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Berlin (Weltexpresso) - Jedes Jahr zur Berlinale werden im Rahmen des Berlinale Co-Production Markets bei der Veranstaltung Books at Berlinale aktuelle Bücher vorgestellt, die großes Potenzial haben verfilmt zu werden. Renommierte Verlage und Literaturagent*innen pitchen den anwesenden Filmschaffenden die Stoffe, die sich als Film- oder Serienformat umsetzen lassen. Wir haben mit den beiden Produzent*innen Uschi Feldges und Tobias Pausinger darüber gesprochen, wie sie die Veranstaltung erlebt haben, welche Rolle sie als Produzent*innen bei Literaturadaptionen einnehmen und welche Ideen sie von der Veranstaltung mitnehmen.
Wie gut kennt ihr Books at Berlinale?
Tobias Pausinger (TP): Ich bin bereits zum vierten Mal hier.
Uschi Feldges (UF): Ich bin tatsächlich das allererste Mal dabei. Ich habe viele Jahre selbst bei der Berlinale gearbeitet und hatte dadurch leider keine Zeit mir die vielen Programme anzuschauen. Aber jetzt als Produzentin nehme ich Veranstaltungen wie diese gerne wahr.
Und wie war dein Eindruck?
UF: Ich bin ganz beglückt, die Veranstaltung war ein totaler Lichtschein. Mich hat vor allem begeistert, welche Brücken mir in kürzester Zeit zu den unterschiedlichsten Themen, Perspektiven und Erzählweisen gebaut wurden. Durch die Präsentationsform – Die Moderation [Syd Atlas] war dabei auch so wahnsinnig toll. – wurde unsere Perspektive als Produzent*innen gleich mitbedacht. Und so wurden uns Fenster in die verschiedenen Welten geöffnet, sodass ich mir schon ganze Szenerien vorgestellt habe.
Hast du direkt Bilder im Kopf, wenn du Stoffe hörst?
TP: Entweder habe ich gar keine im Kopf. Wirklich gar keine. Das passiert, wenn mich der Pitch bzw. die Story nicht anspricht. Oder es geht bei mir sofort das Kopfkino los. Das kommt auch darauf an, über welchen Blickwinkel bestimmte Stoffe präsentiert werden. Ich bin persönlich jemand, der immer über den Charakter kommt und dann zum Plot. Das ist für mich wie Leute treffen. Erst inspiriert mich die Person, dann kommt der Hinterbau, der Kontext, die Geschichte dazu.
Wie hast du Books at Berlinale 2024 dieses Mal erlebt?
TP: Ich mochte wieder ganz besonders die angenehme Atmosphäre und die Stimmung hier im Saal. Es ist sehr freundschaftlich und inklusiv, weil es keinen Business-Charakter hat. Das ist sehr wohltuend. Weil man sich so gut auf beiden Seiten kennenlernt.
Und ich fand die Auswahl spannend. Die Titel haben ein großes Spektrum abgedeckt.
UF: Das stimmt. Ich habe bei zwei, drei Stoffen sogar direkt die Talent-Frage und das IP-Packaging [IP=Intellectual Property] im Kopf gehabt.
Was ist IP-Packaging?
UF: Wir sind ja eben nicht die Autor*innen, sondern die Produzent*innen, die ich in meiner persönlichen Auffassung meiner Rolle gerne als Möglichmacher*innen bezeichne, und da spielt es eine wichtige Rolle, auch den Markt im Blick zu behalten. Und gerne auch mal gemeinsam den Markt gegen den Strich zu bürsten. Dafür braucht es aber eben Collaborateur*innen, Sender, Finanzierungspartner*innen. Die Frage „Wie möglich machen?“ ist also heute bei mir im Kopf schon losgetreten worden.
Wie wichtig ist die Mitarbeit der Autorin oder des Autors der Buchvorlage bei geplanten Film- oder Serienadaptionen?
UF: Das kommt stark auf das entsprechende Projekt an. Das kann man nicht pauschal beantworten.
Die Frage ist nicht nur, wie man als Produzent*in darauf schaut, sondern im Dialog die Frage beantwortet, wie weit die Autorin oder der Autor bereit ist, sich zu öffnen oder vielleicht sogar loszulassen. Film- und Serienadaptionen sind eine Übersetzung in ein nächstes Medium, was für den Autor bzw. die Autorin in jedem Fall eine Trennung zum Beispiel von Figuren oder Figurencharakterisierungen bedeutet und damit sicherlich auch einen Trennungsschmerz mit sich bringt. Da entscheidet sich dann auch, inwieweit die Autorin oder der Autor in der Weiterentwicklung des Projekts dann noch involviert sein möchte oder kann. Es geht um Trennung und um das sich Wiederverlieben.
Hast du eine literarische Verfilmung im Kopf, die dich komplett überzeugt hat?
TP: Das ist eine spannende Frage. Bei manchen Filmen oder Serien weiß man ja gar nicht, dass es eine literarische Vorlage gibt, weil das bei der Vermarktung nicht im Vordergrund steht. Das kommt manchmal erst später raus. Ganz aktuell vielleicht „Poor Things“?
