zweiFRANKFURTER BUCHMESSE 18. - 22. OKTOBER 2023, Neue Krimibücher aus Slowenien, Teil 18

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da hätte ich mir keine Gedanken machen müssen, ob der FAZ-Kollege Tilman Spreckelsen Slowenisch kann, es wurde über die Kopfhörer hin und her übersetzt, denn die Zeiten, wo Slowenen durch die Nachbarschaft von Österreich automatisch der deutschen Sprache mächtig sind, sind vorbei, obwohl man sich dann später mit Tadej Golob, von dem man in Slowenien sagt, er sei der einzige slowenische Autor, der von seinem Schreiben leben könne, dann doch richtig auf Deutsch unterhalten konnte. Von ihm, dem heimischen Erfolgsautor, dessen Krimis gerade zu TV-Serien verarbeitet werden, hieß es, daß unverständlicherweise noch keiner seiner Kriminalromane ins Deutsche übersetzt sei und vor Mojca Širok stand das erste Buch ihrer Trilogie auf Deutsch: DER PAKT aus dem Verlag Schenk, Passau.

Tilman Spreckelsen stellte erst einmal die beiden Autoren vor und hatte bei Mojca Širok viel zu erzählen, denn die gelernte Journalistin, die seit 1993 erst für die Zeitung, dann für das öffentlich-rechtliche slowenischen Fernsehen RTV Slovenija arbeitete , erst zu Hause, dann 13 Jahre aus Italien, aus dem Vatikan berichtete und heute in Brüssel lebt und arbeitet,, was sich in ihrer Trilogie niederschlägt. Der Anfang, DER PAKT, wurde sogar 2018 mit dem Modraptica ausgezeichnet, das ist ein Preis für das beste, noch unveröffentlichte Werk. Hier geht es um die vielfältige italienische Mafia-Welt. Im zweiten Band Evidenca (Der Beweis) kommt zum italienischen Verbrecherdschungel noch die Verstrickungen mit dem slowenischen hinzu. Im dritten Teil dann, Praznina (Die Leere) wuchert das Verbrechen im Zentrum der EU weiter, denn Brüssel steht für den letzten Teil der Rom-Ljubljana-Brüssel Trilogie und wer jüngst die Skandale um die nachgewiesene Korruption einzelner EU-Abgeordneter verfolgte, der erkennt, daß die Autorin das alles schon zuvor beschrieben hatte.

IMG 8376So war eine der Fragen von Spreckelsen auch die, ob sie, die Autorin, nicht Probleme bekomme, wenn sie wahre Sachverhalte in fiktiver Krimiform biete, sei es, daß sich jemand beschwere, so war das nicht, sei es, daß sich jemand wiedererkennt. Aber nein, beruhigte Mojca Širok, schließlich schreibe sie ja über die verbrecherischen Strukturen, da sind Personen austauschbar. Außerdem, so hatte man den Eindruck, muß man viel aufbieten, um ihr die Stirn zu bieten, denn sie ist nicht nur fachlich topfit, sondern auch sehr eloquent, was ihren Kollege Tadej Golob, der später auch zu seinem Recht kam, leicht sophisticated zur Bemerkung veranlaßte, sie hätten sich vorher geeinigt: sie redet, er nickt.

Sie hatte wirklich viel zu bieten, die Autorin, denn sie hat seit 2010 Fach- und Sachbücher über den Zusammenbruch des italienischen Parteiensystems, den daraus folgenden Aufstieg des Imperiums Berlusconis sowie die vier traditionellen Mafiaorganisationen Italiens verfaßt und diese auf’s Korn genommen. Aber auch den ersten Rücktritt eines Papstes hat sie in VON BENEDIKT ZU FRANZISKUS auf die Hintergründe hin untersucht.

Sie arbeitet derzeit als EU-Korrespondentin für das öffentliche Fernsehen in Brüssel und hat noch viel vor.

Für Tilman Spreckelsen, der selbst als rezensierender Journalist auch Bücher, auch Krimis schreibt, lag nahe, sie zum Zusammenhang ihrer Sachbücher mit den Krimis zu fragen. Sie empfand das zufrieden als Steilvorlage und holte aus: gerade weil sie als Journalistin sich strikt an Fakten halten muß und in ihre Berichte nicht ihre private Meinung hineinschreibt, tut es ihr gut, dann in den Krimis – „Schreiben ist Freiheit“ – vom Leder zu ziehen. Sie wisse, daß er schmal sei, der Übergang von der Realität zur Fiktion und eigentlich seien ihre Romane auch keine klassischen Krimis, wo man fragt: „Wer war es?“, sondern politische Thriller.

Sie sucht nach den Hintergründen, dem, was auf Anhieb nicht zu sehen ist und das ist dann wirklich ein Übergang in die reale Welt, weil sie im fiktiven Geschehen wesentliche Informationen über die Wirklichkeit liefere.

Die Ausführungen über die Mafiastrukturen dreier Ländern waren dann wiederum eine Steilvorlage für den Befragenden: Inwieweit eine Vergleichbarkeit Italien-Belgien-Slowenien hinsichtlich des organisierten Verbrechens gäbe. Es sei viel komplizierter, die Antwort, grundsätzlich sei auch Slowenien nicht immun gegen Mafiastrukturen. Aber das herkömmliche Verfahren der Geldwäsche z.B. sei in einem so kleinen Land einfach auffällig, wo keine Großbanken anonym Geld verwalten. Slowenien sei eher ein Transitland, die große Geldwäsche findet woanders statt, wobei Brüssel ein wichtiges Zentrum geworden ist.

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Info:
Mojca Širok, Der Pakt. Roman aus dem Slowenischen von Martina Erhart, 422 Seiten, Schenk Verlag
ISBN 978-3-949045-17-2