KELLERASSEL von Regina Nössler, neu auf Platz 9

Serie: DIE KRIMIBESTENLISTE im November 2023, Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Kann ja sein, daß es anderen anders geht, aber unsere Hände greifen automatisch nach Regina Nössler, wenn sie wieder einmal auf der Krimibestenliste steht und die neuen Bücher vor uns stehen! Das liegt an Nösslers Protagonistin Isabel Keppler, die in Berlin in einer Souterrainwohnung in der Kreuzberger Katzbachstraße wohnt, wobei das sehr geschönt ausgedrückt ist, eigentlich ist es ein Kellerloch, aber eben ihres!

Nach all den phantastischen Wonderwomen in Film und Literatur tut es einfach gut, von einer stinknormalen, eher negativ konnotierten jungen Frau wie Isabel zu lesen, die versucht, in prekären Verhältnissen zurecht zu kommen, es also auch mit Eigentum nicht so ganz genau nimmt, sich gerne – allerdings ohne irgendeine Verpflichtung – sich vom älteren Joachim einladen läßt,d er genug Geld hat für Restaurants, aber noch lieber ihr in seiner Edelwohnung ein Edelmenü kocht.

Im Vorgängerroman wurde ausführlich geschildert, wie es kam, daß Isabell von Matthias Baumann 20 000 Euro erhielt, eindeutig eine Erpressung, aber anders bezeichnet. Sie hatte dessen Mutter gepflegt, die in einem Tagebuch festhielt, daß sie ihren Sohn für den Mörder einer jungen Frau hält, zumindest das für sehr wahrscheinlich hält. Und als Isabel eines Tages die alte Frau Hartmann tot im Sessel vorfindet, nimmt sie, ohne vom Inhalt zu wissen, diesen Tagebuch an sich.

Dieser Vorgang bildet den Hintergrund der KELLERASSEL, als solche bezeichnet nämlich Hartmann seinen Quälgeist, der verwehrt, daß er sich in seinem gutbürgerlichen Dasein mit Frau und zwei Töchtern wohlfühlen kann. Also tut er was dagegen und daß sich Isabel verfolgt fühlt, beruht auf Tatsachen. Das ist aber nur das Hintergrundgeschehen, das verschärft wird dadurch, daß Isabel das Hartmannsche Geld längst ausgegeben hat und an eine Wiederauflage, also eine zweite Erpressung denkt, was aber Hartmann noch gar nicht weiß und sie trotzdem stalkt, ja sogar tätlich angreift. Dieser Roman lebt aber im Innersten von den skurrilen Figuren, die neu auftreten und eine solche Dynamik gewinnen, daß man gebannt weiterliest, was gleich wieder geschehen wird.

Alle neuen Figuren haben mit der Zeitbeschäftigung von Isabel zu tun, die zu Coronazeiten in einem Impfzentrum arbeitet. Da ist einmal Oliver, der zuerst nur eine seltsame Gestalt ist, dann eine so negative Entwicklung nimmt, daß er...aber nein, das darf man nicht verraten. Aber seine Ausgangssituation schon. Er lebt kostenfrei in der Eigentumswohnung seiner Eltern, darob der Vater gestorben ist und die Mutter in der Provinz ihren Sprößling täglich anruft, manchmal mehrmals, weil sie ihn beim Studieren wähnt und ihm ausrichtet, sich doch auch auszuruhen, was dieser sowieso ständig macht, denn längst hat er sich aus der Uni zurückgezogen und lebt vor sich hin mit der Sorge, möglichst teuer mit Designerstücken eingerichtet zu sein und edel zu speisen auf teurem Geschirr. Ein richtiger Möchtegern auf anderer Leute Kosten.

Im Impfzentrum mag ihn keiner, weil er auch keine kommunikativen Ansätze zeigt und mit seinen feinen Hemden heraussticht, ja angibt. Er hat ein Auge auf Isabel geworden, doch die hat ihre zwei Augen lieber auf die Impfärztin, die Chefin gerichtet, mit der sie sich gerne in den Pausen unterhält. Oliver wird aus gutem Grund von einem früheren Mitschüler verfolgt, der endlich seine 50 000 Euro zurückhaben will, die er Oliver geliehen hat. Das ist also ein Bürschchen, der weit über seine Verhältnisse lebt, aber gleichzeitig arrogant ist. Und eben in Isabel, tja doch so etwas wie verliebt.

Isabel hält sich gerne bei dem älteren Joachim auf, der nichts von ihr will, sie aber verwöhnt, doch eines Abends flippt er aus und erzählt auch von einer Tochter, die er seit Kinderzeit nicht gesehen hat, weil die Ehe auseinanderging und das Kind bei der Mutter lebt. Als Isabel die junge Frau Antonia kennenlernt, seit einem halben Jahr nach Berlin gezogen, stellt sie schnell fest, daß diese die gesuchte Tochter ist. Doch fährt sie lange zweigleisig, denn sie erzählt Joachim nichts von der in Berlin lebenden Tochter; diese will sowieso ihren Vater von sich aus aufsuchen. Auch diese Antonia ist eine so eigenartige Person, daß man fasziniert dem Alltagsgeschehen folgt, eben weil alle entweder einen Sparren haben oder zwielichtige Gestalten sind, die durch Geschick der Autorin dann auch noch miteinander zu tun kriegen – oder schon hatten.

Das alles fügt sich mit Toten und Morduntersuchungen zu einem Ganzen, das bei allem Ernst eben auch durch seine Komik besticht.

  



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