André Georgi: Drehbuchautor, Autor, Filmer, Dramaturg und Spezialist für dramatische Krimis

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Zufall wird hier wieder einmal sehr strapaziert. Aber wie soll man das nennen, wenn zwei Redaktionsmitglieder unabhängig voneinander von einem neuen Krimiautor berichten, der als Drehbuchschreiber schon lange Kult ist – und dessen TRIBUNAL auch im Weltexpresso gleich zweimal besprochen wurde – und kaum hört man von ihm, da liegt er in einem Heft des Verlags der Autoren, der gerade im Frankfurter Römer den Binding Kulturpreis errang, vor einem auf den Plätze.

 

Der Verlag der Autoren machte nicht nur Eigenwerbung, sondern klärte auch die Anwesenden, die das noch nicht wußten, über die Geschichte des Verlages und den wichtigen Satz auf: Der Verlag der Autoren gehört den Autoren des Verlages. Zu denen gehört auch André Georgi und in der neuen Schrift des Verlages DREHBUCH HÖRBUCH REGIE kann man dessen Interview über Krimis nachlesen, wozu während einer fast zweistündigen Preisveranstaltung immer mal wieder Zeit ist.

 

Wie gut, daß wir gekommen waren, sonst nämlich hätten wir dieses Verlagsheft und damit auch dies Interview “Über Krimi und Drama“ mit André Georgi gar nicht zur Kenntnis genommen. Was wir bedauert hätten, denn er sagt Kluges und Gültiges über die Sucht und Lust der Welt, insbesondere der Deutschen, am Krimi: „ Selbst mich - als Krimiautor – beginnt die Dominanz des Krimis zu nerven. Krimis sind, gerade wegen ihrer außerordentlichen Flexibilität und Anschlußfähigkeit, wie ein Gestrüpp, das alles zuwuchert, und das die Genrevielfalt, die wir eigentlich erhalten sollten, nicht mehr erlaubt. Man denkt ja schon seit einigen Jahren, daß das Publikum langsam übersättigt sein müßte, und trotzdem heißt es immer wieder: Krimi, Krimi, Krimi.“

 

Welche Konsequenzen das im Umkehrschluß für andere literarischen Gattungen bedeutet, darauf geht Georgi - durchaus bitter - auch ein. Denn Dramen könne man derzeit für sich überhaupt nicht mehr eigenständig bringen, man müsse sie in den Rahmen eines Krimis einpassen, ohne einen solchen Krimianteil würde nichts laufen, was noch einmal verschärft wird, wenn es um Serien geht. Hier spricht Georgi wohl vom Fernsehen, aber vielleicht auch vom Theater; auf jeden Fall ist das seine Antwort auf die Frage, weshalb er den Krimi langweilig findet!

 

Der Krimi langweilig? Ja, lesen Sie auf seiner Webseite nach. Da steht dann seine Meinung, daß das Langweiligste am Krimi der Krimi selber sei, aber seine spannendste Seite das Drama sei. Diese Kombination ist André Georgi mit seinem Thriller – das ist doch wohl die spannendste Form des dramatischen Krimis – TRIBUNAL gerade geglückt. Wenn Suhrkamp diesen Erstling eines bisher nur als Drehbuchautor geschätzten Schreibers gleich in einer Auflage von 50 000 Exemplaren herausbringt, zeigt das nicht nur des Verlages Wertschätzung für den Kriminalroman, erst vor Jahren als eigene Genreserie bei Suhrkamp gestartet, sondern hat aus den großen Erfolgen von André Georgi aus seiner Fernsehproduktion auch auf ihn als Krimiautor geschlossen.Zurecht.

