GOING ZERO von Anthony McCarten auf Rang 10

Serie: DIE KRIMIBESTENLISTE im August 2023, Teil 6

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Im Juli war dieser Kriminalroman aus dem Diogenes Verlag auf Platz 8 eingestiegen, kam im August auf den letzten Rang und wird – wie mir ein Vögelchen zuzwitscherte – im September nicht mehr auf der Krimibestenliste stehen. Und wer diesen Krimi mit heißen Ohren und heißem Herzen zu lesen angefangen hatte, der wird am Schluß, aber erst am Schluß das dann verstehen.

Lange, weit über die Hälfte, liest man gespannt und als man sich fragt, meine Güte, wie soll das denn ausgehen?, da kommt Autor Anthony McCarten mit einem solchen , daher, bringt eine eher rein Individuelle Ebene auf eine politische, nicht nur das, von Intrigen, CIA und dem Iran ist die Rede, man staunt und beglückwünscht den Autor eine solche Volte zu schlagen, liest gespannt weiter und weiter...und irgendwann ist ein solches Durcheinander entstanden, das Geschehen so sehr übertrieben und abgehoben, daß man die Schultern zuckt und ‚schade‘ sagt. Genau so. Und jetzt, worum es geht.

Kaitlyn Day ist eine Bibliothekarin in Boston, noch jung, aber lebenserfahren. Sie traut sich einiges zu und wie wir erst später wissen, hat sich auch eine absolute intrinsische Motivation, sich an dem zu beteiligen, was in den USA in aller Munde ist: der „Going Zero“-Betatest der FUSION-Initiale. Das ist die Firma des Social-Media-Moguls Cy Baxter, den in den Vereinigten Staaten jedes Kind kennt. Fusion hat sich für dieses Projekt zusammengetan mit dem US-Geheimdienst, dem Auslandsgeheimdienst, also der CIA. Diese hat bisher Projekte mit der Privatwirtschaft gemieden, weil die Geheimhaltung nicht gewährleistet ist. Aber hier geht es um etwas ganz anderes.

FUSION hat zur Auffindung von Personen in der Öffentlichkeit ein Programm entwickelt, das über die herkömmliche Gesichtserkennung durch digitale Überwachung von Straßen, Plätzen, Häusern weit hinausgeht. Da wird beispielsweise der Gang einer Person verschlüsselt und vieles mehr. Um den US-Behörden den Kauf dieser FUSIONS-Programme schmackhaft zu machen, sollen sie insofern erprobt werden, als ein Wettbewerb ausgeschrieben wird, daß demjenigen, dem es gelingt sich für 30 Tage in den USA unsichtbar zu machen, nicht gefunden zu werden, 3 Millionen Dollar ausgezahlt werden. Auch Kaitlyn Day bewirbt sich und sie wird als Versuchsperson genommen.
Tag x wird ausgewählt und alle zehn Teilnehmen erhalten nach dem Anruf, daß es jetzt losgeht, zwei Stunden Zeit, bevor sich die Erkundungsteams von FUSION auf die Suche nach den Versteckten machen. Wir bekommen die Fluchten und Verstecke mehrerer Personen mit, daß ist richtig interessant, die unterschiedlichen Strategien der einzelnen, am stärksten allerdings wird über Kaitlyns, Nummer 10, Vorgehen berichtet, die sich erst einmal recht dumm anstellt, ihr Gesicht beim Geldabheben in die Kamera richtet, was dem Chef von FUSION Cy Baxter ein müdes Lächeln ins Gesicht zaubert, denn genau so etwas erwartet er von einer Bibliothekarin.
Und so mittendrinnen in der Spannung, nachdem einige Personen schon entdeckt wurden, da wird unser Wissen um Kaitlyn im Schleudergang zu lauter Atomen und wir müssen noch einmal von vorne beginnen. Und mitten in diese Überraschung kommt dann auch noch heraus, warum Kaitlyn wirklich bei diesem Wettbewerb mitmacht. Sie will gar nicht die 3 Millionen Dollar, sondern sie will, daß die CIA sich um ihren verschwundenen Mann Warren kümmert, der nach einem Einsatz für die CIA verschwunden ist.

Mehr darf man einfach nicht verraten, aber offen sagen darf man schon, daß über weite Strecken dieser Roman fesselnd ist und mit tieferer Bedeutung gelesen wird. Doch dann gerät die ganze Geschichte ein paar Nummern zu hoch, technisch, politisch, menschlich und man schlägt etwas frustriert das Buch zu.