeschichten vom Franz
2000 Opageschichten vom Franz
2002 Fußballgeschichten vom Franz
2004 Pferdegeschichten vom Franz
2005 Quatschgeschichten vom Franz
2006 Neue Fußballgeschichten vom Franz
2007 Franz auf Klassenfahrt
2010 Detektivgeschichten vom Franz
2011 Freundschaftsgeschichten vom Franz
2016 Die besten Geschichten vom Franz, Sammelband
Foto:
Cover
Info:
Christine Nöstlinger, Die besten Geschichten vom Franz-Geschichten mit Illustraionen von Erhard Dietl, Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg, 7. Auflage 2018
ISBN 978 3 7891 1290 4