Meine erste Erfahrung mit einer Romanverfilmung, neben Kindergeschichten, war wohlmöglich „Garp“ von John Irving. Der Film hat mich damals schwer beeindruckt, das war bevor ich mit dieser Branche überhaupt zu tun hatte. Ich habe das Buch auch erst nach dem Film gelesen und John Irving für mich entdeckt. Das Buch ist richtig gut verfilmt. Die Anfangssequenz mit der Frisbee, bei der auf einmal das Baby in die Luft fliegt, werde ich niemals vergessen. Der Film hat auf visuelle Art Kinogeschichte geschrieben. Da sind das Buch und der Film also ein Perfect Match.
Wie fandest du das Buch, als du es dann nach dem Film erstmals gelesen hast?
TP: Anders. Weil es für mich eine so gelungene Verfilmung ist, können die beiden Formate miteinander koexistieren. Oft genug hat man ja ein Enttäuschungsmoment, weil ein neunzigminütiger Film natürlich nicht das ganze Buch fassen kann.
Ich finde es insgesamt problematisch, wenn man konkret davon spricht ein Buch direkt verfilmen zu wollen. Das ist oft eher ein Geschäftsmodell. Das funktioniert bei Kindergeschichten meist ganz gut oder wenn eine berühmte IP vorhanden ist. Insgesamt spreche ich aber lieber von einer Adaption, die auch gerne bis zur Unkenntlichkeit des Originalstoffes vorangetrieben werden kann. Es geht dann darum Versatzstücke aus einem Roman, also beispielsweise Charaktere oder Handlungsstränge, die einen inspirieren, herauszunehmen und diese weiter oder neu zu erzählen. Hier kommt der von Uschi schön beschriebene Trennungsschmerz ins Spiel. Etwas Neues, Eigenständiges zu entwerfen ist in meinen Augen die hohe Kunst in diesem Prozess. Nur so können die beiden Formate Film (oder Serie) und Buchvorlage hervorragend koexistieren.
Uschi, wie arbeitest du? Hast du eine Idee und suchst dir dazu die passenden Leute oder kommen die Leute mit konkreten Ideen auf dich zu?
UF: Jedes Projekt ist anders. Hier bei Books at Berlinale haben wir ja die Situation, dass es die Adaption einer bereits bestehenden Buchvorlage wäre. Deswegen ist hier die Konzentration auf die Stoffweiterentwicklung und die Frage mit wem. In einem weiteren Schritt müsste ich also jetzt die Rechte klären, passende Talents suchen usw. Ich würde mich allerdings selbst als entwickelnde Produzentin bezeichnen, ich steige häufig sehr früh ein in die Stoffe und das ist hier natürlich nicht mehr ganz am Anfang.
Wie verstehst du die Rolle der Produzent*in, Tobias?
TP: Das ist sehr charakterabhängig. Es gibt Produzent*innen, die proaktiv Talente scouten bzw. sich die richtigen Leute zusammensuchen bzw. Autor*innen einladen, die sie inspirieren und diese dann fragen, an was sie gerade schreiben. Andere Produzent*innen kommen eher aus der Stoßrichtung, dass sie selbst eine Geschichte aufschnappen, die bei ihnen emotional etwas auslöst und daraus etwas Neues erzählen möchten. Das ist vielleicht eher die Stoßrichtung, woher ich komme. Ich höre etwas und bin dadurch für Weiteres inspiriert. Bei solchen Veranstaltungen wie Books at Berlinale bin ich also eher an Charakteren und/oder Begebenheiten interessiert, nicht unbedingt an dem Buch per se, eher der Geschichte im Ganzen.
TV-Serien funktionieren oft wiederum etwas anders. Hier ist oft die sogenannte Storyworld spannend. Das zum Beispiel heute vorgestellte Buch „A Poisoner’s Tale” von Cathryn Kemp kann ich mir gut als Serie vorstellen. [Es geht um die wahre Geschichte der Serienkillerin Giulia Tofana, die in der Renaissance Gift an römische Frauen verteilt hat, damit sie ihre gewalttätigen Männer töten können.] Das ist hochvisuell und hat direkt etwas serielles. Die Geschichte hat einen großen Handlungsbogen, da geht einem direkt konzeptionell etwas durch den Kopf.
Mit welchen weiteren Ideen geht ihr heute raus?
UF: Mein erstes To Do habe ich gerade absolviert, weil ich mit der für mich interessanten Autorin und ihrer Repräsentanz direkt in Kontakt getreten bin und nun freue ich mich auf das Follow-up. Aber als erstes muss ich natürlich in die Vorbereitung gehen und das Buch lesen und darauf freue ich mich sehr.
TP: Ich lasse die Veranstaltung jetzt erst einmal sacken. Aber ich habe auf jeden Fall ein paar Charakterfiguren, die ich spannend fand und die hoffentlich noch ein bisschen bei mir bleiben. Die Figur Jo Van Gogh-Bonger aus Simone Meiers „Die Entflammten“ hat mich auf jeden Fall sehr angesprochen. Ich muss die Stoffe auch nochmal nachlesen. Und dann mal sehen, was daraus wird.
© Tina Pfeifer, FBM
Info:
Quelle Buchmesse Frankfurt