mord aufThomas Bagger läßt den dänischen Ermittler Lucas Stage selbst zum Mörder werden

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Also wirklich, das ist starker Tobak, den uns Thomas Bagger vorsetzt. Warum sind die nordischen Krimis in der Regel voll von Abschlachtungsszenarien. Man gewöhnt sich daran, das ist das Schlimme, noch schlimmer, daß man inzwischen Mord und Totschlag im Dutzend schon erwartet.

Dabei sind es nur vier Tote, vier tote Priester, die abgestochen in einer Kirche liegen, wobei ein Fünfter, der zuständige Priester dieser Gemeinde, Jákup, abgängig ist, nur seine Blutspuren werden gefunden. Wir sind ganz weit weg, in Färö, konkret: auf einer der vielen Färöer Inseln, auf die nun Lucas Stage von der Kopenhagener Task Force 14 in seinem zweiten Krimi fliegt, allerdings ohne David Flugt, seinen Kollegen aus dem ersten Band, der erst im letzten Kapitel vorkommt, als er aus Rumänien kommend, einer Ex-Polizistin am Telefon den letzten Satz des Buches sagt: „Du mußt mir helfen, Lucas Stage zu töten“! So was nennt man Cliffhanger, aber nach dem Verhalten von Stage auf Färö, kann man David gut verstehen! Doch das kommt wohl im dritten Band.

Zusammen mit Lucas wird auch die Rechtsmedizinerin Sidsel Jensen von den Inseln angefordert. Wir wissen gleich, daß sie als Eivør Kjølbro  dort geboren wurde, aber mit ihrer Mutter die Insel verließ, während ihr Zwillingsbruder Hjalti dort beim Vater blieb. Seit damals war sie nicht zu Hause, weil sie es nicht als zu Hause betrachtet. Ganz am Schluß klärt sich auf, daß alles ganz anders war, als sie dachte und nicht der inzwischen demente Vater der Schurke war und sie eigentlich ihre ganze Abneigung gegen die stupide und den anderen übelwollende Bevölkerung vergessen könnte. Doch alles kommt zu spät. Den ganzen Krimi über spürt man ein Grauen, das immer stärker wird und sich am Schluß entlädt. Dabei hatte es doch schon mit den vier toten Priestern in der Kirche blutig und grausam angefangen.

Während Sidsel in der Kirche die Blutspuren untersucht, aus denen man erkennen kann, wie der Kampf, bzw. das Abschlachten verlief und zwecks DNA -Zuordnung die Blutspritzer zur Untersuchung schickt, führt Lucas Interviews mit den Einheimischen. Mittler ist Hjalti Kjølbro , der dort eine ehrenamtliche Polizeifunktion ausübt, wie weitere Personen auch. Während die Untersuchung ihren Verlauf nimmt, wird eine Nebengeschichte zwischengeschaltet, die unvermittelt die Jugend von Lucas beleuchtet. Man weiß immer sofort, wo man dran ist, aber auf einmal wird diese Nebengeschichte fast interessanter, denn Lucas, der in Polen Peter hieß, wurde von seinen dänischen Eltern, der Neuen Mutter und dem Neuen Vater als Zwölfjähriger aus dem Heim geholt, gekauft, wie er später erfährt. Abenteuerlich diese Geschichte, aus der sich der knallharte Charakter von Lucas erklären, wenngleich nicht entschuldigen läßt.

Die Morduntersuchung wird durch zwei Umstände erschwert. Erst sehr spät wird der fünfte Priester, der überlebende Jákup, gefunden, allerdings so entkräftet, daß er im Krankenhaus stirbt, aber auch das wird sich am Schluß als Mord herausstellen. Lange ist ein Mann, der eigentlich eine Frau sein möchte, für sich auch eine ist, der Morde verdächtigt, doch dann wird er ebenfalls ermordet aufgefunden. Man kann und will die Toten gar nicht mehr zählen, aber das Ganze ist gut gemacht, die Geschichte bleibt spannend und der Lokalkolorit ist entscheidend für die bleibende Neugier beim Lesen, denn die urigen, teils gemeinen, teils sturen, fast nie harmlosen Inselbewohner sind einfach lesenswert.


Foto:
Umschlagabbildungen

Info:
Thomas Bagger, Feuer. Mord auf den Färöern, Knaur, Dezember 2023

Google: „Die Färöer sind eine autonome, zur dänischen Krone gehörende Inselgruppe. Sie besteht aus 18 vulkanischen Felseninseln, die zwischen Island und Norwegen im Nordatlantik liegen und durch Straßentunnel, Fähren, Dammstraßen und Brücken miteinander verbunden sind. Die Inseln sind besonders bei Wanderern und Vogelbeobachtern beliebt, die es in die Berge, Täler, Graslandschaften und an die Steilküsten zieht, die Tausende von Seevögeln beheimaten.
Hauptstadt: Tórshavn
Offizielle Sprache: Färöisch
Bevölkerung: 52.889 (2021) Weltbank
Fläche: 1.399 km²
Kontinent: Europa
Ethnische Gruppe: Färöer“