einer von euch gebundene ausgabe martin suter

Martin Suter über Bastian Schweinsteiger bei Diogenes

Hartwig Handball

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gut, ich gebe es zu, ich lese zwar Bücher, aber selten bespreche ich sie. Aber bei BASTIAN SCHWEINSTEIGER bin ich dran, sagten die in der Redaktion. Und: Es hat überhaupt nicht wehgetan! Nur sehr lange gedauert! Zuviel Süßspeise auf einen Schlag vertrage ich halt nicht. 

Ja, eigentlich war es erst einmal ganz amüsant, zwischen Dichtung und Wahrheit entlang zu lesen, denn das glaube ich nimmer, daß ich den echten Schweinsteiger zwischen Buchdeckeln finde, aber so richtig falsch scheint er mir auch nicht zu sein. Halt etwas geschniegelt, wie das Titelbild zeigt. Aber soll man einem übelnehmen, wenn er gut aussieht? Nein! Denn das sagt gar nichts über seinen Charakter aus und über sein Fußballspielen auch nicht. Darum habe ich die Vorbemerkung des Autors Martin Suter – dessen Verfilmungen seiner Allmenromane ich wegen seinen ‚Dieners‘, eigentlich Helfershelfers, des Butlers Carlos in der Verkörperung von Samuel Finzi hinreißend finde – ernst genommen: „Diesen Roman habe ich faktengetreu, aber mit literarischer Freiheit geschrieben.“ Wer bin ich denn, daß ich beckmesserisch den Roman durchforste, um den Autor oder den Fußballspieler zu überführen? Ja, wessen denn? Nein Schluß hier.

Das wäre was anderes, wenn ich einen Roman über eine Spielerin der Bundesliga der Frauen beurteilen sollte. Da wüßte ich auf Anhieb, wo die Fußballerin und wo die Schriftstellerin spricht, denn sicher würde da eine Frau schreiben. Todsicher. Das käme dem Martin Suter nicht in den Sinn. Muß ja auch nicht. Was Sutters Faszination bei Schweinsteiger ausmacht, ja das könnte ich mir sogar gut vorstellen. Es hat etwas Unwirkliches, wenn in unserer schwierigen Welt ein Lebenslauf als gelungen bezeichnet werden kann, wenn sich einer mit sich und seinem Leben, aufgeteilt in Berufliches und Privates, einverstanden, ja glücklich erklärt. Wobei man das Private und Berufliche bei Sportlern noch weniger trennen kann als sonst. Und so beginnt Suter auch. Denn auf die erste Skiliftfahrt des dreijährigen Basti – wie er ihn durchgehend nennt – wird im Anschluß die Geburt des späteren Tennisstars und Ehefrau Ana, Tochter der Anwältin Dragana Ivanović, geschildert. Seit 2016 sind beide verheiratet und Ana Ivanović hatte 2008 die French Open gewonnen.  

Bei allem ist der Erzähler dabei, den wir gar nicht mehr Martin Suter nennen, der irgendwie beim Lesen ein Eigenleben bekam, so als ob wir einen Roman von einem Autor lesen, der ein Buch über den Fußballer Schweinsteiger schreibt, der überhaupt nichts mit dem Schweizer Autor zu tun hat. Denn sonst müßten wir uns Gedanken machen, woher der das alles weiß, was er schreibt. Aber so können wir uns sagen, da ist halt immer einer dabei gewesen, beim Schweinsteiger, der dessen Leben eben mitbekommen hat.

Aber da ich was vom Fußballspielen verstehe und von den körperlichen Schmerzen beim Zusammenstoßen von Mann oder Ball und den seelischen Schmerzen, wenn der Paß den gewollten Mann nicht erreichte und der Ball das Tor schon gar nicht, dann finde ich das alles zu brav. Irgendwie kommt mir das geschönt vor, dieselbe nette Erzählweise über die glückhafte Kindheit, die ersten Erfolge, immer hat Schweinsteiger was mit den wichtigsten Leuten, es sind immer die schönsten oder zumindest erfolgreichsten Frauen. Auch das dick verdiente Geld, das er in Immobilien anlegt, worüber Fußballer nicht so gerne sprechen – eine Ausnahme sind die beiden Biographien von Zlatan Ibrahimović , vor allem die erste aus dem Jahr 2015, erzählt v on David Lagercrantz. Da geht es um was, da is tFußball nicht nur verbunden mit sozialem Aufstieg, sondern aus jeder Zeile spricht die Leidenschaft zum Ball, der sein Leben bestimmt und eben auch die daraus resultierenden Konkurrenzen mit anderen.

Nein, ich lese zwar weiter, aber ich glaube dem Autor, wer auch immer er ist, kein Wort mehr. Das ist von hinten her geschrieben, da wird der erfolgreiche Fußballer rückabgewickelt, so daß ein Lebensweg entsteht, in dem glückhaft ein Stein auf den anderen gesetzt wird. Geschenkt.

Schweinsteiger ist ein guter Fußballer gewesen, ein sehr guter, ein sehr viel weniger gute Fernsehexperte, überschätzt, was mit seinem Namen zu tun hat, den so ein Buch wahrscheinlich noch wertvoller machen soll. Geschenkt.

Info:

Martin Suter, Einer von Euch. Bastian Schweinsteiger, Roman, Diogenes Verlag 2022

ISBN 978 3 257 07168 9