faksilimieDas Herrenalber Gebetbuch von 1484

Mortimer Marstrand

Barcelona/ Bad Herrenalb (Weltexpresso) - In diesem Jahr feiert die Klosterstadt ihr 875-jähriges Jubiläum - Grund also, sich mit der Geschichte der Zisterzienser zu beschäftigen. Das ist nicht neu, denn bereits vor fünf Jahren wurde das Thema mit einem großen Medieninteresse in die Öffentlichkeit katapultiert. Grund dafür war das Herrenalber Gebetbuch und die Privatinitiative von Historikerin Sabine Zoller, der es mit großem Engagement und einer aufwändigen Spendenaktion gelungen ist - in knapp sechs Monaten - 5.000 Euro für den Kauf des Gebetbuches zu sammeln, um die wertvolle Faksimile Ausgabe als eine der limitierten Faksimileausgaben für die Stadt Bad Herrenalb zu erwerben.

Das Herrenalber Gebetbuch, das 1484, also vor 540 Jahren im einstigen Zisterzienserkloster entstanden ist, zählt zu einer der wenig erhaltenen Handschriften aus dem Mittelalter. Als Einzelexemplar gefertigt, diente es ausschließlich der individuellen, „stillen“ Andacht eines Gläubigen und ist bis heute in seiner ursprünglichen Form nicht nur erhalten, sondern auch sicher in der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz verwahrt, wo es dem Benutzer in der Regel nur auf Antrag zur Einsicht vorgelegt wird.


Herrenalber Gebetbuch auf der Buchmesse Foto Sabine ZollerRückblick

„Der Zufall ist das Pseudonym, das der liebe Gott wählt, wenn er inkognito bleiben will.“ Das Zitat des großen Theologen und Philosophen Albert Schweitzer scheint im Fall des Herrenalber Gebetbuches durchaus stimmig zu sein. Denn wer erwartet schon auf der Frankfurter Buchmesse einen Hinweis auf das Herrenalber Gebetbuch? 2015 besucht Sabine Zoller die Buchmesse in Frankfurt. Dort präsentieren aus über 100 Ländern rund 7.100 Aussteller ihre Bücher, Ideen und Konzepte, darunter auch die Spanier Alberto Sánchez Nieto und Jorge Férnandez Pardo, die auf ihrem Messestand das signifikante Plakat mit der großen Aufschrift „Devocionario cisterciense de Herrenalb“ zur Schau stellen. „Das Gebetbuch der Zisterzienser in Herrenalb“, so die wörtliche Übersetzung der Plakataufschrift, fasziniert die Herrenalber Historikerin, die die ungewöhnliche Entdeckung zu einem intensiven Gespräch mit den Ausstellern nutzt.


Vor dem Vergessen schützen

Um einzigartige Werke der Vergessenheit zu entreißen sind Alberto Sánchez Nieto und Jorge Fernández Pardo auf ihrer Suche nach Schätzen aus der Vergangenheit in Berlin auf die kostbare Gebetbuchhandschrift aus Herrenalb gestoßen. Wertvolle Schriften und Dokumente mit Unikat-Charakter bezeichnen Bibliothekare als Zimelien, und als solches präsentiert sich das Exemplar, das in seiner ursprünglichen Form mit 103 Blatt und 20x14 cm großen Pergamentblätter in zwölf Lagen gebunden ist. Fasziniert von der Ausstattung mit insgesamt 30 ganzseitigen Miniaturen, der genauen Datierung und den Informationen darüber, wann, wo, von wem und für wen das Gebetbuch geschrieben worden war, bekräftigten die Spanier in ihrem Entschluss, das Juwel aus der Zeit der Zisterzienser neu aufzulegen.


Aufwändige Recherchen zur Umsetzung als Faksimile


2016 waren die umfangreichen technischen und handwerklichen Arbeiten für eine originalgetreue Wiedergabe noch nicht abgeschlossen. Um den Geist und die Anmutung des Originals zu erfassen, mussten alle sichtbaren Charakteristika des Originals wie Farben, Gold, Silber, Altersspuren oder Unregelmäßigkeiten perfekt wiedergeben sein. Daher waren erst im Herbst 2017 die ersten Verlags-Exemplare auf der Buchmesse in Frankfurt zu sehen und ab 2018 das notariell beglaubigte undin Leder gebundene Faksimile in einer limitierten Auflage von 995 Exemplaren erhältlich.



Spendenaufruf für das Juwel aus dem Mittelalter

Zum 850-jährigen Jubiläum der Klostergründung reiste das Original-Gebetbuch aus Berlin nach Bad Herrenalb und war dort vom 1.4. bis 30.5.1999 unter hohen Sicherheitsbedingungen im Rathaus von Herrenalb zu sehen. Eine Idee, die Sabine Zoller inspirierte. Im Januar 2019 – also zwei Jahrzehnte später - gelang es ihr eine originalgetreue Reproduktion an den Ursprungsort der Entstehung zurückzuführen. Zunächst war die kostbare Faksimileausgabe nur als Leihgabe aus Spanien in der Schalterhalle der Sparkasse von Bad Herrenalb zu sehen. Mittels vielfältigen Pressenotizen, Interviews und Vorträgen von Bibliothekar Herbert Krempel wird der Öffentlichkeit wissenswertes über das faszinierende Kleinod vermittelt, das vor 540 Jahren in Herrenalb entstanden und bis heute unversehrt die Jahrhunderte überdauert hat. Knapp zwei Monate konnte Sabine Zoller im März 2019 die große Spendenaktion mit vielen Festrednern zu einem feierlichen Abschluss bringen. In der Schalterhalle der Sparkasse Bad Herrenalb wurde die kostbare Faksimileausgabe an Sigrid Fiebig, damals Vorsitzende des Förderverein Museum Bad Herrenalb, übergeben. Damit hat das Gebetbuch eine neue Heimat im Museum Bad Herrenalb – Feierabendziegel- Sammlung Berndt gefunden.


Fotos:
Gebetbuch - Spendenaktion 2019 - Sabine Zoller ist die Initiatorin (dritte von links)
©Redaktion

 Auf der Buchmesse 2015 entdeckt Sabine Zoller die „Faksimile-Macher“ Alberto Sánchez Nieto und Jorge Férnandez Pardo
©Sabine Zoller