Leseland 0741Leseland in Fulda Teil 2

Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) - Über Goethe und die Frauen sprach die Wahlfuldaerin Sophia Mott im vorletzten „Leseland" und entführte das Publikum in das Liebesleben des Dichters. 
Und belehr’ ich mich nicht, wenn ich des lieblichen Busens Formen spähe, die Hand leite die Hüften hinab“, heißt es in dessen Römischen Elegien.


Doch wer eine Art „Fifty shades of Goethe“ erwartete, wurde an dem Abend etwas ernüchtert. Denn die These der Autorin ist, dass der behütet aufgewachsene, schüchterne junge Mann vermutlich bis zum 39. Lebensjahr nur wenig Sex hatte. Spitz meinte sie, dass gerade Männer diese Meinung bezweifelten, sie fühlten sich wohl in ihrer Ehre gekränkt...

Chronologisch erzählte Mott dann von des Dichters Frauengeschichten, las aus ihrem Buch oder unveröffentlichten Niederschriften. Strenggenommen ist „Goethe und die Frauen“ ein Sachbuch, doch In ihrem munteren Vortrag verschmolzen eigene literarische Formulierungen mit Zitaten des Poeten, biografische Details und Berichte von Zeitgenossen.

Mott sprach über viele Affären Goethes und immer taucht die Frage auf: „Hat er oder hat er nicht?“ Er lebte in keinem jugendlichen Umfeld, das ihn mit Prostituierten zusammenbrachte. Später hatte er eine entsetzliche, seinerzeit berechtigte Furcht vor Geschlechtskrankheiten. Wir lernen sein weibliches Idealbild kennen, ein frühes „Gretchen“ mit „stillen, treuen Augen und einem lieblichen Mund“ - die ihn jedoch noch als Kind empfand.

In Leipzig schwärmte er als jugendlicher Student für Käthchen, doch wie weit sie seine Zuneigung erwiderte ist umstritten, auf jeden Fall heiratete sie einen anderen. Die Pfarrerstochter Friederike Brion umsachwärmte er zunächst als "Unschukld vom Lande" Lande“, ihre ältere Schwester Sophie interessierte ihn weniger. .Doch zur Jüngeren fühlte er sich körperlich stark angezogen. Möglicherweise konnte sie ihm „das Letzte nicht verweigern“ und gab seinem Drängen nach. Doch er verließ sie - das „Heideröslein“ - nach dem Studium und kehrte nach Frankfurt zurück.

Seine Wetzlarer Liebe Charlotte Buff, Goethes erste Lotte, küsste den charismatischen Dichter zwar einmal. Aber sie entschied sich für den Beständigen, ihren Verlobten Kästner. Diese schmerzhafte Erfahrung verarbeitete er, wie viele seiner Geschichten, in „Die Leiden des jungen Werthers“, der ein europäischer Bestseller wurde.

Mit der Weimarer Lotte, Charlotte von Stein, verband ihn eine eher geistig-intellektuelle Beziehung, sie beeinflusste sein Leben und Werk nachhaltig. Sie war verheiratet, zog mehrere Kinder groß und war sicher nicht an erotischen Abenteuern interessiert. Doch plötzlich verschwand Goethe und machte seine „Italienische Reise“, auf die er sich lange gefreut hatte. Weimar war ihm zu eng geworden, 1786 verließ er heimlich die Stadt, um sich nicht von gesellschaftlichen Pflichten aufhalten zu lassen.

In Rom begegnete ihm die acht Jahre ältere deutsche Malerin Angelika Kaufmann. Die beiden entwickelten eine intensive Beziehung, ob Liebe im Spiel war ist nicht bekannt. Doch dann muss es nach einem Abstecher nach Neapel zu einer „Explosion der Erotik“ gekommen sein, so die Autorin Mott. Mit der fiktiven „Faustina“ aus der Römischen Elegie konnte sich Goethe endlich befreien und sexuell ausleben: „Mutter und Tochter erfreun sich ihres nordischen Gastes / Und der Barbare beherrscht römischen Busen und Leib.“ Die Elegien changieren zwischen Dichtung und Wahrheit, sind also aus wirklichen Erlebnissen gespeist. 

Zurück in Weimar nahm er dort seine Pflichten am Hof wieder auf und schrieb die Elegien. 1806 heiratete er Christiane Vulpius, nachdem sie vorher bereits viele Jahre zusammenlebten. 

Service:
Sophia Mott: Goethe und die Frauen, 144 Seiten, kartoniert, 20 Euro 

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© Hanswerner Kruse