 

In besagtem Interview, von dem wir nicht wissen, wer es vom Verlag der Autoren konkret geführt hat, wird Georgi vorgestellt als Schreiber von Tatortgeschichten, beispielsweise DER GLÜCKLICHE TOD oder FETTE HUNDE, aber auch als Verfasser von Fernsehspielen aus der Reihe Maria Brand und Bella Block. Er schrieb auch für die Verfilmungen der Bücher von Ferdinand von Schirach, VERBRECHEN und SCHULD, sowie Literaturverfilmungen wie jüngst seine Siegfried-Lenz-Literaturverfilmung DIE FLUT IST PÜNKTLICH, wo es um Drama, ja Psychodrama hoch drei geht.

 

Am Beispiel von André Georgi kann man auch gut die Funktion des Verlags der Autoren erkennen. Mit seinen Drehbüchern und Fachbüchern (noch dieses Jahr RELATIONALE DRAMATURGIE ist er dort Autor. Die sind zuständig für den Weltvertrieb und für jeden Theatermacher oder Fernsehspielproduzenten erster Ansprechpartner, wenn sie aus Texten etwas machen wollen. Den Politthriller TRIBUNAL dagegen hat er im Suhrkampverlag herausgebracht, der durch sein Vertriebssystem und seinen Namen für gute Plazierung in den Buchhandlungen garantiert.

 

Im Interview wurde übrigens nachgefragt, warum das Publikum den Krimi so goutiere, ja vorziehe. Georgi antwortet: „Beim Drama ist das Publikum direkt und unmittelbar im Geschehen dabei. Beim Krimi dagegen ist es nicht direkt im Geschehen, sondern hat seine Stellvertreterperson – den Kommissar, der sich für das Publikum ins Geschehen begibt – als Filter. Diese Mittelbarkeit bietet dem Publikum einen gewissen Schutz.“ Anschließend führt er vor, mit welchen Tricks er diese Situation dann wieder aufheben kann und die mittelbare Person interessanter macht.Der Grund, warum ihn das Drama mehr interessiert als der Krimi, liegt auf der Hand.

 

Im Krimi nämlich wird – meist ausgehend vom Mord – die Geschichte zurückverfolgt. „Im Drama sind wir dabei, wir sehen, wie Figuren in eine Schieflage geraten, die zum Mord (oder ihrem Tod) führt. Deshalb steckt in Dramen sehr viel mehr Hitze, sehr viel mehr emotionale Wucht, zumal Krimis in allen möglichen Whodunit-Varianten auch noch alles dafür tun, um zu verschleiern, wer der Täter ist .“ Das stimmt, läßt aber andererseits die Phantasie des Lesers blühen, meinen wir, denn schlauer als der Kommissar zu sein, ist dann doch das geheime Vergnügen der Krimileser.

 

Weil das Drama die menschlichen Konflikte auf den Punkt bringt, von dem aus sowohl Mord wie Hochzeit möglich sind, sind die gegenwärtigen amerikanischen Fernsehserien so erfolgreich. „Es gibt schon einen Grund für den fulminanten Aufstieg amerikanischer Dramenserien: Dramen gehen einfach dorthin, wo es weh tut, unmittelbar, direkt.“, sagt dazu André Georgi in besagtem Interview in der Verlagsschrift des Verlags der Autoren.

 

Den Hinweis auf VERBRECHEN, mit dem das Gespräch schließt, wollen wir nicht unterschlagen. „Aus Autorenperspektive liegt das wirklich Interessante an VERBRECHEN und SCHULD aber tiefer. Die beiden Staffeln lösen genau das ein, wovon ich schon oben gesprochen habe:Das Publikum wird direkt dorthin geführt, wo es weh tut – sie sehen das Feuer und nicht die Asche und können in Echtzeit mitverfolgen, wie es zu den Verbrechen kommt.“, kommentiert André Georgi. Interessant dann noch seine Aussage zur „dezidierten Parteilichkeit des Anwalts“. Die einzelnen Fälle – im Georgischen Sprachgebrauch: Dramen – werden durch die Person des Anwalts zusammengehalten, der für seine Klienten eintritt, denn für diese ist er da, gerade, wenn sie schuldig wären. In der Einführung dieser parteilichen Figur sieht Georgi eine der großartigen Innovationen von VERBRECHEN.