DIE KREUZOTTER von Nils Thomsen, Thriller
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gedruckt in Polen, aber ich hatte doch einen Verlag angeschrieben? Oder wen? Wie auch immer, die ISBN Nummer ganz unten hilft, wenn Sie das Buch kaufen und lesen wollen, wofür einiges spricht. Dem Autor Nils Thomsen kann man zum Erstling gratulieren, muß aber hinzufügen, daß sein Buch und weitere dringend einer Überarbeitung hinsichtlich Ausdruck und Rechtschreibung bedürfen.
Der Charme des Buches liegt in dieser Diskrepanz zwischen heißer Geschichte und manchmal laienhaft erscheinenden Passagen. Da stutzt man manchmal, aber das bedeutet ja auch, daß man intensiv dabeibleibt und gerade das unfertig Wirkende hält einen am Ball. Weil das eine seltene Leseerfahrung ist, soll es betont werden!
Die Geschichte wirft einen hin und her. Wir sollen auf der Seite des Berliner Kommissars Alex Ritter sein, so ist das mit den Hauptpersonen. Aber Alex Ritter stellt sich wirklich sehr oft tumb an. Grundsätzlich aber empfindet man schon Empathie, wenn man hört, daß seine Mutter ermordet wurde, unter merkwürdigen Umständen und mit dem Schock des Graffitis dieser Kreuzotter, was ihn ein Leben lang verfolgt.
Und nun das. Derzeit ermittelt er gegen einen kriminellen Clan. In Berlin nichts Besonderes, aber überfällig. Doch da stößt er auf eine Leiche, die genauso inszeniert ist, wie es der Mörder seiner Mutter gemacht hatte.
Vorstellen muß man auch Sophia, ein besonderes Früchtchen, die mit Konstantin, dem Sohn des alten oberkriminellen Bandenchefs eine besonders einträgliche Idee hat: sie haben VOLONTA gegründet und reden den städtischen Verantwortlichen ohne und mit Gewalt ein, daß sie mit ihrer Firma den Pflegenotstand in der Stadt abstellen kann. Verabredet ist sie mit dem Leiter des medizinischen Dienstes der Krankenkassen von Berlin, Carsten Schneider. Als der nicht will, erinnert sie ihn, mit welchen Augen er immer den Nachbarjungen verfolgt, ja daß er in ihn vernarrt ist. Was man öffentlich machen kann. Daß der nachher Selbstmord verübt, kümmert sie wenig - oder ist es Mord? Sie fühlt sich längst in den Armen ihrer großen Liebe, Isabell, besonders wohl.
Aber das ist das Nebengeflüster. Im Kern geht es, man muß es verraten, obwohl es beim Lesen trickreich erst nach und nach und nach entschlüsselt wird, also im Kern geht es um die Familie, ja, welchen Namen wollen wir jetzt nehmen: Alex heißt Ritter, Paulines Nachname ist Sahle, aber eigentlich ist sie Christin Raade und Konstantin heißt Truschin. Die Familie lebte in Berlin, ging dann nach Moldawien zurück, wo Vater Andreas starb, naja, eigentlich ist er ermordet worden, was ihm recht war, weil er todsterbenskrank war, der Rest der Familie kam aber erneut nach Berlin. Nur kennen sich die Kinder nicht als Erwachsene. Davon lebt die Geschichte, die wirklich was hat.
Die Verschränkung mit anderen Tatbeständen, es geht um den Saad Abu Nasser Clan, ist letzte Endes nur eine Ablenkung, denn im Kern geht es um die Aufarbeitung der Familiengeschichte, die für die Kinder je unterschiedlich verlief und wobei der Vater, der Oberverbrecher, der nicht mehr lebt, die zentrale Figur bleibt. Clou ist natürlich, daß zwei der drei Kinder bei der Polizei arbeiten, allerdings ist Alex Ritter, ja, unsere Hauptfigur, der einzige, der wirklich aus moralischen Gründen Polizeiarbeit leistet.
Die Geschichte wird vom auktorialen Erzähler niedergeschrieben, aber zwischendurch kommt ein Icherzähler, der vom Papa spricht und daß alles wieder ins Lot kommt, wenn er sich endlich wieder dem Kind zuwendet, das er fallen gelassen hat, als die Geschwister kamen. Es ist ein typisches Elend älterer Geschwister, was hier Thema wird. Durchaus tragisch, man spürt beim Lesen den Druck dieses Icherzählers. Oder ist es eine Erzählerin?
Im übrigen lernen wir schwierige Verhältnisse bei der Polizei kennen. Daß dann doch fast die Hälfte auf der anderen Seite steht, bzw sich von dieser bezahlen läßt, das kommt uns etwas zu dicke.
Die Kreuzotter soll nicht zu kurz kommen. Sie ist das Verbindungsglied zwischen den diversen Geschichten, was in der Hauptgeschichte zusammenläuft. Das ist raffiniert gemacht, aber, wie soll ich es offen sagen, das mit Pauline ist von Anfang an offensichtlich, das Erstaunliche ist nur, daß es der Spannung gar keinen Abbruch tut. Einen richtigen Abschluß gibt es nicht, denn das Ende ist sozusagen der Anfang. Der Anfang von einem zweiten Teil. Stimmt, es gibt noch einiges aufzuarbeiten.
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Umschlagabbildung
Info:
Nils Thomsen, Die Kreuzotter, Thriller, Lovely Books
ISBN 9798394442902