Hans Litten – Biographie eines Kämpfers gegen das Naziregime
Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Auf hoher See und vor Gericht sind wir alle in Gottes Hand, sagt ein altes Sprichwort, das seinen Ursprung in den bitteren Erfahrungen hat, die vor allem einfache Menschen in deutschen Gerichtssälen machen mussten.
Für sie war es besonders wichtig, einen Anwalt an der Seite zu haben, der nicht nur seinen Verstand, sondern auch sein Herz für die Beschuldigten sprechen ließ. So einer war Hans Litten, der 1903 in einer gutbürgerlichen Familie mit jüdischen Wurzeln zur Welt kam. Seine Wirkungsstätte als Anwalt war das Berlin der 1930er Jahre, Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen Angehörigen der beiden Arbeiterparteien SPD und KPD und Angehörigen der straff organisierten NSDAP Hitlers.
In einem der Prozesse, die diesen Kämpfen regelmäßig folgten, kam es zu einem berühmt gewordenen Wortgefecht zwischen dem Anwalt der Nebenklage, Hans Litten, und dem als Zeugen geladenen Naziführer Adolf Hitler. Litten ging es um den Nachweis, dass die NSDAP bei den Auseinandersetzungen planmäßig terroristische Methoden anwandte. Mit einer Fülle von Zitaten gelang es Litten, Hitler derart in die Enge zu treiben, dass dieser sich von den eigenen Parteipublikationen distanzieren musste, um den Anschein der Legalität und Verfassungstreue seiner Partei zu wahren.
Für die zur Macht strebenden Nazis galt Litten fortan als besonders gefährlicher Gegner. Nach dem von ihnen inszenierten Reichstagsbrand
wurde er in „Schutzhaft“ genommen, die er nicht überlebte. Stationen seines Leidensweges waren unter anderem das „Moorlager“ Esterwegen und die Konzentrationslager Buchenwald und schließlich Dachau. Dort wurde er als Folge der langjährigen Folterungen und Misshandlungen in den Tod getrieben.
Zu den zahlreichen Ehrungen, die Hans Litten nach dem Ende der Nazidiktatur zuteil wurden, gehört der nach ihm benannte Preis, zu dessen Trägern unter anderen auch der den „Weltexpresso“-Leserinnen und -Lesern bekannte Bremer Bürgerrechtler Rolf Gössner zählt, der 40 Jahre vom Verfassungsschutz der Bundesrepublik zu Unrecht verfolgt und beobachtet worden ist.
Die Verfasser der neuen Biographie über Hans Litten – Knut Bergbauer, Sabine Fröhlich und Stefanie Schüler-Springorum – sowie der Wallstein Verlag haben über den Namen eines Einzelnen hinaus dem deutschen Widerstand gegen das Naziregime ein Denkmal gesetzt.
Sie zitieren am Schluss einen Satz der einstigen Sekretärin von Hans Litten, Margot Fürst. Auf die Frage, was ihr am stärksten von Hans Litten in Erinnerung geblieben ist, antwortete sie nach längerem Nachdenken: „Sein große Angst – und seine große Tapferkeit.“
Wann endlich wird sich die Bundesregierung entschließen, einen Bundesbeauftragten zur Erinnerung an den deutschen Widerstand gegen das Naziregime einzusetzen? Er ist schließlich das moralische Fundament des freiheitlich-demokratischern Rechtsstaates.
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Info:
Knut Bergbauer, Sabine Fröhlich, Stefanie Schüler-Springorum, Hans Litten, Anwalt gegen Hitler, Wallstein Verlag, Göttingen 2022, 284 S., 26.- Euro