Hans Beller und Udo Bayer zu Carl Laemmle im Deutschen Filmmuseum Frankfurt, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Daß sein Biograph auch noch die Geschichte der deutschen Auswanderung im 19. Jahrhundert wiedergibt, insbesondere die der Juden aus dem Süddeutschen, macht dieses Buch zu einem Rundumgeschichtsbuch sondergleichen. Immer wieder hatten wir beim Lesen die Bilder aus DIE ANDERE HEIMAT von Edgar Reitz vor Augen, wo die Sehnsucht nach besseren Lebensbedingungen den Protagonisten aus den Augen scheint. Und die Armut, aus der sie kommen, auch. Dort geht es um Brasilien, die Vereinigten Staaten von Amerika zogen noch sehr viel mehr Europaflüchtlinge an.

 

Von daher ist diese Biographie dann auch noch gleich prototypisch für ein Einwandererszenario. Unglaublich, wie in diesem Riesenland dieser Carl seinen schon zuvor ausgewanderten Bruder Joseph wiederfindet, auch sehr logisch, weshalb Laemmle nach verschiedenen Versuchen von Geschäftsaufbau sehr früh auf die Filmbranche verfiel, von der er ja erst einmal keine Ahnung hatte, aber durch kluge Überlegungen sehr lange die richtige Strategie verfolgt.

 

Letzteres, seine Bedeutung für den Film, was ja Anlaß des Buches ist, die den Firmentitel UNIVERSAL in der Überschrift trägt, ist bei unserer Besprechung viel zu kurz gekommen und auch seine bleibenden Verdienste um die Etablierung des Horrorfilms, der ohne die gotischen Abgründe des Deutschen Expressionismus nicht möglich gewesen wären und mit denen er Filmgeschichte schrieb. Zu wenig auch darüber, daß er es ist, der gegen die mafiösen Strukturen der Trusts der Filmindustrie die Independents schuf, bis heute der künstlerische Widerstand gegen das kommerzielle Hollywood.

 

Wir erfahren auch eine Menge über die politischen Strömungen rund um den Ersten Weltkrieg, die ausdrücken: „Die Amerikaner mögen für den Frieden gestimmt haben, aber beim Film optierten sie für Krieg“ (S. 112), denn noch bevor Wilson die Nation in den Krieg führte, war das amerikanische Kino gegen Deutschland schon in Stellung gebracht. Besonders wichtig wurde uns die Aussagen Bayers zur unterschiedlichen Mentalitätsgeschichte Deutschlands und Amerikas. Laemmle, der als Filmmann stark auf europäische Literatur als Ausgangspunkt für filmisches Erzählen gesetzt hatte, wurde dies in Amerika geradezu als Vorwurf vorgehalten. Auf den deutschen Filmmarkt brachte er in den Zwanziger Jahren die hier völlig unbekannten Western, die zwiespältig aufgenommen wurden und die Abscheu so mancher „Gebildeten“ vor dem primitiven Kino verstärken. Überhaupt war der amerikanische Markt, d.h. seine Bevölkerung sehr viel mehr für Sensationelles im Film zu haben. Aber auch die soziale Zusammensetzung des Publikums war in den USA und Deutschland unterschiedlich und Film lange Zeit in Deutschland als minderwertiges Geflimmere verpönnt. Doch das ist eine eigene Geschichte.

 

Abgesehen davon, daß sein erster selbst gedrehter Film HIAWATHA am Laemmleabend im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt gezeigt wird, wird auch ein von Laemmle produzierter und nur in Deutschland umstrittener Film, nämlich IM WESTEN NICHTS NEUES nach Erich Maria Remarque, im Rahmen der Serie von Filmen über den Ersten Weltkrieg im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt noch eine Rolle spielen. Fortsetzungen folgen also.

 

 

Info:

Udo Bayer, Carl Laemmle und die Universal. Eine transatlantische Biografie im Verlag Königshausen & Neumann