Thomas Willmann „Das finstere Tal“ aus dem Ullstein-Taschenbuchverlag

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Zu Recht bekam der großartige Film „Das finstere Tal“ vor einiger Zeit so viele Auszeichnungen beim Deutschen Filmpreis, selten hat man so eine einzigartige Umsetzung einer Literaturvorlage sehen können. Aber auch die Lektüre des jetzt als Taschenbuch erschienenen, gleichnamigen Bestsellers lohnt sich, obwohl sie nicht an die Qualität der Verfilmung heranreicht.



Film und Vorlage weichen häufig voneinander ab, die Essenz des Buches zeigt aber auch der Film.

Die spannende und ungewöhnliche Geschichte spielt am Ende des 19. Jahrhunderts: Greider, ein seltsamer Fremder, kommt in ein abgelegenes Alpental, in dem die Menschen ein karges Leben im Kampf gegen die Natur führen. Die rigiden Regeln des Zusammenlebens diktiert der Brennerbauer mit seinen brutalen Söhnen, der auch das kleine Dorf gegründet hat.

Der junge Fremde ist Maler und soll gleich wieder vertrieben werden. Da er aber viel Geld zahlen will, kann er den Winter über bleiben, in dem das Hochtal durch den Schnee völlig abgeschnitten ist. Untergebracht wird er bei Luzi und ihrer verwitweten Mutter, die sich rasch mit ihm anfreunden. Dass Misstrauen der Dorfbewohnern gegenüber Greider schwindet nie ganz, aber legt sich mit der Zeit etwas, da er „ein Bild freundlichster Harmlosigkeit“ abgibt und für die „Menschen des Tals immer unsichtbarer wird.“

Die Dörfler wirken immer verschreckt und bedrückt, ein finsterer, kaum fassbarer Schrecken durchzieht ihr Leben, den sowohl Greiner als auch die Leser nur erahnen. Der Pfarrer donnert von der Kanzel, dass sich die Bewohner zu fügen haben! Auch Josef habe bei der, nicht von ihm geschwängerten Maria einsehen müssen: „Da ist einer, der weiß besser als ich, was gut ist und was recht. Dessen Plan soll ich nicht anzweifeln, auch wenn er der Menschen Gewohnheiten widerspricht.“

Luzi verliebt sich in Lukas, „I hab‘ einen, den i mag“, will aber die Hochzeit immer wieder hinausschieben, weil vor dem ehelichen Glück „noch eine letzte schwere Prüfung steht.“ Später wird ihre Mutter der traurigen Tochter sagen, „I hab’s ja auch g‘schafft, ham ja alle g’schafft.“ Plötzlich sterben gewaltsam nacheinander zwei Söhne des Brennerbauern. Luzis Hochzeit steht an, Dorfherrscher Brenner fordert die Vermählung trotz des Todes seiner Söhne - und nun eskalieren die ohnehin dramatischen Ereignisse.

Mehr soll nicht verraten werden, denn nach und nach offenbart sich in der weiteren Erzählung und in mehreren Rückblenden das finstere Geheimnis des Tales. Die aufregende Geschichte wird nicht hochliterarisch erzählt, auch wenn der Autor Thomas Willmann gelegentlich erregende Sprachbilder findet. Als jemand erschossen wird, heißt es: „Aus der Rückseite seines Schädels aber spritzten seine Erinnerungen, seine Schuld und sein Glauben an die Wand.“

Häufig nutzt Willmann eine etwas antiquierte Sprache, die den Geist der damaligen Zeit gut erfasst: Als der Fremde kam, „war bald wieder Stille eingekehrt , die nun, nach dem ersten großen Menschenlärm des Tages, noch tiefer schien als zuvor." Greider zeichnet Luzi und „verlieh ihrem Gesicht jene Lebendigkeit, die auch sonst ihrem Wesen eignete." In einer Rückblende gibt es „zwei auf gänzlich unraffinierte Art hübsche Damen von fragwürdigem, aber nicht eindeutig inakzeptablem Ruf.“

Übrigens prangt selbstbewusst auf dem Buch der Button, „Jetzt im Kino“, oft steht bei Verfilmungen dort ja etwas anbiedernd, „Das Buch zum Film.“

Thomas Willmann „Das finstere Tal“, 318 Seiten, Ullstein-Taschenbuch, 9,99 Euro