MONUMENTS MEN als Buch

 

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Wir haben das Buch zur Hälfte vor der Weltpremiere seiner Verfilmung von und mit George Clooney in Berlin, zur anderen Hälfte danach gelesen. Wahrscheinlich waren wir dadurch etwas enttäuscht von den historischen Ungenauigkeiten im Film, dafür dann aber um so interessierter beim Weiterlesen.

 



Tatsächlich haben ja beide Methoden des Davor oder Danach etwas für sich. Im Buch lernen wir schon gleich am Anfang, daß die Gesamtaufgabe der MONUMENTS MEN eine viel umfassendere war, als nur die Aufarbeitung der NS-Kunst-Verbrechen, denn es fängt mit über Europa hinausgehenden Aufgaben an und hat dann Italien im Visier. Doch Edsel entschloß sich, in diesem Buch nur auf die Auseinandersetzung mit den Nazis zu setzen, wobei die Kunstreisen seiner Haupthelden in den vorderen und hinteren Umschlagseiten abgebildet sind und wir auf einen Blick sehen: Ausgangspunkt ist London, für Major Ronald Edmund Balfour von der kanadischen Armee endet es in Kleve, (alle anderen sind US-Soldaten) für Gefreiten Lincoln Kirstein in Nancy, Hauptmann Walker Hancock bleibt in Bernterode, nach Altaussee, dem Hauptort von Buch und Film, gelangen Hauptmann Robert Posey, Leutnant James J. Rorimer und Oberleutnant George Stout.



Sie alle dienen übrigens in den unterschiedlichen Armeeteilen, von der 1. bis zur 12. Armee. Solche Feinheiten vermittelt erst das Buch, auch was die Konkurrenzen untereinander angeht. Nicht die der Monuments Men, sondern die der Armeeteile, denn jeder will beispielsweise für die Sicherung von Altaussee zuständig sein und das Hin und Her macht dieses Buch zu einer wirklichen Dokumentation, manchmal dann auch zum Lesen von trögeren Stellen. Das macht man aber gerne, weil man auf jeder Seite das Gefühl von Authentizität hat. Denn Robert M. Edsel versucht die 541 Seiten hindurch, uns die Kriegswelt mit den Augen dieser Monuments Men sehen zu lassen.



Die ausgewählten acht Personen stehen für alle: „Am Ende arbeiteten ungefähr 350 Männer und Frauen aus 13 Ländern für die Sektion „Monuments, Fine Arts und Archives“ (MFAA) – eine bemerkenswert geringe Zahl angesichts der Millionen von Soldaten in den kämpfenden Truppen. Doch bis zum Ende des Krieges (am 8. Mai 1945) waren nur rund 60 Monuments Men in Europa aktiv, die meisten von ihnen Amerikaner oder Briten...In den ersten Monaten nach dem D-Day (6. Juni 1944) befanden sich erst knapp ein dutzend Monuments Men auf dem Boden der Normandie. Diese Gruppe wurde bis zum Ende der Kämpfe nach und nach auf 25 Mann verstärkt; sie hatte die anspruchsvolle Aufgabe, sich um den gesamten nordwesteuropäischen Raum zu kümmern. Ein nahezu unmögliches Unterfangen.“ (Seite 14)



Das macht Zweierlei deutlich. Zum einen stehen die dann folgenden Heldentaten der von Edsel ausgewählten Männer als pars pro toto, einfach weil diese auch die spektakulärsten Funde von am Schluß weit über 1000 aufgefundenen Depots sind. Zum anderen ist nur so zu erklären, warum bis heute Raubkunst der Nazis nicht vollständig aufgeklärt ist. Denn die Deutschen machten in den Nachkriegsjahren und auch in den Fünfziger Jahren nicht dort weiter, wo die Alliierten angefangen hatten, nämlich alle im Besitz von Museen oder Privatpersonen befindliche Kunst daraufhin zu befragen, woher sie gekommen ist. Noch nicht einmal die in den Nazi-Jahren beschlagnahmten, ach was, von Juden geklauten Kunsthandlungen, Auktionshäuser etc. - was als 'Arisierung' schon mehr als verharmlosend klingt -, selbst diese Häuser durften ohne Probleme in der BRD einfach weitermachen, wo sie im Tausendjährigen Reich angefangen hatten. Doch das ist nicht Thema dieses Buches, bleibt aber Thema der Bundesrepublik Deutschland.



Schon aus diesem Grund, weil unsere eigene Geschichte an dieser Stelle nicht aufgearbeitet ist, gibt dieses Buch einem beim Lesen viel. Es ist ein geschickter Schachzug des Autors, uns mit den acht in Bild und Kurzlebenstext vorgestellten MONUMENTS MEN die persönliche Ebene ans Herz zu legen, denn wir verfolgen den weiteren Text immer wieder auch durch Zurückblättern, wenn von den einzelnen Kunstschützern die Rede ist, um sie so gut auseinander halten zu können, was bei Stout, Hancock und Rorimer nicht schwer fällt, weil sie an vorderster Front handeln. Angemessen würdigt Edsel dabei mit Bild und Text auch zwei Franzosen: Jacques Jaujard, Direktor der Französischen Nationalmuseen und Rose Vallan, Verwalterin des Jeu de Paume und Gegenspielerin der Deutschen, da sie vier Jahre verbergen kann, das sie jedes Wort der Deutschen versteht und so um alle Geheimnisse der Kunsttransporte weiß und Listen geführt hat, wo welche Kunstschätze hingebracht wurden.



