M0325707266X largezeigt Joachim B. Schmidt in KALMANN UN DER SCHLAFENDE BERG

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie man diesen Roman liest ohne seinen Vorgänger KALMANN? Das kann man, hat man gelesen, nicht mehr überprüfen, aber man kann die Verzauberung, die dem Autor mit seinem jugendlichen Helden mit dem eingeschränkten Verstand, der ihn gleichzeitig zu einem besonders fühlenden Menschen macht und auch zum Sheriff von Raufarhöfn, der gelernt hat, bei Schwierigkeiten rückwärts zu zählen, was erfolgreich ist, erneut erleben.

Und wenn wir den jungen Mann im Titel mit dem wahrheitskündenden Kind vergleichen, ist das nicht nur seinen Fähigkeiten und Unfähigkeiten geschuldet, sondern auch dem literarischen Erzählton, der zwischen Märchen, Schwank und Persiflage immer den richtigen Ton trifft und mit diesem Ton die abenteuerlichsten Geschehnisse wahrscheinlich macht, auf jeden Fall glauben wir Kalmann alles, von dem er erzählt, was er wieder einmal erlebt hat.

Rekapitulieren wir. Er lebte in Raufarhöfn, wo er von seinem Opa gelernt hatte, den Gammelhai als Leckerbissen aufzuheben, ein stinkendes, aber von ihm liebevoll präsentiertes Schmankerl. Sein ihm unbekannter, sagenhafter Vater entpuppte sich als amerikanischer Soldat, der aber in den USA schon Vater, also verheiratet war. Doch dieses macht sein Opa wett, der hat den Kommunismus mit der Muttermilch aufgesogen und all die Lügen, die über ihn verbreitet werden, prallen an ihm angesichts eines ausufernden Kapitalismus – auch in Island! - ab. Jetzt lebt er im Altersheim und Kalmann besucht ihn, was kompliziert geworden ist, denn er lebt inzwischen bei seiner Mutter in der Stadt. Der Opa stirbt und als Gegengewicht ist nun sein Besuch seines Vaters in den USA geplant, denn sein Vater hat ihn per Mail zu sich und seiner Familie eingeladen.

Wir steigen ein, als Kalmann von der FBI-Agentin Dakota Leen vernommen wird, nein, verhaftet ist er nicht, aber er muß im FBI-Hauptquartier in Washington Fragen beantworten, die er nicht überblickt, deren Funktion ihm nichts sagen, was ist hier los? Was ist passiert? Nach und nach verstehen wir, daß er seinen Vater und dessen Familie besucht hat und das Leben in Mill Creek eigentlich genauso gemütlich fand wie in Raufarhöfn. Alle waren nett zu ihm und ihm ging’s prächtig.

Und dann hat er seine Familie begleitet, als die zum Kapitol zog. Ja, wie, ja was, wir sind bei Trumpfreunden, die das Kapitol erstürmen, wobei Kalmann verloren geht, auf jeden Fall hat er die geheiligten Hallen nicht von ihnen gesehen. Klar. Er wird abgeschoben nach Hause.

Aber da kommt ja erst die Haupthandlung. Inzwischen hat er Belege, daß sein alter und kranker Opa gar nicht einfach gestorben, sondern ermordet worden ist. Was jetzt abgeht und mit dem Kommunismus Urstände feiert, ist eine einzige Rutschpartie durchs Leben, durch die Geschichte und den schlafenden Berg, der ein unglaubliches Inneres hat, was die Welt und die Leser überraschen wird.
Kalmann erobert Herzen und Joachim B. Schmidt gibt ihm den entsprechenden Sound. Das nächste Mal muß Kalmann allerdings sanfter, ja liebevoller mit seiner Mutter umgehen. Unbedingt.

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Umschlagabbildung

Info:
Joachim B. Schmidt, Kalmann und der schlafende Berg, Diogenes 2023,
ISBN 978 3 257 07266 2