Vorschläge zur Sommerlektüre, am Strand, zu Hause, beim Wein, Teil 1: Biographisches

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main  (Weltexpresso) – Zugegeben, das war Redaktionsbeschluß. Sonst hatten wir zu Weihnachten über Neujahr, wo Zeit zum Lesen bleibt, immer wieder die Bücher besprochen, die teilweise Jahre über liegengeblieben waren, obwohl sie so begehrt waren, daß sich unsere Redakteure sie zur Rezension extra bestellt hatten. Die zweite Lesezeit ist absolut der Sommer. Also los!

 

MADAME STRINDBERG

 

oder Die Faszination der Boheme, lautet der Titel aus dem Residenz Verlag, in dem Friedrich Buchmayr. Ach, was waren wir froh, daß wir gezwungen waren, diesen Lebensbericht über eine bekannte Unbekannte endlich zu lesen. Nein, das wußten wir nicht, daß Frida Strindberg die Tochter von Friedrich Uhl war, den wir als Theaterkritiker und Chefredakteur der Wiener Zeitung kannten. Kein Wunder, da lag der 1872 geborenen Friederike jemand wie der schwedische Dramatiker August Strindberg nahe. Der war zwar 23 Jahre älter, aber sie heiratete ihn vier Monate nach dem Kennenlernen. Nein, so schnell ging die Ehe dann nicht auseinander, sie dauerte immerhin vier Jahre! Aus den Ehejahren könnte man mehrere Bücher zusammenstellen ,mit dem Obertitel: Szenen einer Ehe. Sie aber hatte genug zu tun, die ehrenrührigen Behauptungen von Strindberg im Nachhinein zurechtzustellen. Beleidigte Männer sind eben, wenn sie Schriftsteller sind, noch einmal so boshaft, wie andere.

 

Das Buch bleibt nicht bei den Männern, mit denen sie als Geschlecht vor allem, wenn sie berühmt waren, viel zu tun hatte. Denn neben der Tochter Kerstin von Strindberg, hatte sie einen Sohn von Frank Wedekind. Frida Strindberg ist ein gutes Beispiel dafür, wie viel Kraft, Ideen und Durchhaltevermögen Frauen damals haben mußten, wollten sie mitmischen in der Kultur und nicht nur die Dämchen sein, mit denen die Herren Künstler schliefen.

 

Das Buch hat uns deshalb so gefallen, weil neben den Personen, eben oft Berühmtheiten, wir eine Reise durch die eine vergangene Welt erfahren, die uns anrührt. Derzeit, wo so viel vom Ersten Weltkrieg die Rede ist, lesen wir verblüfft, daß sich Frida Strindberg mit Gräfin Sophie Chotek schrieb, der Frau des Thronfolgers Franz Ferdinand, die noch vor ihrem Mann am 28. Juni in Sarajewo erschossen wurde. Sie schrieb sich auch mit Katharina Schratt, der Freundin des Kaisers Franz Joseph und traf diese. So entsteht für uns eine Welt, in der die heute getrennten Bereich von Politik, Gesellschaft und Kultur noch sehr viel homogener waren. Beeindruckend.

 

 

'ich lerne: gläser + tassen spülen'

 

heißt es bei Helene Weigel/Berthold Brecht in den Briefen 1923 – 1956 aus dem Suhrkamp Verlag . Aber Brecht schreibt auch: „Wirst Du dicker? Das freut mich,“ und vor allem „Schreib!“ Man fühlt sich schon mehr als ein kleines bißchen als brutaler Leser, wenn man die so intimen wie logistischen Aussagen der beiden liest. Letzteres bezieht sich darauf, daß viele der Briefe Brechts aus einer Batterie von Fragen besteht. Das fasziniert einen, weil man den Eindruck hat, daß er im Kopf (und auch im Herzen?) immer dabei ist bei der Frau, die er Ende 1923 kennenlernt und mit der er von 1930 bis zu seinem Tod 1956 verheiratet blieb. Die Österreicherin Helene Weigel starb 1971 in Berlin (Ost), wo sie das Berliner Ensemble, die Brecht-Bühne, geleitet hatte.

 

Der Briefwechsel führt uns anhand der beiden durch die Zeit, die durch den Nationalsozialismus geprägt war, negativ, durch Abgrenzung und dann so voller Hoffnung in die zu anderen Ufern aufbrechende DDR. Was wäre mit Brecht weitergeschehen, wenn er nicht so früh gestorben wäre, ist eine der Fragen, die sich aufdrängen, denn seine Sicht auf die Dinge sind klar. Und immer wieder kommt einem beim Lesen der Ausspruch des ebenfalls viel zu früh verstorbenen DDR-Dramatikers Heiner Müller in den Sinn: „Ohne Hitler wäre aus Brecht nicht Brecht geworden.“ Genauso gilt allerdings, daß ohne die Frauen, ohne seine Sucht nach Frauen, Brecht auch nicht Brecht geworden wäre.

 

Das neu gebrauchte Fremdschämen ergreift einem als in Westdeutschland Aufgewachsener bei dem Boykott, den diese Biedermänner, gegen Brecht auf westdeutschen Bühnen veranstalteten. Dies zu lesen, bringt auch die Erinnerung an den mutigen Peter Palitzsch zurück. Er hat – und das war eine revolutionäre Tat! - für diese verstockte antikommunistische Bundesrepublik Brecht als Bühnenautor zur Berühmtheit gebracht.

 

Dieser Briefwechsel kann nicht einfach so heruntergelesen werden. Wir brauchten zwei Jahre, weil so unglaublich viele Personen vorkommen, die man nicht immer kennt, die einen aber, ob man sie kennt oder erst kennenlernt, auf der Folie der Meinung der beiden total interessieren. Das könnte man nicht ohne Erdmut Wizisla leisten. Die hat nämlich diesen Lebensbriefwechsel herausgegeben und so kommentiert, daß wir dabei bleiben.

 

 

INFO:

 

Friedrich Buchmayr, Madame Strindberg oder Die Faszination der Boheme, Residenzverlag 2011

 

Bertolt Brecht/Helene Weigel, Briefe 1923-1956, 'ich lerne: gläser + tassen spülen', hrsg. von Erdmut Wizisla, Suhrkamp Verlag 2012