bu24 4 torstenFRANKFURTER BUCHMESSE vom 16. bis 20. Oktober 2024, Teil 19

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie ereignisvoll, wie wichtig, wie für jede Leserin und jede Journalistin existentiell die Frankfurter Buchmesse wirklich ist, erfuhr ich erst auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse, wo ich alles das nicht fand, was in Frankfurt Alltag ist: das Gespräch über Bücher, die das Innere genauso wie die ganze Welt bewegen. Das ist nicht arrogant und soll nur aussagen, daß beide Messen ein unterschiedliches Metier bedienen. Denn für die Leserinnen des NEW ADULT genannten Massenphänomens ist die Leipziger Buchmesse sehr viel attraktiver.

 

Dort nämlich sahen wir mit eigenen Augen, die Hunderte von Metern lange Schlange, in der auch junge Leser, aber in der Mehrzahl junge Leserinnen anstanden, um von mir völlig unbekannten Autoren, meist aber Autorinnen ein Autogramm im eben an den Verlagsständen erworbenen Buch zu erhaschen. Dies ist die Welt des NEW ADULT. Die Bücher sind in der Regel Paperbacks, also auch nicht gar so teuer, sie sehen von Weitem hell aus, von Nahem überwiegt Rosa und ein helles Grün. Und die jungen Leute wiederum sehen glücklich aus und stehen nicht stumm in der Reihe, sondern unterhalten sich nach vorne und nach hinten. Lebendiges Lesen. Daß Juergen Boos, der nun schon 20 Jahre Chef der Frankfurter Buchmesse ist, sich um diesen Lesemarkt kümmern muß und es auch tut, konnte man daran erkennen, daß er gleich zu Beginn seiner Ausführungen auf der Vorbereitungspressekonferenz auf die Ausweitung dieses New Adult Bereichs in Halle 1 verwies. Das ist die Halle ganz am Anfang der Messe, an der jeder Besucher, der vom Stadteingang kommt, vorbei muß. „New Adult ist zu Hause auf der Messe“, sagte er und daß ihnen 8 000 Quadratmeter zur Verfügung stünden.

 

Mich interessiert dies Phänomen, daß junge Leute auf einmal massenhaft lesen in Verbindung mit den erstaunlichen Zahlenangaben zum Wahlverhalten zur Landtagswahl am letzten Sonntag in Brandenburg. Da war in den Analysen zu lesen, daß je älter die Wähler sind, desto stärker die SPD gewählt wurde, während je jünger die Wähler sind, desto stärker die AfD vorne lag. Mit weit über einem Drittel. Früher war es genau umgekehrt. In der Nachkriegszeit und lange bis in die Siebziger Jahre galt, die Alten sind in der Mehrheit Noch-Nazis, Reaktionäre, zumindest Konservative. Wann kippte das? Und welche Auswirkungen hat es auf die Buchmesse? Denn eigentlich müßten sich doch solche gesellschaftliche Umkehrungen in der intellektuellen Reflexion, die jede Buchmesse begleitet, wiederfinden und in den Buchmessebesuchern auch. Torsten Casimir, der Sprecher der Frankfurter Buchmesse, oben im Bild bei der Vorstellung der Zahlen zur Buchmesse, der locker, aber konzentriert durch die Pressekonferenz leitete, erwiderte witzig, man könne statt der Taschenkontrollen am Eingang den einzelnen Besucher auch fragen, welche Partei er gewählt habe.

 

In der Tat sind die Zusammenhänge aber da, nur spielen sie heute für die Buchmesse keine Rolle mehr. In den vorherigen Jahren gab es großen Tumult um rechte Verlage, also die Verlage, die ein national-faschistisches Buchangebot herausgeben. Von der Buchmesse wurde verlangt, sie solle diesen Verlagen keinen Raum geben. Völlig zu Recht erwiderte damals Boos, so lange Verlage nicht verboten seien, haben sie Anspruch auf Teilnahme. Ein großer Teil des Publikums auf der Frankfurter Buchmesse sah das anders und skandalisierte die Teilnahme dieser Verlage. Ebenfalls zu Recht. Denn juristisches Recht und Recht auf demokratische Mitbestimmung sind unterschiedliche Rechte. Letztere haben bislang gesiegt, denn diese Verlage melden sich für die Frankfurter Buchmesse gar nicht mehr an. Ob dies allerdings ein Sieg ist, ist ungewiß, denn wie man liest, besetzen diese rechten Kräfte die Massenmedien wie Tik Tok, die junge Leute ansprechen.

 

Boos war die Botschaft wichtig, die als rote Mahnung auf dem Plakat die Messe begleitet: Lesen, Denken, Reden. Warum auf Englisch, der deutschen Zweitsprache, mag man kaum mehr fragen. Schade ist es trotzdem. Es sind bei den über 1 000 Autoren und 650 Veranstaltungen auf der Messe ausreichend solche, die sowohl literarischen wie auch gesellschaftlichen Ansprüchen genügen. Es ist ein so tolles Angebot, daß man sich eigentlich von früh bis spät auf dem Messegelände einrichten kann. Nur schlafen muß man noch zu Hause oder im Hotel. Töricht, wer solche Veranstaltungen liegen läßt.

 

Neu und für unsereins, die dauernd Filme sieht und bespricht, wichtig, ist der Wiedereintritt der Buchmesse in den Hessischen Film- und Kinopreis. Es geht um SCREEN TO BOOK heißt es, gilt aber genauso für BOOK TO SCREEN. Den Preis der Buchmesse erhält also der Film, der entweder nach einer Buchvorlage als bester Film gilt oder der Film, nach dessen Erfolg ein Buch geschrieben und veröffentlicht wurde. Ausgewählt wurden drei Filme, von denen der Siegerfilm am Freitag der Buchmesse beim Hessischen Film- und Kinopreis ausgezeichnet wird. Unter den Nominierten ist auch der deutsche Film ELLBOGEN, der im September in den deutschen Kinos anlief und den WELTEXPRESSO am 6. September besprach https://weltexpresso.de/index.php/kino/32375-ellbogen

 

Alles Weitere folgt.

Fotos:
Torsten Casimir
©Redaktion

Info:
Frankfurter Buchmesse auf dem Messegelände vom 16.-20. Oktober 
www.buchmesse.de