Max Bentows DAS HEXENMÄDCHEN als Buch bei Page & Turner, als mp3 im Hörverlag, Teil 2

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Männer werden im HEXENMÄDCHEN erst einmal bestialisch umgebracht. Denn kaum hat Kommissar Nils Trojan den Kopf des einen aus dem Ofen geholt, schmort schon der zweite und fortan geht es in Berlin um „die Ofenmorde“, bei denen zwar die Mordmethode dieselbe ist, aber zwischen den Toten keine Verbindung herzustellen ist, außer, daß sie Männer sind.

 

Dann verschwindet erst Sophie, dann auch noch Jule, die so dezidiert von der Hexe gesprochen hatten. Eine Hexe, die die Kinder in Träumen und in Wirklichkeit sehen, geistert durch das Buch und der Leser kann gar nicht anders, als das so unterschiedliche Szenarium des Buches von alleinerziehenden Müttern und Vätern, ihren fehlenden Kindern, ermordeten Männer als Anspielung auf HÄNSEL UND GRETEL zu verstehen, denn die Hexe schürte ja das Feuer, in dem sie die Geschwister rösten wollte, und in die sie dann Hänsel selbst hineinstößt. Nur wer ist diese Hexe, die von den Kindern als alte häßliche Frau geschildert wird?

 

Tatsächlich taucht dann eine alte häßlich Frau auf, die uns dann besonders verdächtig vorkommen muß, doch zu offensichtlich ist diese dem Leser und er hat recht: sie wird auch ermordet. Denn längst sind den Männern die Frauen gefolgt. Dabei gibt es auch so mancherlei erotisch-sexuelle Verwicklungen, die Autor Bentow beginnen läßt oder aus der Retrospektive erzählt, doch dann, geht die Liebesgeschichte nicht weiter. Denn die eine oder der andere sind tot. Opfer der Hexe.

 

Also, lieber Max Bentow, das ist schon ein bißchen viel Stoff, sind ein wenig zu viele Personen, auch zu viele so unterschiedliche Tote: Männer, Frauen und Kinder und auch eine Menge Vergangenheit, mit der wir uns nun beschäftigen müssen. Das wäre wirklich eine Kritik. Man behält zwar den Überblick, das schafft der Verfasser durch Verwandtschaftsverhältnisse und Liebschaften so nebenbei, aber es kommt doch so einiges zusammen, was man erst einmal verdauen muß, auch in der Analyse. Sind gewisse Männer Pädophile? Und wo fängt diese an und hört sie auf? Ist die Hexe darauf aus, Kinderschänder ans Messer, will sagen: dem Ofen zu liefern? Aber was ist dann mit Grit los, die den Comiczeichner anrührt, den sie anschreibt und sich mit ihm trifft?

 

Ihr Anlaß sind seine Zeichnungen im neuen Comic, die aber – und das erfahren wir erst ganz am Schluß – den Vorlagen seiner Tochter entspringen. Die Tochter ist Jule. Aha. Da haben wir endlich einen Zipfel, den es zu verfolgen gilt, um den Preis, daß wir bisher Verdächtigte in ihre berechtigte Unschuld sausen lassen. Ja, Max Bentow macht es dem Leser und der Hörerin sehr schwer, sich an der Aufklärung der Ofenmorde, die längst zu Taschentuch-im-Rachen- Morde geworden sind – tatsächlich eint dies all die vielen, viel zu vielen Tote im Roman - , sich an der Mordaufklärung zu versuchen.

 

In der Tat klärt sich die Identität der Hexe wirklich erst ganz am Schluß und dann auch noch so, daß alle Stränge des Romans wirklich in einen laufen, der als Faden der Ariadne uns dann das Labyrinth verlassen hilft. Aber ein wenig düpiert sind wir schon, ist doch diese Figur als Symbol Hexe schon allgegenwärtig, als wirkliche Person jedoch im Roman nicht existent, regelrecht verschleiert gewesen. Auch dieses meinen wir durchaus kritisch. Vor allem aber, daß wir zwischen tödlicher Kritik an Pädophilen oder aber echtem Kindesmißbrauch als Mordmotiv hin- und herschwanken müssen auf unsicherem Boden und auch nach der Lösung die psychologische Herleitung arg grobgestrickt ist.

 

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Aber, was erwartet man von einem Psychothriller? Wir auf jeden Fall hatten direkt nach dem Hören, ja, bis Trakt 40, dann nur noch Gelegenheit sofort weiterzulesen, obwohl andere Arbeiten warteten. Und was taten wir? Gegen jeden Sinn und jede Vernunft uns aus dem Leben stehlen und einfach lesen. Einfach durchlesen, bis alles zu Ende war. Wir konnten nicht anders. Und das ist für den Autor Max Bentow eine phänomenale Kritik.

 

Darum gilt: Wer für nicht so wenige Stunden alles andere vergessen will und sich danach neu erfinden will, der ist der richtige Leser, die richtige Hörerin für DAS HEXENMÄDCHEN von Max Bentow.

 

P.S. I:

Ach so, das Privatleben von Nils Trojan bleibt schwierig. Dazu braucht man die Vorgeschichten nicht, das erklärt sich alles von selbst. Es nimmt nicht wenig Raum ein und da die Liebste eine Psychologin ist, hilft sie ihm mit ihren Methoden weiter.

 

P.S. II:

Wir taten uns wieder einmal schwer, die Hörbuchstationen im Buch schnell aufzufinden. Gut, dadurch nimmt man manches noch einmal wahr, was kein Fehler ist – und umgekehrt ist es ja nicht besser, wenn man vom Buch ins Hörbuch zurücksteigen will. Da wir aber durch Leserbriefe wissen, daß nicht nur wir so verrückt sind, Buch und Hörbuch aus sozusagen technisch/logistischen Gründen zu mixen, wären inhaltliche Verweise sehr sehr leser-hörerfreundlich!!

 

 

 

INFO:

 

Der Berliner Max Bentow hat seinen – ebenfalls Berliner - Kommissar Nils Trojan schon drei Romane hindurch begleitet: DER FEDERMANN, DIE PUPPENMACHERIN und DIE TOTENTÄNZERIN. Alle im selben Verlag herausgekommen, alle als Hörbücher im Hörbuchverlag.

 

Max Bentow, DAS HEXENMÄDCHEN, Psychothriller, 381 Seiten, Page &Turner,

 

DAS HEXENMÄDCHEN als Hörbuch mp3 im der Hörverlag, vollständige Lesung, gelesen von Axel Milberg, Gesamtlaufzeit ca. 9 Stunden 23 Minuten