Weltexpresso - DUNKELZEIT von Erin Flanagan auf Platz 4

Details: Kategorie: Bücher; Veröffentlicht: 21. August 2023

Serie: DIE KRIMIBESTENLISTE im August 2023, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dieser in Gunthrum in Nebraska 1985 spielender Kriminalroman katapultierte sich im Juli sogar auf Platz 1 der KRIMIBESTENLISTE! Er gehört zu den, in den ländlichen Provinzen der USA angesiedelten Geschichten, die merkwürdige Begebenheiten mit merkwürdigen Menschen verbinden, wobei Wortkargheit und sich Isolieren der Landmenschen ein Grundbestandteil ist, was nur durchbrochen wird, wenn Schlimmes geschieht und sich das Innere dagegen aufbäumt.

So geht es Alma, der eigentlichen Heldin des Romans, die ihn und das ganze Geschehen trägt. Sie war mit Ehemann Clyle und als Lehrerin viel glücklicher in Chicago, aber als seine Mutter krank wurde, gingen die beiden vorübergehend auf die kleine Farm und bewirtschafteten sie, woraus nach dem Tod der Mutter ihr jahrzehntelanges Leben wurde. Alma ist anders, sie wird im Dorf als Außenseiterin behandelt, fühlt sich auch so und kompensiert ihre nicht geborenen Kinder, da alle Schwangerschaften zu Fehlgeburten führten, nun in den Wechseljahren mit ihrer Zuneigung zu Hal, dem geistig zurückgebliebenen Kind in der Gestalt eines Mannes. Beide, auch Clyle, der immer liebevoll zur Stelle ist, aber im Roman dennoch blaß bleibt, haben Hal seit über zehn Jahren um alle gesellschaftlichen und individuellen Klippen geschifft.

Doch nun ist etwas passiert. Hal kommt mit zerschrammtem Auto und viel Blut im Wagen von einem Jagdausflug zurück, zu dem ihn zwei Kompagnons mitgenommen hatten, die er aber dort sitzen läßt und auf der Rückfahrt eine Elchkuh erschießt. Gleichzeitig wird ein junges Mädchen vermißt, das als lebenslustig verschrien, erst einmal der Dorfbevölkerung keine Sorgen macht, nur den Eltern und Bruder Milo, der eine ganz eigene Kontur gewinnt.

Was jetzt abgeht, ist eine minutiöse Schilderung des Geschehens, wo einerseits die Familie, vor allem die Mutter mit ihren Ängsten subtil und unter die Haut gehend geschildert wird, andererseits die Dorfbevölkerung erst einmal weitermacht wie bisher, bis man in Hal den potentiell Schuldigen am Verschwinden der 16jährigen Peggy ausmacht und ihn jagt.

Da jedoch ist Alma vor! Sie durchschaut die dörfliche Hetze gegen jemanden, der sich nicht wehren kann. Zwar wird sie angesichts von so vielen Hinweisen, daß Hal mit dem Verschwinden von Peggy, die auch nach einer Woche noch nicht aufgetaucht ist, doch leicht unsicher, bleibt aber stark darin, daß nicht Verdächtigungen, sondern Fakten ausschlaggebend sein müssen. Man sieht beim Lesen über und von Alma immer wieder das Gesicht der Frances McDormand vor sich, die gewissermaßen als Ikone des weiblichen ländlichen Amerikas gelten kann.

Das Geschehen und die Hetzjagd auf Hal wird sehr differenziert und nachvollziehbar geschildert, wie auch die echten Sorgen um das Mädchen, das dann tot aufgefunden wird. Alles hat sich ganz anders zugetragen, als die Gerüchteküche zusammenrührte. Das geht schon unter die Haut, was sich Menschen auf so einem kleinen Stück Erde gegenseitig antun. Wie durch ein Vergrößerungsglas sehen wir die Verhaltensweisen eines Dorfes unter Streß. Und den Kummer einer Mutter. Nein, leben möchte man dort nicht, die arme Alma.

Die Krimibestenliste, wo kann man sie lesen, wer erstellt sie, wo wird sie veröffentlicht?

WO? außerhalb von WELTEXPRESSO?

Die Krimibestenliste auf Deutschlandfunk Kultur
www.deutschlandfunkkultur.de
https://recoil.togohlis.de/krimibestenliste-mai-2023/

Die Krimibestenliste erscheint nicht mehr am ersten Sonntag des Monats in der Printausgabe: www.faz.net !!! Die zukünftigen Krimibestenlisten 2021 sind allerdings noch nicht einmal online für die FAS verfügbar. In der Vergangenheit veröffentlichte die FAS, die Sonntagszeitung der FAZ, an jedem ersten Sonntag im Monat die jeweilige Liste im Feuilletonteil. Noch einmal im Klartext: Leider gibt es die Liste ab 2021 noch nicht einmal im FAZ-Internet. Ob die FAZ und FAS wissen, welche Einbuße sie damit bei Krimilesern erfahren? Da muß man froh sein, daß der Deutschlandfunk Kultur die Kriminalromane als anspruchsvolles Genre noch nicht aufgegeben hat, sondern weiterhin jeden ersten Freitag im Monat die neue Liste bringt, die wir sobald wir können, nachveröffentlichen.

An jedem ersten Freitag des Monats geben also 18 Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Die Krimibestenliste war zuvor eine Kooperation der Frankfurter Allgemeinen mit Deutschlandfunk Kultur, der Sender, der nun die Krimibestenliste alleine veröffentlicht und trägt. Das wäre schon für die Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt ein wichtiges Argument, den Rundfunkgebühren zuzustimmen.

Tobias Gohlis, Sprecher der Jury
Volker Albers, „Hamburger Abendblatt“
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, „BR“
Gunter Blank, „Rolling Stone“
Katrin Doerksen, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Kino-Zeit“
Hanspeter Eggenberger, „krimikritik.com“
Fritz Göttler, „Süddeutsche Zeitung“
Jutta Günther, Kritikerin
Sonja Hartl, „Zeilenkino“, „Crimemag“, „Deutschlandfunk Kultur“
Hannes Hintermeier, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
Alf Mayer, „CulturMag“, „Strandgut“
Kolja Mensing, „Deutschlandfunk Kultur“
Marcus Müntefering, „Der Spiegel“
Ulrich Noller, „Deutschlandfunk“, „WDR“, „SWR“
Frank Rumpel, SWR
Ingeborg Sperl, „Der Standard“
Sylvia Staude, „Frankfurter Rundschau“
Jochen Vogt, „NRZ“, „WAZ“

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