Hanswerner Kruse
Fulda (Weltexpresso) - Es war der Abschied vom diesjährigen „Leseland Hessen“ in der Kapelle des Vonderau-Museums. Die Autorin Katja Lange-Müller beendete mit der Vorstellung ihres Buches „Unser Ole“ die immer gut besuchte kostenlose Veranstaltungsreihe.
Ein wenig klingt der Titel ihres Romans nach einem Kinderbuch, doch diese erste Einschätzung täuscht gewaltig. Für die Lesung hat die Schriftstellerin zunächst einige Kapitel und Auszüge gewählt, die in die Beziehungen der Protagonisten einführen und ihre Probleme beleuchten.
Ida packt ihre ganze Habe in einen riesigen Schrankkoffer, damit sie endlich die finstere kleine Bude in Berlin verlassen kann, die lange nur eine Notlösung war. Sie ist ein Model, das immer seltener gebucht wird, und darf zu Elvira ziehen, die sie bei einer Seniorenmodenschau kennengelernt hat. Diese ist die Oma von Ole, der auch bei ihr lebt, die neue Mitbewohnerin soll bei den Pubertätsproblemen des Enkels helfen. „Oh, das ist meine Spezialität“, übertreibt Ida und fragt sich, ob Elvira wohl lesbisch ist. „Doch damit komme ich schon klar“, glaubt sie.
Dann wird sie desillusioniert. Das neue Domizil ist ein rauputzartiger Würfel im Dorf unweit der Hauptstadt, „das letzte Loch im Berliner Speckgürtel.“ Der nahe See ist eine „Mückenbrutstätte“ und der Wald eine „mickrige Kiefernholzplantage.“ Langsam ahnt man auch, dass die Damen etwas älter sind, spätestens als Ida über ihre zähen Brüste lamentiert: „Mein ganzes Kapital.“ „Brüste mit vorsintflutlichen Silikonkissen“, meint ihr Arzt, „doch Sie sind nicht das einzige wandelnde Museum.“
Im nächsten Kapitel plötzlich ein Riesenkrach, dann Stille. Hausbesitzerin Elvira ist die Treppe heruntergestürzt. „Elvi, komm zu dir“, fleht Ida, doch Elvira starrt nur vor sich hin, und diese Starre überträgt sich auf sie. Sie weiß nicht, was sie tun soll. Dieser tödliche Sturz gibt der Geschichte eine unerwartete dramatische Wendung, doch die wird von Lange-Müller nicht verraten. Wir hören lediglich noch vom Auftritt Manuelas, Oles Mutter, die ihren seltsamen Sohn seit Jahren nicht gesehen hat.
Die Sprache der Autorin wirkt alltäglich, oft scheinen die Dialoge gewöhnlich, doch immer wieder gleiten sie ins Scharfzüngige, Skurrile oder Komische. Gerade Lange-Müllers Humor, der nicht bösartig oder denunziatorisch wird, mildert die eigentliche Schwere ihrer Erzählungen oder die Traurigkeit der Akteure. Ole ist Fußballfan, hat zwar keine Ahnung von diesem Sport, liebt es aber, wenn die Ultras seinen Namen rufen: „Ole-Ole-Ole-Oleee!“
Foto:
Hanswerner Kruse
Info:
Katja Lange-Müller "Unser Ole", Roman, gebunden, 24 Euro
(Der Verlag macht keine weiteren Angaben)