Börsenverein reicht Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen Amazon ein
Hubertus von Bramnitz
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat gegen Amazon Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht. Seit Anfang Mai verzögert der Online-Händler die Auslieferung von gedruckten Büchern der Verlagsgruppe Bonnier, um höhere Rabatte beim Einkauf von E-Books zu erzwingen.
Durch diese Verhandlungstaktik missbraucht Amazon nach Auffassung des Börsenvereins seine Marktmacht auf dem deutschen Nachfragemarkt für E-Books, also als Einkäufer elektronischer Bücher.
Börsenverein: Amazons Verhandlungspraxis gegenüber Verlagen ist kartellrechtswidrig / Amazon missbraucht seine Marktmacht auf dem deutschen Nachfragemarkt für E-Books
„Amazon verstößt mit seinem erpresserischen Vorgehen gegenüber Verlagen gegen das Kartellrecht“, sagt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins. „Das Geschäftsgebaren Amazons hat nicht nur Auswirkungen auf die betroffenen Verlage, sondern stellt eine Gefahr für alle Anbieter und Vertreiber von E-Books in Deutschland dar. Wir fordern das Bundeskartellamt auf, seine Untersuchungen aufzunehmen und das Vorgehen von Amazon zu unterbinden.“
Der Börsenverein hat den Sachverhalt von Kartellrechtsanwälten prüfen lassen. Demnach missbraucht Amazon seine Marktstellung in besonders eindeutiger Weise: Der Online-Händler fordert nach Medienberichten von den Verlagen der Bonnier-Gruppe eine Erhöhung der Rabatte beim E-Book-Einkauf von derzeit rund 30 Prozent auf 40 bis 50 Prozent. Damit würde Amazon ohne sachlich gerechtfertigten Grund deutliche Vorteile gegenüber anderen Abnehmern elektronischer Bücher erhalten. Dabei versucht Amazon, seine Forderungen mit Mitteln durchzusetzen, die der Nötigung gleichkommen. Amazon baut durch seine Lieferverzögerung erheblichen Druck auf die betroffenen Verlage auf, die die wirtschaftlichen Konsequenzen unmittelbar zu spüren bekommen. Das Vorgehen Amazons gegenüber deutschen Verlagen wurde publik, nachdem Medien bereits zuvor über ähnliche Fälle bei der Verlagsgruppe Hachette in den USA berichtetet hatten.
Der für die Beschwerde maßgebliche Markt ist der Nachfragemarkt für E-Books in Deutschland. Amazon verfügt als Einkäufer elektronischer Bücher hierzulande über eine so genannte „relative Marktmacht“ oder „marktstarke Position“. Diese wird nicht in Marktanteilen festgemacht, sondern in der Tatsache, dass die Teilnehmer eines Marktes von einem Unternehmen in einer bestimmten Weise abhängig sind. Im konkreten Fall haben Verlage aufgrund der übermächtigen Stellung von Amazon so gut wie keine Möglichkeiten, auf alternative Absatzportale auszuweichen, ohne erhebliche Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Die Marktmacht Amazons als E-Book-Einkäufer ergibt sich auch aus seiner Marktstellung als Verkäufer: Nach Angaben des Verbandes der Versandbuchhändler hat Amazon beim Online- und Versandhandel mit gedruckten und digitalen Büchern in Deutschland einen Marktanteil von rund 70 Prozent und wäre damit klar marktbeherrschend.
„Die Forderung entsprechender Sonderkonditionen durch Amazon ist allein Ausdruck der Marktstärke von Amazon, d.h. des Umstandes, dass Amazon als marktbeherrschender Online-Vertriebspartner für die Verlage unverzichtbar ist. In dieser Situation soll eine derartige Vorteilsgewährung durch das Kartellrecht gerade verhindert werden“, so der Beschwerde-Text.
Das Bundeskartellamt ermittelt von Amts wegen, d.h. es leitet selbsttätig Verfahren ein und ist nicht an Anträge oder Beschwerden gebunden. Stellt es einen Kartellrechtsverstoß fest, kann das Bundeskartellamt die Abstellung des Wettbewerbsverstoßes verfügen oder Bußgelder verhängen.