rechtsradikal 6027Buchvorstellung und Referat im Bergwinkel


Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Das Bündnis für Demokratie, das sich nach der Kundgebung im Bergwinkel bildete, lud zu einer ersten öffentlichen Veranstaltung. Im „Kaufhaus des Bergwinkels“ (KaDeBe) in der alten Raiffeisenbank, trug Wissenschaftler und Gewerkschaftler Sascha Schmidt mit vielen Beispielen seine Recherchen zum Thema „Rechter Terror in Hessen vor“.

rechtsradikal 6023Obwohl der Vortrag im kleinen Saal gut besucht war, hätte man sich zu diesem brisanten Problem eine gefüllte Stadthalle mit sehr viel mehr Publikum gewünscht. Denn schnell wurde in den Ausführungen des Referenten deutlich, dass der Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke oder das Massaker an Migranten in Hanau keine Einzeltaten verwirrter Verbrecher waren, sondern in einer langen Reihe rechtsradikaler Gewalt seit dem Ende des 2. Weltkriegs stehen. „Für uns war das kein neues Phänomen“, meinte Schmidt, der gemeinsam mit Yvonne Weyrauch seit Jahren das Thema wissenschaftlich erforscht. 

Aus diesem Grund veröffentlichten sie deshalb im letzten Jahr ihr Buch zu dieser Thematik, denn schon lange sind die Täter keine rechten Spinner mehr. Neofaschistischen Ansichten sind, nicht zuletzt durch die AfD, hoffähig geworden und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wahrscheinlich empfinden sich viele neuen Rechte gar nicht als Nachfolger völkischer Rechtsradikale.


Schmidt skizzierte die Ziele des rechten Terrors: Er solle gesellschaftliche Entwicklungen aufhalten, Politiker und Wähler beeinflussen, die Demokratie destabilisieren und als eindeutige Botschaft, als Warnung verstanden werden. In der ersten Phase rechtsradikaler Gewalt seit Kriegsende bis 1970, wurden viele antisemitische Schändungen von jüdischen Friedhöfen und Brandstiftungen verübt, Morddrohungen formuliert und, beispielsweise, die Ausstrahlung der US-amerikanischen Serie „Holocaust“ durch Attentate auf TV-Sendemasten zu verhindern versucht.

Dazu kam in den frühen 1990er-Jahren die Bedrohung ausländischer Menschen, es gab erste Tote in Hessen, doch manche Morde wurden von den Gerichten gar nicht als politisch motiviert eingeordnet. Jugendliche wurden durch „Rechtsrock“ agitiert und verübten, häufig spontan und unorganisiert erste Verbrechen. In diesen „Baseballschläger-Jahren“ wurden über 100 Leute verletzt und 115 Brandstiftungen begangen. Wahrscheinlich sind die Zahlen wesentlich höher, weil viele Gewalttaten nicht gemeldet oder weiterverfolgt wurden.

Seit 2014 haben terroristische Taten wieder zugenommen, obwohl sie nie ganz verschwunden waren. Menschen wurden lebensgefährlich verletzt, Politiker bedroht, etwa der SPD-Politiker Erich Pipa oder ermordet wie Walter Lübcke. Aber die alten völkischen Gruppierungen oder rechtsradikalen Kameradschaften haben an Einfluss verloren. Neue rechte Mobilisierungen wie Pegida, identitäre Bewegungen oder die AfD dominieren die Szene. „Wutbürger“ werden zu Rechtsradikalen, junge Leute werden durch soziale Medien beeinflusst und aufgehetzt. Der ausgeübte Terror reicht von spontanen Angriffen auf geflüchtete Menschen bis zu Umsturzplänen schwer bewaffneter Banden. 

Nach dem einstündigen Referat wurde noch lange über Details diskutiert und nachgedacht, was zu tun sei. Klar war natürlich, dass jede Form politischer Gewalt, auch von islamischer oder linksradikaler Seite abzulehnen sei! Eine spontane Überraschung bereitete Oman Abou Haiar den Besuchern zum Ende der Veranstaltung. Für die gut 40 Leute trug er vegetarische Gerichte aus seinem Imbiss gegenüber herbei, um sie zu unterstützen.

Buchhinweis
Sascha Schmidt, Yvonne Weyrauch: Rechter Terror in Hessen, kartoniert 400 Seiten, Wochenschau-Verlag, 29,90 Euro

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Hanswerner Kruse