markarisPetros Markaris wird beim neuen Fall für Kostas Charitos Zeithistoriker

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso – Nein, man muß nicht jeden der Kostas Charitos Krimis lesen, die Petros Markaris seit 1995 in nicht nachlassender Energie und mit politischem Hintergrund herausbringt, aber diesen, wohl der fünfzehnte, den er 2021 schrieb, der sollte es auf jeden Fall sein und uns geht es so, daß wir mitten beim Lesen von anderen Krimis auf einmal merken, Petros Markaris ist eigentlich wieder mal dran und mit ihm sein Kostas Charitos, ein so pflichterfüllter wie familienfreundlicher Kommissar, der als Icherzähler uns an allem teilhaben läßt, auch an seinen umfangreichen Mahlzeiten, die nicht nur Ehefrau zubereitet, sondern diesmal auch der alte Freund Lambros Sissi, der als Alt-Linker ein Obdachlosenheim führt, das unter den Corona Einschränkungen besonders leidet.

Nach ihm heißt auch sein Enkel Lambros und seit dieser Einzug ins Familienleben und damit auch in die Krimis aus der griechischen Hauptstadt Athen gehalten hat, ist das berufliche Engagement vom Kommissar etwas geringer geworden, was aber nicht gilt, wenn da wirklich etwas besonders Kriminelles geschieht, wie jetzt auf dem Hintergrund der Corona Pandemie. Einerseits führt ein Aufruf „Es lebe die Bewegung der Selbstmörder“ zu gehäuften Selbstmorden bei alten Männern, die alle zudem einen entsprechenden Abschiedsbrief hinterlassen, der ins Netz gestellt wird, und andererseits schlagen die Coronaleugner, Querdenker und Demokratieverächter zu, indem sie nicht nur als Querulanten und Impfgegner demonstrieren, sondern eine Gang auf Motorrädern zusätzlich die Wagen überfällt, die mit Impfstoffen unterwegs sind und außerdem noch Ärzte und Virologen, die sich mit Coronaleugnern anlegten und mit dem Impfen einen Namen machten, ermorden.

Das Raffinierte an diesem Krimi ist, wie diese beiden völlig unterschiedlichen Ausgangslagen durch personelle Verwicklungen auf einmal zu einem einzigen Fall zusammenschmelzen. Wie das geschieht, darf man nicht verraten, aber es ist wirklich spannend, den unaufgeregten Kostas seine Arbeit verrichten zu sehen, die immer in Absprache mit dem Minister geschieht, schließlich sind beide Themen: Selbstmorde von alten Männern, die übrigens alle aus der kämpferischen Tradition von Gewerkschaften und der kommunistischen Partei stammen. Ihr alter Kampfgeist entzündet sich an den Folgen der Schließung von Geschäften und der Gastronomie für die Inhaber und die Beschäftigten. Dagegen setzen sie ihren Selbstmord.

Und weil der Enkel vom Ideengeber und Anführer der Selbstmorde seinen Großvater ob dessen politischer Widerstandsarbeit so bewundert, will er gleichziehen und läßt sich mit den falschen Leuten ein, denen er sein phänomenales Wissen um das Hacken von Webseiten und Aufziehen von neuen Adressen zur Verbreitung von Informationen nutzbar macht. Und diese Leute sind nun wirklich üble Verbrecher, denen ein Menschenleben nichts bedeutet und die Terror einsetzen, um denen da oben eins auszuwischen.

Inzwischen gibt’s längst den nächsten Charitos, aber diesen hier, den sollten sie unbedingt lesen. Es lohnt und fängt die depressive Stimmung angesichts der Corona Einschränkungen so richtig ein, daß es einen in der Erinnerung schüttelt.

Foto:
Umschlagabbildung

Info:
Petros Markaris, Verschwörung, Diogenes Verlag 2022
ISBN 978 3 257 07212 9