1965

Wiedergesehen, Wiedergelesen, Wiedergehört, Teil 19

Hanno Lustig

Köln (Weltexpresso) – Was ist nur los mit den historischen Kriminalromanen, die so locker beginnen, aber irgendwie stecken bleiben. Natürlich nicht alle, aber diese drei von Axel Simon und diese zwei von Thomas Christos schon. Historischer Kriminalroman, das galt lange Zeit den Mittelalterkrimis oder sogar zeitlich davor den Keltenkrimis, die eine Fangemeinde hatten und über zwanzigbändige Serien. Auch die Weimarer Republik läuft gut, Volker Kutscher läßt sie erfolgreich ins Dritte Reich, vorgesehen bis 1938, laufen. Erfolgreich für seine Reihe, ansonsten eine Katastrophe.

Es gibt einige Reihen zum Deutschen Kaiserreich, ich erinnere mich auch an eine Elisabeth von Österreichserie in Venedig etc., aber nach 1945 gibt es eher wenig Reihen. Liegt die Zeit zu nah? Aber sie rumort doch in einigen, denn es gibt immer wieder Einzelbände, die Nachkriegsphänomene aufgreifen. Sensationell bleibt DIE EXPERTEN von Merle Kröger. Hinter dem Autorennamen Thomas Christos verbirgt sich seit 2011 Christos Yiannopoulos, der als Drehbuchautor bekannt und prämiert ist. Warum er seinem Ermittler Thomas Engel seinen Pseudonymvornamen gibt, ist etwas merkwürdig. Wo liegt Kaiserwerth? Das muß man Historiker nicht fragen, denn die Kaiserpfalz Kaiserwerth liegt heute als Ruine am Rande Düsseldorfs.

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Und dort wird eine Leiche gefunden, eine junge Frau. Thomas Engel ist ein junger Kriminaler, der aus der Provinz in die Landeshauptstadt gekommen ist und sich beweisen will. Schnell findet er heraus, daß es schon 1939 an der selben Stelle einen Mord gab, dessen Mörder von der Gestapo sehr schnell identifiziert und hingerichtet wurde. Ein Fehlurteil?

Das ist doch ein guter Ausgangspunkt für die neuen Ermittlungen. Zu gut, findet Thomas Engel, denn er widmet sich der Vergangenheit sehr intensiv und die Nazi-Zeit taucht gespenstisch vor einem auf. Aber was war 1965? Das ist kein spektakuläres Jahr, aber die ganzen Sechziger waren verschwiemelt, solche Jahre, die gesichtslos blieben, bis auf den Protest der Jugend, der immer mehr anschwoll, gegen Vietnam, gegen alte Nazis, bis die Studentenbewegung den Jugendprotest zusammenführte.

Was man aber ausreichend mitbekommt, ist das dienstliche Gefälle zwischen den Oberen und den Anfängern. Ja, so war es, diese Arroganz der Jugend gegenüber von Leuten, die zwar durch das Dritte Reich Dreck am Stecken hatten, es aber durch das Wirtschaftswunderland reingewaschen hatten. Äußerlich. Allerhand wie der doch etwas naive Jungspund auf einmal so viel kriminalistischen Spürsinn entwickelt und den Fall löst. Ein bißchen wundert man sich, wie geschickt er sich auf einmal anstellt.

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Was ist passiert? Eigentlich war doch die Düsseldorfer Gegend angesagt, die doch in Westdeutschland, dem Adenauerland schon ein wirtschaftliches und politisches Zentrum darstellte. Statt daß wir nun der Nachkriegszeit dorthin folgen, ist Kriminalkommissar nach West-Berlin ausgerückt. Dabei gibt es so viele Krimis, auch internationale, über Berlin. Schnell wird ihm klar, daß die Mordkommission nicht so viel zu tun hat, wie die Notwendigkeit, die Spione der Siegermächte, die haufenweise gegeneinander intrigieren, dingfest zu machen, wobei die Sympathie des Westens auf den westlichen Geheimdiensten liegt. Gegner sind eigentlich nur die Russen. Die aber heftig.

Man fühlt sich zu Hause, soll sagen, die ganzen Altnazis auf der einen Seite und leider die CIA-Agenten und noch schlimmer die westdeutschen Verfassungssschützer nicht so richtig auf der anderen. Der flotte Thomas Engel ist in gewissem Sinn seiner Freundin, natürlich attraktiv im Kurzhaar-Zeitgeschmack, gefolgt, die in Berlin die besseren beruflichen Chancen sieht. Nein, er wird nicht mit offenen Armen aufgenommen, man braucht ihn erst einmal nicht. Er wird mit Observationen beschäftigt, nur geht es gleich in die vollen. Sein Kollege wird bei einem Einsatz umgebracht.

Dann wird die Studentenbewegung, die in Berlin durchaus militant war, ins Geschehen miteinbezogen. Ein Studentenfuzzi soll einen Mord begangen haben und alles deutet auf ihn hin. Doch der Hintergrund ist ein ganz anderer, der Engel hinterherhechtet und dabei durch die ganze Bundesrepublik düst, allerdings nicht allein, den auf seinen Spuren sind die, die ihn nun ihrerseits verfolgen. Hier kommt nun alles zusammen, was man als Stereotype kennt: Kalter Krieg, Vietnamproteste, Studentenbewegung. Bißchen dünn. Andere sind begeistert. Eine Fortsetzung gibt es bisher nicht.

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Umschlagabildungen

Info:

1965
Der erste Fall für Thomas Engel
Originalverlag: Blanvalet Verlag, München 2020
Taschenbuch, Klappenbroschur, 416 Seiten, 12,5 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-7341-1026-9
Erschienen am  19. April 2021


1966
Hardcover mit Schutzumschlag, 448 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
Blanvalet Verlag, München
ISBN: 978-3-7645-0737-4
Erschienen am  25. Oktober 2021