DER RETTER von Mathijs Deen, neu auf Platz 4

Serie: DIE KRIMIBESTENLISTE im Mai 2024, Teil 4
 
Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da kann ich ja gerade noch mal das Gleiche schreiben wie bei Raethers STURMKEHRE. Daß ich nämlich, sofort nach Erscheinen des Buches, dieses beim Verlag – hier Mare – zur Besprechung angefordert hatte, auch sofort und mit großer Zufriedenheit las, aber dann darauf wartete, daß es auf die Krimibestenliste kommt. Ganz einfach, um die Besprechung lieber hier zu platzieren, als als Einzelkrimi. Problem, daß durch den Zeitabstand von Lesen und Rezensieren, man selber den Eindruck hat, man hätte die Details nicht mehr genau genug im Kopf. Also schon wieder zweimal lesen, was auch diesmal ein einziges Vergnügen war.

Dies ist der dritte Kriminalroman des holländischen Autors Deen um Liewe Cupido, der in Deutschland bei der Bundespolizei See in Cuxhaven Kommissar ist, wo er DER HOLLÄNDER genannt wird, wie auch das erste Buch hieß. Der dritte Fall fängt spektakulär an, denn im März 2016 wird an der englischen Küste eine männliche Leiche angespült, die Besonderheiten aufweist. Es fehlen Körperteile, sie liegt schon Jahrzehnte im Wasser, hat durch einen Pistolenschuß ein Loch im Kopf und auf dem Rücken eine durchschnittene Rettungsweste. Die Leser wissen sofort, daß es sich um den Kapitän der Pollux handelt, dessen Schiff im Prolog vom März 1995 unterging, wobei durch zwei Rettungsmannschaften alle anderen errettet wurden. Für die Polizei, die aus England die Daten erhält, dauert es allerdings bis zur Mitte des Buches, bis dieser Tote eindeutig identifiziert ist.

Daß es sich um Jacob Peiser handelt, war der Verdacht, weshalb es naheliegt, durch eine DNA-Probe seiner Tochter dies zu bestätigen. Um die kümmert sich der Neue, der gerade von der Grenze zur See versetzt ist, Xander Rimbach, der sich wundert, wie er, obwohl er Cupido zuarbeiten soll, auf sich gestellt ist, schon deshalb weil Cupido in der Dienststelle nicht auftaucht. Die Tochter mag keine DNA-Tests, sie ist überhaupt etwas kapriziös und warum sie auf einmal in der Geschichte so viel Raum einnimmt, versteht man erst am Schluß, denn Deen ist ein variantenreicher Geschichtenerzähler, denn jede, aber auch jede der auftauchenden Figuren, von denen es nicht wenige gibt, hat seine eigene Geschichte in sich oder auf dem Buckel und so mäandert die Erzählung bunt und fintenreich, wobei der rote Faden einfach zu verfolgen ist, der in England aufgetauchte Tote, der Kapitän und Ehemann und Vater Peiser nämlich.

Warum bisher Liewe Cupido noch gar nicht auftauchte, hat mit seinen Nebengeschichten zu tun, denn wenn er schon im ersten Krimi eine sehr eigene Figur war, so läßt ihn Deen nun in seiner eigenen Vergangenheit ermitteln. Inzwischen scheint der früher nur spröde, wortkarge und in sich gekehrte Cupido an seiner Vergangenheit und seinem Verhältnis zum verstorbenen Vater tiefer zu leiden. Daß sich eine Hauptfigur weiter- oder zurückentwickelt, auf jeden Fall entwickelt, ist ein gutes Zeichen, das für den Autor spricht. Allzuoft bleibt diese Figur in allen Lebenslagen und Jahren stereotyp identisch.

Bei Cupido ist es diese private Angelegenheit, die ihn überaus beschäftigt, aber in seiner Ermittlung ist er ganz schön auf Draht. Denn es geht im Kern im ganzen Roman um die Menschen, die andere aus Seenot retten, grundsätzlich unter eigener Lebensgefahr, die manchmal auch zum Tod führt. Und genau diese, die man nicht retten konnte und die verschwunden blieben, bleiben den Seenotrettern tief im Gedächtnis und martern dieses. Das sind insgesamt Menschen, denen selten ein Krimi gewidmet wird und es zeigt sich, wie überall, daß die Menschen trotz selbem Beruf, der eine Berufung ist, völlig unterschiedlich sind und
- auch wie überall – es innerhalb der Seenotretter Freundschaften gibt, in die andere nicht hineindürfen, Grüppchen mit Sonderinteressen und die ganz Schweigsamen gibt es auch. Der Roman ist voll der ungewöhnlichsten Charaktere. Wirklich gelungen.

Daß der Mord vor 21 Jahren am Kapitän aufzuklären ist, bringt andere familiäre Geheimnisse auch ans Licht, die ahnt die Leserin spätesten, wenn die DNA-Analyse der Tochter so einer große Rolle spielt. Man freut sich auf den vierten Holländer, bei dem hoffentlich Xander Rimbach wieder dabei ist.