Es war Zufall, daß sie an der richtigen Stelle saß, denn im Jeu de Paume, ein kleines Museum unmittelbar in der Nähe des Louvre, führten die Deutschen ihre Kunstraubzüge zusammen. Gleichzeitig kümmerte sich Rose Vallan auch um die dem Museum gehörenden Teile und fügte an jedes Bild, jede Skuptur, jedes Blatt eine Färbung an, die dem Kundigen verriert, woher der Schatz stammt. Rose Vallan spielt in der Verfilmung deshalb eine große Rolle spielt, groß aber auch deshalb, weil sie die einzige Frau in diesem Männergeschehen bleibt. Militär ist – erst recht damals – Männersache und die Kunst auch.



Edsel führt uns in seinem Buch nicht an den wichtigsten Ereignissen an der Hand – was der Film leicht mit dem Holzhammer tut - , sondern legt seinen Gegenstand eher als Komposition vor, wenn er nach den Vorbemerkungen nun fünf Teile gestaltet: DIE MISSION NORWESTEUROPAÖ – DEUTSCHLAND – DIE LEERE – DIE NACHWIRKUNGEN. Auf den Begriff des Komponierens kommt man schon deshalb, weil er mit der Flucht aus Deutschland, konkret aus Karlsruhe von Harry Ettlinger beginnt und mit einem wirklichen schönen Schluß mit Harry Ettlinger auch enden kann, einen Vorgang, den man auf den Fotos ab Seite 400 auch sehen kann: Auf einem Foto in Heilbronn 1945 werden die Monuments Men Dale V. Ford und Harry Ettlinger mit einem Selbstporträt von Rembrandt gezeigt, das sie aus der Mine von Heilbronn sicherstellten, ein Foto, das um die Welt ging. Ein Nachdruck des Gemäldes hing bei seinem Großvater in Karlsruhe und hängt nun bei ihm in New Jersey. So schließen sich Kreise und manchmal geht etwas auch verhältnismäßig gut aus.



Man kann den Detailreichtum des Buches nicht in wenige Worte fassen, man kann nur urteilen, daß es für jeden, den deutsche Geschichte interessiert und/oder Kunst ein wichtiges Buch wird, weil es weniger um Besitz von Kulturgütern geht, als darum, was sie an Identität stiften können, von ihrem Wert für das kulturelle Gedächtnis von Nationen, aber auch kleinen Städten oder Museen ganz abgesehen. Daß Kulturerhalt eine wichtige Aufgabe ist, das – so denkt der freie Leser – hätten sich viele deutsche Stadtoberen vor der restlichen Zerstörung ihrer Innenstädte erinnern sollen, wenn sie die kleinbürgerlichen Bauten der 50er/60er Jahre auf Flächen setzten, wo man kriegsbeschädigte, historisch gewachsene Anlagen auch hätte sanieren können.



Es geht bei dem Buch also nicht nur – doch, doch, als reinen Krimi kann man das auch lesen – um den Ablauf des Geschehens, das so klar gegliedert ist, daß man geradewegs mit dem Autor durch das zerstörte Deutschland fährt, und seinen Grundzorn über so manche Untat eines Nazi-Deutschen noch mit weiterem Zorn anreichern kann. Es geht auch darum, daß derjenige, der nicht aufgibt, und wach auf Aktuelles reagiert, Erfolge zeitigen kann. Nicht den Kopf in den Sand stecken, ist sicher eine durchaus amerikanische Aufforderung. Die gilt im Buch bis zum Fund in Altaussee, das hinter dem Hallstättersee liegt, verwunschen und tatsächlich eine der schönsten Flecken der Erde. Dahinter übrigens ein noch kleinerer See, der berühmt berüchtigste Toplitzsee, wo die Taucher bis heute das Nazi-Gold wähnen.

Wir aber nehmen den Ball auf und führen das Unternehmen direkt mit dem Fall Gurlitt zusammen, wo auch dieses Buch eine Bekräftigung ist, genau hinzuschauen, welche Kunst sich dort angesammelt hat, wem sie gehört hat und nicht zufrieden zu sein, wenn sie von Juden 'abgekauft' wurde, sondern genau wissen zu wollen, für wie viel Geld und unter welchen Bedingungen. Denn das Perfide an diesen Käufen ist ja, daß man so tut, als ob sie freiwillig erfolgt seien. Insofern schärft das ganze Buch erneut das Bewußtsein von Unrecht. Das gilt für diejenigen, die sich wenig mit der Materie befaßt haben. Für die, die sich auskennen, ist es eine hilfreiche und untermalende Unterstützung.



INFO:

Robert M. Edsel, Bret Witter, Monuments Men. Die Jagd nach Hitlers Raubkunst, Residenz Verlag 2013