Yali Sobols spannender Roman: "Die Hände des Pianisten"
Helmut Marrat
Hamburg (Weltexpresso) Vielleicht ist dies die größte Überaschung: Ein junger israelischer Autor schreibt einen futuristischen Roman, in dem der Rechtsstaat Israel zu einem vom Geheimdienst gelenkten Staat wird. Man befindet sich, so die Konstruktion, in der Zeit nach einem weiteren Krieg.
Feindliche Raketen beschädigten erneut Wohnhäuser in Tel Aviv, und ein Teil der politischen Führung fiel einem Anschlag zum Opfer. Was noch übrig bleibt,agiert zunehmend korrupt. Wenn man sich als Bürger aber still verhält, kann einem nichts Arges passieren. Davon gehen jedenfalls irrtümlich die beiden Hauptfiguren aus. Chargit und Joav sind ein durchschnittliches Mittelstandspaar, mitten aus dem intellektuellen Teil Israels. Sie arbeitet beim Fernsehen, er ist ein begabter, aber etwas fauler Pianist. Nun heißt der Roman "Die Hände des Pianisten". Wenn eine Erzählung so betitelt wird, in der ein Geheimdienst auftritt, liegt die Vermutung nahe, dass des Pianisten Hände gefährdet sind. Doch begrüßenswerterweise hat der Autor keinen derart plumpen Plot gestaltet.Es gibt nämlich noch eine Person, der "Pianistenhände" nachgesagt werden....
Besonders gelungen empfand ich die reichlich undurchsichtigen Teilnehmer einer "Donnerstagsgesellschaft"Alles in allem also glücken Sobol in seinem spannenden Roman ziemlich gelungene Figurenzeichnungen.
Yali Sobol (42) ist ein in Israel sehr bekannter Musiker und erfolgreicher Schriftsteller. Schon mit seinem zweiten Buch schaffte er es dort auf die Bestsellerliste. Überraschend erscheint mir beim vorliegenden Roman, wie eingangs erwähnt, dass ein solcher Stoff oder Albtraum in Israel dargestellt und als vorstellbar gesehen wird.
Sobols Vater Joshua wurde durch sein Theaterstück "Ghetto" international bekannt, das durch Peter Zadek seine Deutschlandpremiere in Hamburg und Berlin erlebte. Das war 1984. In diesem Stück herrschte ein deutscher SS-Mann im besetzten Wilna (Vilnius), der litauischen Hauptstadt, und die Juden hatten unter seiner todbringenden Willkür zu leiden. Im vorliegenden Buch des Yali Sobol ergreift ein israelischer General die Macht und lenkt autoritär die Geschicke seines Landes. Es wird aufgrund von Notstandsgesetzen regiert, die das Parlament außer Kraft setzen. Ein Umstand, der in den sechziger Jahren auch in der Bundesrepublik Deutschland eine Rolle spielte und dann mit zum Anlaß der Studentenrevolte wurde. Dessen eingedenk sieht man, wie weit entfernt wir momentan davon sind. Aber eben auch, dass der Weg dahin kein unüberwindlich weiter ist.
Info: Yali Sobol: "Die Hände des Pianisten", Verlag Antje Kunstmann, München 2014, ca. 287 Seiten