weltfluchtWas der Berliner Verlag Matthes & Seitz dazu zu sagen hat 

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - »Schlussfolgerung: Es gab einmal einen Roman, der zum Träumen und Glauben einlud, dreidimensional, sich selbst genug und von innen erleuchtet, ein Roman, der einer Sache Vorschub leistete, die man ›Weltflucht‹ nennen konnte.«

Mit Fragen von César Aira im Gepäck, lädt  der Verlag Matthes & Seitzwir zur Weltflucht ein. Erkunden die Zusammenhänge von Literatur und Eskapismus, von Leben, Schreiben und Lesen. Ob sich das Leben im Schreiben entfaltet, wie es bei Eileen Myles der Fall ist, oder wir mit Hanna Engelmeier Trost in der Literatur suchen. Ob wir uns wie »Die Flüchtigen« an die Ränder unserer Wahrnehmung begeben oder wie Édouard Levé und Roland Barthes literarisch-fiktiv, aphoristisch und spielerisch das Selbst ins Zentrum rücken. Es gibt Schlimmeres, als das Flüchten in die Literatur.

Mit gedrückten Daumenwird auf auf den diesjährigen Wortmeldungen Literaturpreis geblickt, dessen Shortlist soeben bekannt gegeben wurde: Gratulation an Dragica Rajčić Holzner und Frank Witzel, die zu den verbliebenen fünf Nominierten gehören!

Mehr * zu lesen gibt es diesmal vom großen russischen Dichter und Oppositionellen Lew Rubinstein, der am 14. Januar 2024 tragisch verstorben ist. Sein Text »Krieg der Sprache« erschien nur wenige Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und erhellt noch heute die semantische Vorbereitung des Krieges.


tmpimageup 9uPOhSCésar Aira: Weltflucht

Wie haben sich das Schreiben und die Literatur im Wandel der Zeit verändert, geht es allen zu gut, um noch wirklich interessante Literatur zu schreiben? Sind Lesende die klügeren Menschen und sollten wir uns alle ein Beispiel an Dalí nehmen, der frei heraus bezeugte, er sei ein Genie? Diesen Fragen und vielen mehr folgt César Aira mit seinen fünf Essays, in denen er über die Literatur mit dem Zweck der Weltflucht reflektiert, darüber, was ihn an der Schreibmethode Roussels so fasziniert und weshalb es manchmal gut ist, nicht auf jede Frage direkt die Antwort im Internet zu finden. Dabei transponiert Aira auf seine verquere, philosophisch verminte sowie aberwitzige und tiefgründige Art das autobiografische Schreiben auf das Feld des Essays, wirft Fragen auf, die keine Antworten finden, und schreibt von einem Ich, ohne Persönliches preiszugeben. Und wenn er sogar das Genre des Essays selbst infrage stellt, macht Aira seinem Ruf alle Ehre.
 
César Aira »Weltflucht«
Aus dem Spanischen von Christian Hansen
Gebunden mit Schutzumschlag
101 Seiten | 18 Euro | ISBN: 978-3-7518-0949-8
Auch als E-Book erhältlich


Bibliothek César Aira (Auswahl) 

»Das Abendessen«
Gebunden mit Schutzumschlag
127 Seiten | 18 Euro
978-3-7518-0065-5
 E-Book


»Die Wunderheilungen des Doktor Aira«
Gebunden mit Schutzumschlag
109 Seiten | 16 Euro
978-3-7518-0001-3 
E-Book


»Das Testament des Zauberers Tenor«
Gebunden mit Schutzumschlag
168 Seiten | 18 Euro
978-3-95757-689-7 
E-Book
Hörbuch


»Was habe ich gelacht«
Gebunden mit Schutzumschlag
92 Seiten | 16 Euro
978-3-95757-685-9
E-Book
Hörbuch



Eileen Myles: Zur Zeit

Schreiben, so Eileen Myles, ist eine Art des Kopierens, des Aufzeichnens, des Festhaltens der unnachgiebig voranpreschenden Zeit, deren gnadenloser Strom sich mit Händen nicht greifen lässt – und so hält Myles sie in einem rabiaten Klammergriff des Blicks: schaut zurück auf ein Leben, das sich wild und kompromisslos der Vergängnis hingibt.

Doch als eines Tages eine ganze Kiste voller unersetzbarer Aufzeichnungen verschwindet, tost ein Tornado radikaler Überlegungen los, der alles durcheinanderwirbelt, alle vermeintlichen Gewissheiten über das Wesen der Vergangenheit sowie Sinn und Unsinn, ihr nachzustellen, über den Haufen wirft. Die absolute Anwesenheit des Geistes, ob im zähen Kampf gegen den Mietenwahnsinn in New York, bei einem unerwarteten Ankommen in Marfa, Texas, oder während zahlloser Gespräche mit Liebhaber:innen und anderen Wegbegleiter:innen, prägt, wie »Zur Zeit« eindringlich erfahrbar werden lässt, ein Leben, das vollständig im Schreiben aufgeht – und umgekehrt.
 

