Wiedergesehen, Wiedergelesen, Wiedergehört, Teil 18
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) – EISENBLUT, GOLDTOD und THRONFALL von Axel Simon kamen seit 2021 bei Kindler heraus und stießen schon deshalb auf Interesse, weil bald drauf im ersten Coronajahr nicht nur mehr Zeit für’s Lesen war, sondern die allgemeine Verunsicherung auch Blicke in die Vergangenheit noch interessanter machen. Frühjahr 1888 ist nun keine Zeit, die auf Anhieb von Interesse wäre, anders sieht es mit dem ganzen Jahr 1888 aus, dem DREIKAISERJAHR, das man den Geschichtsmuffeln schon immer wieder mal vorsagen muß: am 9. März war Wilhelm I. Gestorben, dann regierte der „99-Tage-Kaiser“ Friedrich III., auf dem alle fortschrittlicheren Hoffnungen ruhten, der jedoch am Kehlkopfkrebs am 15. Juni in Potsdam starb. Und deshalb kam er, der ruhmlose Wilhelm II., und wurde am gleichen Tag Deutscher Kaiser.
Das konnte Gabriel Landow nicht ahnen, der in Berlin-Kreuzberg – auch so was, was die Deutschen nicht wissen, daß bis zum 2. Weltkrieg es in den Geburtsurkunden nicht Berlin hieß, sondern Berlin-Wilmersdorf beispielsweise – seine kleine Seitensprung-Schnüffelei-Detektei mehr schlecht als recht am Leben hielt. Dabei hätte er Erfolg gebraucht, als schwarzes Schaf seiner reichen ostpreußischen Junker-Familie. Und der kommt nun vom Himmel. Der dritte Tote, der die Märchen der Brüder Grimm in den Händen hält. Der fiel aus den Wolken auf’s Sperrgebiet Tempelhofer Feld. Ein kleiner Beamter, weshalb der Staat tätig wird und Landow mit der Aufklärung beauftragt. Ausgerechnet ihn? Das muß Gründe haben und ein Grund erkennt er schnell, nachdem er den Brandanschlag auf ihn überlebt. Hier ist was faul. Nicht nur bei den Hohenzollern. Was dieser Mord mit dem geheimen Marineprojekt zu tun hat, wird Landow herausfinden. Aber der Autor macht es seinen Lesern schwer, denn immer wieder bringen die privaten Probleme den Schnüffler von seiner Spur ab. Er ist unehrenhaft aus der Armee entlassen worden, trinkt, trinkt zu viel, das hält den Krimi auf, andererseits ist das Leben der Zeit gut eingefangen, also schau’n wir nach dem 2. Teil.
GOLDTOD
Die Detektei und die Kriminalfälle nehmen Fahrt auf. Aber dazwischen sind magere Zeiten, doch hat sich Landow mit Kompagnon Orsini zusammengetan, die nun heißen, aber immer noch Aufträge suchen, wie gut, daß Orsinis Begabung als Taschendieb die beiden erst mal über Wasser hält, bis die Morde brummen. Erst mal war es nur der kleine Sohn der Nachbarin und Bankiersgattin Frau Philippi, der vom Geigenunterricht nicht nach Hause kam, doch eh die beiden groß einsteigen, ist er wieder da, redet aber nix mehr. Und der Gatte verbittet sich irgendwelche Fragen.
Da ist der prominente Bankier im Schloßpark von Charlottenburg schon ein anderes Kaliber. Ein Freund des Kaisers, doch an zwei Säulen aufgehängt, mausetot. Und dann noch einer aus dieser Sippschaft. Schnell verdächtigt man die Sozis. Und die Angst geht um. Keiner beauftragt die beiden, doch sie wissen, wenn sie die Polizei schlagen, sind sie gemachte Männer. In der Sekretärin Elba Runge findet er eine gute Ansprechpartnerin, denn sie arbeitet bei der Polizei, ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Und die beiden kommen voran. Nein, die immer wieder Verdächtigten müssen es nicht sein. Immer wird alles den Antikapitalisten in die Schuhe geschoben, den Sozis, wer auch immer das sein soll. Total glaubwürdig, was die beiden stattdessen aufdecken und was mit Geheimbünden, antiker Lyrik und sexuellen Vorlieben zu tun hat, die strafbar sind und unappetitlich auch.
Die beiden Ermittler machen sich!
THRONFALL
Jetzt wird’s politischer, krimineller auch. Ein Sprengstoffanschlag nach dem anderen. Erst mal nicht auf Menschen, sondern auf Standbilder. Landow sieht sofort den Kaiser als Opfer. Verstehen könnte man ja die Attentäter! Und die Sozis gehen sowieso zu weit. Nun hat auch seine geheime Waffe, Polizeisekretärin Elba einen solchen, namens Bebel, als Gspusi.
Dann gibt’s ein Notizbuch, in dem es von Zahlencodes nur so brummt, doch zieht es Mörder an, die es auf die Detektei, besser: ihre Inhaber abgesehen hatten. Zunehmend kann der Autor Zeitkolorit einflechten. Genauso wichtig sind die Psychologisierungen des Kaiserhofes, am wichtigsten der aufgeblasene Wilhelm II. selbst. Er der ja auch selbsternannter Archäologe ist, kreuzt mit den Arschkriechern, die er ebenfalls selbst aussucht, auf einem Schiff in nordischen Gewässern, da wo die richtigen Helden herkommen. Und dann passiert etwas.
Fotos:
Umschlagabbildungen
Info:
Axel Simon
Eisenblut, Rowohlt Verlag 2021
ISBN 978 3 463 00012 1
Goldtod, Rowohlt Verlag, 2021
ISBN 978 3 463 00013 8
Thronfall, Rowohlt Verlag 2022
ISBN 978 3 463 00027 5