die erfindung der hausfrau geschichte einer entwertung gebundene ausgabe evke rulffesEvke Rulffes legt die GESCHICHTE IHRER ENTWERTUNG offen, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Erst auf Umwegen erfuhr ich von dieser interessanten, fundierten, im besten Sinne Kompilation eines Themas, das mich ein Leben lang begleitete. Kein Wunder, wenn ich mir die Literaturangaben anschaue. Ende der Siebziger kommt wie aus dem Nichts die Frage nach dem gesellschaftlichen Bewußtsein von Frauen und Männern, gebündelt die Frage nach der Stellung der Frau in der Gesellschaft, im Beruf, in der Ehe, als Mutter, ihrer Selbstbestimmung über ihren Körper (§ 218 ), verbunden mit der Frage, wie sich Berufstätigkeit und Familie verbinden lasse.

Kein Wunder bezieht sich auf die Literaturangaben, von denen wir annehmen, daß die Autorin die wesentlichen aufgelistet hat: 29 der 58 Angaben erschienen nämlich im Zeitraum der späten 70er bis in die 90er, mit dem massiven Schwerpunkt der 80er Jahre. Das heißt, die Hälfte der angegebenen Literatur ab 1730 ist rund um die 80er erschienen, die meisten original auf Deutsch, was bedeutet: Westdeutschland, unter den 29 gibt es 25 Autorinnen und vier Autoren, während das Gesamtbild 33 Autorinnen und 22 Autoren aufweist. Das muß doch erstaunen, tatsächlich charakterisieren die rundum Siebziger den Aufbruch der Frauen selbst als diejenigen, die nachdenken, forschen und darüber schreiben. Viele von ihnen sind mir als Lektüre aus der damaligen Zeit noch bekannt.


In den Siebzigern ist die Frauenfrage für Frauen selbst relevant geworden. Dabei ist die in § 218 verbotene Abtreibung ein starkes Movens für Proteste der Frauen, die seit 1976 unter bestimmten Voraussetzungen abtreiben durften, was als Fristenregelung in der DDR seit 1972 galt. Und das ist die erste Frage an die aufgezählte Literatur: gab es in der DDR keine derartige Forschung, wurde Gleichberechtigung dort eher gelebt als erforscht? Auf jeden Fall hatte DIE HAUSFRAU in der Nachkriegszeit der Bundesrepublik eine andere Bedeutung als in der DDR, auf die wir uns bei allen heutigen Publikationen äußerst selten beziehen. Dabei wäre der Vergleich aufschlußreich, wenn Frauen in der BRD erst mit dem Gleichberechtigungsgesetz von 1958 auch den Führerschein machen durften, was in der DDR seit Staatsgründung 1949 galt. Und in Westdeutschland durften verheiratete Frau gesetzlich verbrieft nur dann arbeiten gehen, wenn ihre Arbeit „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war. Das stand in diesem Gleichberechtigungsgesetz von ’58, vorher war alles noch viel restriktiver für Frauen einschließlich, daß sie kein Bankkonto eröffnen konnten etc.


Warum das in diesem Zusammenhang wichtig ist? Weil Evke Rulffes einer anderen Frage nachgeht, nämlich erforscht, wie es gekommen ist, daß der schon in der Antike gebräuchliche Bezeichnung der Herrin des Hauses unter Auslassung der Ehefrauen der Meister im Spätmittelalter u.a., seit dem 17./18. Jahrhundert in Deutschland zum Sprachgebrauch der Hausmutter führte, wobei sie als Quelle Christian Friedrich Germershausen, Die Hausmutter in allen ihren Geschäften von 1782 angibt, das so erfolgreich war, daß bis 1785 vier weitere Bände folgten und 1783 das Pendant vom selben Verfasser erschien: Der Hausvater in systematischer Ordnung, 5 Bd.e, Leipzig 1783-1786. Schon allein für diese Bezüge lohnt sich der Erwerb des vorliegenden Bandes, in dem sie die Voraussetzungen und die Folgen des Germershausener Werks analysiert!


Schlicht geht es darum, daß die Auflösung der spätfeudalen Herrschaft mit dem Beginn des Frühkapitalismus und dann im 19. Jahrhundert der blühenden Kapitalismus die Funktion der bürgerlichen Frau in Familie und Gesellschaft änderte. Es wurden die früher von Bediensteten geleisteten Arbeiten wie Stillen, Waschen, Kochen, Kinder erziehen und bilden, Kleiderherstellung und -pflege, Vorsorge wie Konservieren von von Kartoffeln und Obst sowie Einkaufen und Putzen von den Ehefrauen selbst übernommen, was als Privileg verkauft wurde, daß diese Frauen zu Hause bleiben dürfen, nicht arbeiten müssen (Schiller: „Der Mann muß hinaus Ins feindliche Leben...Und drinnen waltet Die züchtige Hausfrau…“).


Schon einigermaßen irre, daß sich dieses Bild über den Zusammenbruch des Kaiserreiches über das Dritte Reich bis zumindest die Sechziger Jahre Westdeutschlands herüberretten konnte und den Frauen, die beispielsweise in Kriegszeiten und im Nachkriegsdeutschland die gefallenen, verwundeten, gefangenen Soldaten ersetzt hatten, ihre Domestizierung wieder erfolgreich eingeredet wurde. Die ersten Fernsehwerbungen für Putz- und Waschmittel sind der beste Beweis. Ein Rückfall.


Die Autorin geht nun diesem Fremd- und Selbstbild von Frauen a la Germershausen sehr detailliert nach, bei dem es ja von heute aus Anachronismen gibt. War es für bestimmte Schichten üblich, daß nicht die Gebärende, sondern eine Amme stillte, war es für die ‚neue‘ Frau, die Bürgerin, im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) gesetzlich vorgeschrieben „Eine gesunde Mutter ist ihr Kind selbst zu säugen verpflichtet“. Was wir doch auch heute richtig finden. Mit Recht behandelt Evke Rulffes die Stillfrage sehr ausführlich.

Fortsetzung folgt.

Foto:
Umschlagabbildung

Info:
Evke Rulffes, Die Erfindung der Hausfrau. Geschichte einer Entwertung, Harper Collins 2021


Ich widme diesen Artikel meiner am 26. März mit 97 Jahren gestorbenen ältesten Freundin Ilse Werder aus Hanau, die ein Leben lang ...und die ihre Kinder in der Traueranzeige genau als das charakterisieren, was sie war: „ kämpferisch und klug“.