Eileen Myles »Zur Zeit«
Aus dem Englischen von Milena Adam
Gebunden
106 Seiten | 18 Euro | ISBN: 978-3-7518-0910-8
Auch als E-Book erhältlich 
Eileen Myles bei Matthes & Seitz Berlin


Eileen Myles bei Matthes & Seitz Berlin

»Chelsea Girls«
Gebunden
252 Seiten | 22 Euro
978-3-95757-839-6 
E-Book


Alain Damasio: Die Flüchtigen

Sahar und Lorca führen mit ihrer Tochter Tishka ein glückliches Familienleben. Als Tishkas Bett eines Morgens leer ist, obwohl alle Fenster und Türen fest verschlossen sind, verändert sich alles. Während Sahar sich zurückzieht und zunächst an eine Entführung glaubt, geht Lorca einer urbanen Legende nach: Er vermutet, dass Tishka bei den sogenannten Flüchtigen ist, Wesen, die angeblich unerkannt in den toten Winkeln unserer Wahrnehmung leben. Alain Damasio zeigt einen vom Lobbyismus geprägten Kapitalismus im Endstadium: Überwacht werden wir nicht, um unterdrückt zu werden, sondern damit man uns Dinge verkaufen kann, die uns das Leben in der Überwachung erträglicher machen. Allein die Flüchtigen weisen den Weg aus dem Konsumzwang. Ihre Wandel- und Formbarkeit bildet sich in der Typografie ab, hinter der der Text immer mehr zum Rätsel wird.
Leseprobe

Alain Damasio »Die Flüchtigen«
Aus dem Französischen von Milena Adam
Gebunden mit Lesebändchen
838 Seiten | 28 Euro | ISBN: 978-3-7518-0039-6
Auch als E-Book erhältlich

 
Ab dem 07.03.2024 bei Matthes & Seitz Berlin – Der Klassiker von Alain Damasio erstmals auf Deutsch


»Die Horde im Gegenwind«
Gebunden
1000 Seiten | 38 Euro
978-3-7518-0078-5 
E-Book



Hanna Engelmeier: Trost


Vier Übungen

Dass Lesen weit mehr ist als das sinnstiftende Erfassen von Buchstaben, zeigen die vier Übungen, die dieser Essay versammelt. Sie führen das Lesen zusammen mit dem Schreiben, dem Hören, dem Beten und dem Genießen: Der heute nur wenigen bekannte Franz Xaver Kappus regte Rilke durch seine Briefe zu einer Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Dichtens an, die bis heute Schreibende (und Lesende) inspiriert. Die Tonaufnahme von David Foster Wallaces Rede »This Is Water« und ein Hörspiel zu Walt Disneys Aristocats zeugen von einem Lesen, das Hören ist. Eileen Myles findet als Kind ein Rollenmodell in der Lektüre eines Johanna-von-Orléans-Comics und Adorno gönnt sich neben Kritik auch mal Eiscreme. Vier Übungen, die klug, voller Witz und doch mit Ernsthaftigkeit Text und Nebentext feiern und sich zu einer leisen, aber unedingten Leseempfehlung für schwere und nicht ganz so schwere Zeiten fügen.
 

Hanna Engelmeier »Trost. Vier Übungen«
Gebunden
198 Seiten | 20 Euro | ISBN: 978-3-7518-0033-4
Auch als E-Book erhältlich

 
Édouard Levé: Selbstporträt


Ist der Mensch die Summe seiner Teile? Édouard Levé macht die Probe aufs eigene Exempel. Er nimmt sein Leben auseinander – körperlich und seelisch, psychologisch und sexuell, politisch, philosophisch und ästhetisch - und breitet es vor dem Leser aus. Sein Kamerablick berührt, amüsiert, irritiert, lässt nachdenken, zustimmen, sich wiedererkennen und wirft dabei Fragen auf, die, an der Oberfläche leicht und übermütig, auf den zweiten Blick beunruhigend tief ins Herz der Existenz dringen. Mit der schlichten Aufzählung seiner sachlichen Beobachtungen entwickelt Levé eine neue Art, ein Leben zu beschreiben; die Puzzleteile ergeben ein Porträt, das seine Leser nach dem eigenen suchen lässt.
Leseprobe

Édouard Levé »Selbstporträt«
Aus dem Französischen von Claudia Hamm
Paperback
111 Seiten | 10 Euro | ISBN: 978-3-7518-0103-4
 


Roland Barthes: Über mich selbst

Roland Barthes war 60 Jahre alt, als er beim Betrachten alter Fotos seine Gedanken notierte und »Über mich selbst« [Roland Barthes par Roland Barthes] veröffentlichte: ebenso originelle wie anregende Reflexionen über sein Leben. »All dies muss als etwas betrachtet werden, was von einer Romanfigur gesagt wird«, beginnt Barthes und stellt klar, dass es sich bei »Über mich selbst« um eine fiktive Autobiographie handelt - um ein »Neu-Schreiben« mit dem Barthes »den Büchern, Themen, Erinnerungen, Texten eine andere Art des Aussagens hinzufügen« will. Die bewusst fragmentarischen literarisch-fiktiven Metamorphosen der eigenen Person werden dabei an die lustvolle körperliche Erfahrung des Schreibaktes zurückgeführt. Erst im Schreiben entwirft sich Roland Barthes als Subjekt und setzt sich aus den autobiographischen Splittern und Fragmenten zusammen.
 

Roland Barthes »Über mich selbst«
Aus dem Französischen von Jürgen Hoch
Paperback
272 Seiten | 12 Euro | ISBN: 978-3-95757-731-3
 

Mehr Wahrheit
 
Der unabhängige russische Hörfunksender Echo Mowsky, für den dieser Text im Februar 2022 geschrieben wurde, ist mittlerweile verboten und eingestellt. Die Übersetzung ist bei Dekoder erschienen, einem kritischen Nachrichtenportal zu Russland und Belarus und noch heute sehr lesenswert. Lew Rubinstein, dessen Buch »Ein ganzes Jahr. Mein Kalender« 2021 in der Friedenauer Presse erschienen ist und den Zusammenhang von Alltag und Weltgeschichte literarisch vermisst, ist am 08. Januar in Moskau von einem Auto angefahren worden. Nun ist er seinen Verletzungen erlegen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Freunden.

Lew Rubinstein: Krieg der Sprache


Foto:
Umschlagabbildung

Info:
Quelle
Matthes & Seitz Berlin
Großbeerenstraße 57A
10965 Berlin
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