Marlies Ferber „Mord in Hangzhou“ bei dtv

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Aller guten Dinge sind drei. Wir auf jeden Fall sind erst beim dritten Krimi von Marlies Ferbers englischen Ex-Agentenpärchen James Gerald und Sheila Humphrey ins Netz gegangen, was kein schlechter Ausdruck ist, spielt der doch in Hangzhou am wunderschönen Westsee im Osten Chinas.

 

Und tatsächlich hat uns „Mord in Hangzhou“ deshalb sofort interessiert und wir waren dann glücklich, daß die Autorin ihren unternehmungslustigen 70jährigen – 0070 - auch in gefährlicher Mission auf den See treibt, wobei er sogar seine Schuhe verliert, dafür aber die zukünftige Ehefrau seinen chinesischen Patensohnes rettet: erst vor der chinesischen Polizei, dann vor dem Ertrinken. Sie merken schon, hier ist was los. Den Überblick behalten Sie dennoch, denn die Autorin geht schön der Reihe nach vor. Das fängt in London an, wo der ziemlich selbstsichere und einsame Wolf namens James Gerald vor seiner Lebensgefährtin und ehemaligen Kollegin vom Secret Intelligence Service (SIS), das ist der britische Auslandsgeheimdienst, geheim hält, daß er bei seinem Flug nach China nicht nur der Hochzeit seines Patensohnes beiwohnen will, sondern auch undercover in China ermitteln soll.

 

Darum haben nämlich die Chinesen gebeten, denn von früherer Zusammenarbeit her kennt er Lao Zhang, der ihm auf der Kleinen Paradiesinsel im Westsee dann anvertraut, wie hilflos der chinesische Geheimdienst einer Giftmordserie zuschauen muß, die – anders kann es gar nicht sein – wohl Wirtschaftsspionage ist, bzw. das Walten einer ausländischen Macht, die Chinas Ruf, was den Teehandel angeht, sabotieren und ruinieren will. Denkt er, denn die Teesträucher sind entlaubt. Durch Gift. Das Wasser einer Quelle war aber zuvor schon vergiftet worden – mit Todesfällen und das ist erst der Anfang, wie Bekennerschreiben formulieren. Darum wird Gerald als angeblicher Wissenschaftler in ein Universitätsprogramm aufgenommen, wo ausländische Senioren ihr Wissen weiterentwickeln können.

 

James Gerald tritt als Meister der Yamswurzel auf. Als ihn Lei Sile, Human Relations Manager der Universität abholt und dazu befragt, antwortet er: „Ich beschäftige mich mit thermomolekularer Spezifizierung der reziproken Vermischbarkeit verschiedener Yams-Gene unter Einfluß transgen spezifizierter Mikroben.“ Nicht schlecht fürwahr und so führt er auch seine anderen Senioren-Experten hinters Licht, von denen aber vor allem die Frauen durchaus ihre eigenen Geheimnisse haben, auf die er nicht kommt.

 

Im Krimi aber kommt er erst einmal zu seinem alten Freund Ma Jian, der ihn 'Gege' ruft, was älterer Bruder bedeutet, wie ihn auch dessen Frau Lin nennt. Während der Teezeremonie des besten Tees: Longjing, Drachenbrunnentee, bedeutet ihm Ma Jian: „Wenn man in unser Alter gekommen ist, Gege, weiß man es zu schätzen, in einem Land zu leben, in dem das Alter verehrt wird.“ In dem Hin- und Hergespräch zwischen den beiden über die Vorzüge und Nachteile der jeweiligen Kulturen zeigt die Autorin, daß China für sie kein Fremdwort ist. Liest man den Klappentext, erfährt man, daß Marlies Ferber Sinologin ist und „bekennender England-Fan“ und versteht den Zusammenhang England und China ab sofort besser.

 

Was uns am Anfang noch etwas bemüht vorkam, die vielen Hinweise auf chinesische Sitten, Verhaltensweisen, Essen und Trinken sowie gesellschaftliche-politische Hintergründe, das wird mit zunehmendem Lesen so in die Handlung integriert, daß man ab irgendwann gefesselt weiterliest und dabei neben der Spannung, die die Autorin geschickt erzeugt, auch viel über die Chinesische Oper beispielsweise erfährt.

 

Zwischen den Handlungskapiteln um James Gerald sind ganz kurz Kapitel in Kursivschrift eingefügt, wo der Mörder spricht, von dem man sofort merkt, es ist eine Frau: „Sie hatte nicht gegen den Mann gehabt. Es war kein gutes Gefühl, daß er ihretwegen nicht mehr lebte. Mit dem Drahtseil, das sie über den Boden gespannt hatte, wollte sie sich nur absichern...“, doch diese Kenntnis hilft dem Leser bei der Mörderinnensuche nicht unbedingt weiter. Doch während sich Gerald und auch die chinesische Geheimpolizei noch immer im Gefilde der ausländischen Wissenschaftler tummeln, wird der Hauptverdächtige tot aufgefunden. Jetzt ist Schluß mit der Suche im Ausland. Hier muß es um etwas Chinesisches gehen. Was, das wollen wir natürlich nicht verraten. Am Schluß ist es sehr privat und auch traurig, aber auch einsichtig, wie jemand in seine eigene Falle tappt.

 

Wir müssen aber noch davon sprechen, welchen Heidenspaß einem die Autorin damit bereitet, daß sie den 0070 Agenten in Geheimdienstspielchen a la 007 verwickelt, wo der alte Fuchs auch gegen drei professionelle und junge Beschatter mit den Methoden des Gegners obsiegt. Vor allem gegen die ehrgeizige Beschatterin. Der Humor kommt also nicht zu kurz, was nötig ist, denn dann unternimmt man die abenteuerliche Mitreise mit James Gerald noch lieber. Was aber Sheila damit zu tun hat, die auf einmal in Hangzhou auftaucht, das lesen Sie gefälligst selber.

 

INFO:

 

Marlies Ferber, Mord in Hangzhou, dtv 21522, Juni 2014

Davor erschienen von der Autorin bereits: Null-Null-Siebzig Operation Eaglehurst und Null-Null-Siebzig Agent an Bord