seventeen taschenbuch john brownlowNachtrag: Serie: DIE KRIMIBESTENLISTE im Juni 2023, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diese Nachträge müssen sein, denn WELTEXPRESSO hält sich zugute, daß alle Kriminalromane, die auf den monatlich wechselnden Krimibestenlisten erscheinen, von der Redaktion besprochen werden. Alle. In Einzelbesprechungen. Das kostet Zeit und die war im Juni angesichts des Desasters eines Totalausfalls der Redaktion durch einen Magen-Darm-Virus nach einer Redaktionskonferenz einfach nicht gegeben. Dabei hätte SEVENTEEN eigentlich schon im Mai besprochen werden können, denn da stieg dieser besonders anschauliche Krimi auf Platz 6 ein.


Mir hätte keine erzählen müssen, daß Autor John Brownlow im Brotberuf Drehbuchautor ist. Man spürt dies auf jeder Seite, denn beim Lesen läuft gleichzeitig ein Film ab, man sieht alles wie durch ein Kameraauge, auch die Kommentare des Handlungsträgers, des SEVENTEEN, denn es ist seine Erzählung, die so atemberaubend vor unseren Augen abläuft und in Berlin beginnt.


Die Idee ist schon grandios, darauf muß man erst mal kommen, daß sich alle Geheimdienste der Welt, die sonst gegeneinander arbeiten, in einem einig sind: es muß eine Stelle geben, wo die Informationskette zusammenläuft, eine Instanz, die die größten Spione aller Zeiten aussucht und betreut, was natürlich – hier liegt die Schwäche des Buches – in den USA zusammenläuft - in Gestalt des Mr. Handler. Der ist alles in einem: Auftraggeber, derjenige, der die Nummern der Spione vergibt, der, der bezahlt und auch der, fer falsch spielt.
Brownlow nutzt die Begeisterung für Spionageromane und Spione, um tatsächlich etwas Neues in die Krimiwelt zu setzen. Denn SEVENTEEN ist der siebzehnte Spion in Folge, der immer erst kreiert wird, wenn der davor zu Tode kam, was halt öfter passiert als erst im Pensionsalter, denn Spion zu sein, da lebt es sich gefährlich. Zugegeben, Spion ist zu harmlos ausgedrückt, denn es handelt sich um Auftragskiller. Übrigens international. So war der erste ein Russe. Namens Zhuk noch zur Zarenzeit. Nach seinem Tod kam der zweite und der Erzähler, ist der siebzehnte. Allerdings verschwand sein Vorgänger, SEXTEEN, einfach von der Bildfläche, weshalb er eine gefährliche Geheimwaffe darstellt. Nichts ist so gefährlich, wie das, was man nicht weiß. Was SEVENTEEN allerdings genau weiß, das ist, daß ihn 18 um die Ecke bringen wird, der aber erst dann zum EIGHTEEN wird, wenn sein Mordanschlag erfolgreich war. Ist doch ganz einfach, das Mitzählen.

„Man kann sichtbar sein oder unsichtbar. Dazwischen gibt es nichts.“ Solch kleine Gedankensplitter oder auch Behauptungen beschäftigen einen beim Lesen. Mich zumindest, denn der Erzähler hat recht. Er schlußfolgert nämlich, daß die größte Unsichtbarkeit einer Person gerade dann gegeben ist, wenn er besonders sichtbar ist. Beispiel: Wenn er mit 120 kmh mit einem rotem Ferrari F40 auf Berlins Straßen entlangbrettert, sieht jeder das Auto als Blickfang, aber achtet wenig oder gar nicht auf den Fahrer. Ach so, beim Erzähler ist es ein Bugatti Veyron in zitronengelb. So steckt der Roman voller kleiner Einsichten, die auch unabhängig von der Handlung das Leseinteresse stabil halten. Denn das eben genannte Beispiel ist durch die Biometrie überholt. Noch nie konnte man in einem Krimi die gnadenlose Verfolgung von Personen mittels der biometrischen Überwachung Bild auf Bild so verfolgen wie hier.

Machen wir es kurz: In Berlin folgt Auftrag auf Auftrag. Einer ekliger als der andere. Als der Ich-Erzähler bei einer Übergabe zweier, ihm vorher geschilderter Personen, das Übergebene sichern soll, ist es nur ein Kaffeebecher, den der von 17 verfolgte Empfänger allerdings leert, den Inhalt runterschluckt, in einen U-Bahn-Schacht laufend. Dort stellt ihn der Icherzähler und muß ihm den Bauch aufschlitzen, um an die Speicherkarte zu gelangen, die im Kaffee verborgen war. Zwar soll er diese nur abgeben, aber er macht sich eine Kopie und weiß nun, daß außer Pornos nichts drauf war. Was sollte das und die beiden Toten? Ab da traut er niemandem mehr, auch nicht seinem Auftraggeber.

Aha, auch hier machen wir es kurz, er soll Nr. 16, Mack Kondracky, in den USA aufspüren. Das ist richtig spannend, mitzuverfolgen, wie SEVENTEEN mit Hilfe aller digitalen elektronischen Mittel und eines messerscharfen Verstandes ihn wirklich in diesem Riesenland in seinem Haus entdeckt, der dort übrigens offline lebt. Auch das gibt es.
Und nachdem die Schnitzeljagd gelingt und die beiden voneinanderwissen, daß jeder den anderen umlegen soll, dämmert ihnen, daß sie dem Handler ins Netz gegangen sind, denn EIGHTEEN wartet schon, daß sich die Nummern 16 und 17 gegenseitig erledigen. Nach dieser Erkenntnis ist alles anders. Ach so, die beiden Frauen, ja von denen muß auch die Rede sein, weil sie die beiden Superspione als menschliche Wesen zeigen. Die Junge, in die sich 17 verguckt, ist – ohne es zu wissen – die Tochter von 16 und die Ältere ist eine Stütze für den alten Auftragskiller. Daß sich Handler die beiden Frauen schnappt, ist auch verständlich, aber eben auch, daß sie überleben, denn sonst wären die Leser mit diesem Krimi nicht einverstanden und Nr. 17, nach dem der Krimi heißt, auch nicht.
Ein atemberaubender Countdown – wie gesagt, man sieht den Film vor den Augen ablaufen - schaltet den Oberschuft aus, aber einer muß dran glauben, aber sicher nicht Nr. 17, denn nach ihm heißt ja diese Roman. Der Autor, dessen Erstling wir vor uns haben, hat eine Fortsetzung angekündigt, die EIGHTEEN heißt. Da müssen wir uns aber um 17 demnächst Sorgen machen. Aber erst mal nicht.

Das war nur der Hauptstrang, viele kleine Geschichten kommen dazwischen, ein richtig runder Roman!
Mack Kondracky