Die Erfindung der Hausfrau. Evke Rulffes legt die GESCHICHTE IHRER ENTWERTUNG offen, Teil 2/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Entscheidend für die Aussage des Buches ist die Passage: VON DER HERRIN IM HAUS ZUR DIENERIN AM MANN ab Seite 208. Frauen werden nun vulgärpsychologisiert und zur Bewahrerin dessen erklärt, was der Mann geschaffen und erschaffen hat, ein rein männliches Gen, das Frauen grundsätzlich abgeht, wird gesellschaftlicher Konsens. Eigentlich ist es die Verkleinbürgerlichkeit der Welt, die ihren Siegeszug fortsetzt.
Die Gaben der Frauen und jungen Mädchen sind jetzt nicht das Lesen oder das Schreiben, es sind Handarbeiten, sticken, nähen, stricken, spinnen, während die jungen Männer weiterhin lesen und schreiben und Karten spielen. Dabei gibt es aber unter kulturgeschichtlichen Gesichtspunkten die größten Umwertungen. War noch für unsere Urgroßmütter selbstverständlich, Früchte und Gemüse des Sommers einzuwecken (allein dieses Wort, das sich ja der Firma Weck verdankt, zeigt, wie sehr die deutsche Sprache lebendig bleiben könnte, wenn sie eigene Begriffe kreiert und nicht fast alle neuen Wörter aus dem Englischen übernimmt), so wurden um die Jahrhundertwende 1900 die schon hundert Jahre zuvor erfundene Konservendose der Renner im Alltag, was sich nach 1945 mit amerikanischem Einfluß ins Uferlose steigerte, bis eine neue Generation mit einem neuen Lebensgefühl das Selbermachen nicht als Fron, sondern als Ausdruck der eigenen Individualität ansah. Das gilt übrigens für Frauen wie für Männer, die große Anzahl der ständig frequentierten Baumärkte mit Heimwerkerbedarf sprechen davon.
Vergessen dürfen wir bei den Männern und den Frauen nicht die Liebesheirat, die die Vernunftsehe, meist von den Eltern - ökonomisch motiviert - ausgesucht, abgelöst hatte. Daß diese Liebesheirat für älter gewordene Frauen leicht eine Falle ist, muß nicht weiter thematisiert werden. Daß es dazu allerdings keine Alternative gibt, auch nicht.
Zu allen, von den Rundumhausfrauen geforderten Qualifikationen, gibt es ausführliche Anleitungen, die Perfektion jeglicher Eigenschaft ist das Ziel. „In den Kochbüchern und Haushaltsratgebern wurden Ehefrauen, die nicht gut oder sogar schlecht kochten, für die Zerstörung der Liebe in der Ehe verantwortlich gemacht, und die Fähigkeit, gut zu kochen, sollte eine glückliche Ehe garantieren. Die Ehefrau soll ihrem Mann seine Lieblingsgerichte auftischen, um sich seine Liebe zu bewahren. Er ginge sonst ins Restaurant und verschwendete dort Geld.“(235)
Klar, daß die Frau daran Schuld trägt, wenn der Mann sich zu Hause nicht wohlfühlt und auch schuld ist, wenn er zum Trinker wird. „...hungrige Männer, die sich in Gaststätten zusammenrotten, geraten in Gefahr, zu Revolutionären gegen die öffentliche Ordnung zu werden und sich der Sozialdemokratie anzuschließen.“ (Zitat von 1864)
Längst ist jedoch Kochen heute gesellschaftlich ja Männersache, allerdings nur, wenn es um Fernsehschau oder Sterne geht.
Bleibt die Frage, welche Rolle die Technisierung der Hausarbeit durch Waschmaschine, Trockner, Staubsauger, Kühlschrank, Tiefkühler, Geschirrspülmaschine für das Bild der Hausfrau spielt. Das geht über das Thema des Buches hinaus, das ja die Erfindung der Hausfrau mit der Entwertung der Frau seit über 200 Jahren gleichsetzte. Sich heute vorzustellen, was es für unseren Alltag bedeutete, alle Wäsche, insbesondere Kochwäsche mit der Hand zu waschen, da streikt das Hirn, das kann man sich schon gar nicht mehr vorstellen, war aber die längste Zeit Realität für Frauen mit vielen Kindern. Anders als beim Kochen und Stricken ist hier noch keiner auf die Idee gekommen, ‚Selbermachen‘ als Ideal zu verkaufen.
Es war der Wirtschaftswissenschaftler John Kenneth Galbraith, der noch 1974 so trocken wie süffisant sagen konnte: „Die Verwandlung der Frauen in eine heimliche Dienerklasse war eine ökonomische Leistung ersten Ranges. Diener für niedere Arbeiten konnte sich nur eine Minderheit der vorindustriellen Gesellschaft leisten; im Zuge der Demokratisierung steht heute fast dem gesamten männlichen Bevölkerungsteil eine Ehefrau als Dienerin zur Verfügung.“, was die Autorin kommentiert mit: „Die Folgen davon spüren wir noch heute.“
Das stimmt, aber ist ein weites Feld. Dieses Buch zu lesen, es zu studieren, hat Spaß gemacht und viel Wissen transportiert, das allerdings schon auf eine doch fundierte Grundlage stieß. Was mich nach diesem Buch – siehe Literaturangaben – treibt, ist die Frage, welche Untersuchungen es eigentlich vor den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts dazu gab. Hatte die Weimarer Republik genug mit den gesellschaftlichen Änderungen zu tun gehabt, mit der neuen Frau, die selbstverständlich ihr Leben lebte, so daß für wissenschaftliche Erforschung der Veränderungen keine Zeit blieb, zumal nicht erst seit 1933 die Restauration des vormodernen Frauenbildes wiedererstand mitsamt dem Mutterkult des Dritten Reiches. Daß damals keine Forschungen über Frauenbilder erfolgten, ist ja wohl eher eine Wohltat.
Aber nach 1945? Da fehlen mir grundlegende Untersuchungen über die ungleiche Entwicklungen der „Hausfrau“ in der BRD und der DDR, ich wüßte auch gerne mehr über die Entwicklung der Rolle der Hausfrau in den USA, China und Rußland. Aber das müßte ich woanders suchen, denn dieses Buch leistet erst einmal die historische Herleitung unserer herkömmlichen Hausfrau, die es, leider, leider immer noch gibt.
Foto:
Echte Mamas
Info:
Evke Rulffes, Die Erfindung der Hausfrau. Geschichte einer Entwertung, Harper Collins 2021
Ich widme diesen Artikel meiner am 26. März mit 97 Jahren gestorbenen ältesten Freundin Ilse Werder aus Hanau, die ein Leben lang über Frauen, Frauenleben, Frauenarbeit forschte...und die ihre Kinder in der Traueranzeige genau als das charakterisieren, was sie war: kämpferisch und klug“.