Max Bentows DAS HEXENMÄDCHEN als Buch bei Page & Turner, als mp3 im Hörverlag, Teil 1

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Ob wir ohne die Stimme von Axel Milberg den Psychothriller dann noch in einem Rutsch durchgelesen hätten, wissen wir im Nachhinein natürlich nicht. Auf jeden Fall bereitet er mit sanfter und völlig unaufgeregter Stimme die verschiedenen Stränge im Buch so vor, daß man atemlos verfolgt, was sich am Schluß in der Lösung: Wer ist der Mörder? bündelt.

 

 

Daß wir mit der mp3 CD angefangen hatten, lag an den Gegebenheiten und immerhin hatten wir über Stunden, bis Trakt 40, dann Gelegenheit, das Geschehen in unser Ohr, Hirn und Gemüt tröpfeln zu lassen. Mit einer schaurigen Vorgeschichte beginnt es. Ein Mädchen stolpert nachts durch den Schneewald. „Doch obwohl sie noch ein Kind war, verstand sie: Ließe sie sich fallen, wäre alles vorbei. Die Schneedecke war ein Leichentuch. Also mußte sie weiterlaufen.“(Seite 7) Das Mädchen wird durch einen Autofahrer gerettet, denkt man , der sie fragt, woher sie in dieser nächtlichen Stunde im Wald herkomme: „Ich war bei der Hexe. Tief im Wald.“ ist ihre Antwort.

 

Diese Hexe treibt es nun im Krimi allzubunt, ach was, obergrauslich. Denn seit wann wird eine Hexe zum Massenmörder, zum Serienkiller? Seit Max Bentow? Aber nein, der Hexe wohnt als symbolische Kraft seit jeher ihre Zwittrigkeit inne, wollten wir so dahinschreiben, und meinten damit, das Gute und das Böse. Die gute Hexe ist uns genauso geläufig wie die böse Hexe in Hänsel und Gretel, die mästet, um zu verzehren. (Nur Angelina Jolie gelingt es in Film MALEFICENT die böse Hexe zu einer guten zu machen). Aber als wir Zwittrigkeit wie von alleine dahingeschrieben hatten, fiel uns erst auf, Wie sprachlich das Unterbewußtsein wirkt, waren wir doch zentral auf das sich am Schluß auflösende Problem zugesteuert! Denn Zwittrigkeit meint als Wort auch Hermaphroditismus, das gelehrte Wort für eine doppelgeschlechtliche Identität, wo sich körperlich/seelisch die Eigenschaften vom Götterboten Hermes und der Göttin der Schönheit Aphrodite mischen.

 

Da wäre wir aber aus Versehen gleich schon am Ende des Thrillers. Das dürfen wir mitnichten verraten, denn zuvor muß der Berliner Kommissar Nils Trojan in seinem vierten Fall, den Max Bentow niederschreibt, durch viel Blut waten, und mit furchtbaren Bildern von Ermordeten leben, die seinen Kopf nicht mehr verlassen. Dabei ist dieser Kommissar keiner von den knallharten, sondern einer von den empfindsamen Kerlen, denen ihre Arbeit aufs Gemüt schlägt, was sich bei ihm noch immer in Panikattacken äußert. Seine Tochter Emily, die gerade wieder einmal bei ihm lebt, weil die geschiedene Mutter einen neuen Liebhaber hat, macht sich die größten Sorgen, als er wegen Verdacht eines Herzinfarkts ins Krankenhaus eingeliefert, dort keinen medizinischen Befund hat, von seinem Chef Landsberg wegen eines Mordes angerufen, sofort aus dem Krankenhausbett an den Tatort eilt.

 

Echt. Und das ist untergründig das Gute an diesem oft stark konstruierten und verwickelten Krimi, das ehrliche Bemühen und den nicht nachlassenden Eifer der Kriminalpolizei zur Aufklärung der Morde mitzuerleben. Da gehen die Kommissare buchstäblich über Leichen, um ihren Fall zu verfolgen, und die Leichen sind dann meist sie selber, denn psychische Leichen gibt es auch. Die Morde selbst gehen in unterschiedliche Richtungen, was den Leser so verwirrt, wie anspornt, dahinterzublicken. Auf der einen Seite gibt es Mädchen, das namenlose vom Prolog wurde ja schon genannt. Dann fängt die eigentliche Handlung mit Ronja an, ein tapferes kleines Ding, das durch Klugheit wenigstens sich rettet, als ein Unsichtbarer ihren Vater mordet. Sein Kopf im Backofen, ein Taschentuch im Rachen. Herzinfarkt, hier ein wirklicher, war übrigens Todesursache, denn der Mörder hatte den Gefesselten zwar im Gasofen angekokelt, aber umsichtig die Flamme wieder ausgedreht, damit der Tote gefunden werde. Daß Emily des Trojans schon größere Tochter ist, wissen wir auch schon. Aber die Kleinen, Sophie und Jule, die so gerne miteinander befreundet sein möchten, lernen wir erst kennen. Es sind Hexengeschichten, die beide miteinander verbinden und die in der Schneekugel kulminieren, die Jule mitbringt.

 

Darf ich?“ fragte Sophie zaghaft und Jule reichte sie ihr. Schon begann Sophie die Kugel zu drehen, und die Flocken darin stoben auf und tanzten. In dem Glas befand sich ein kleines Lebkuchenhaus und davor stand eine noch kleinere Figur, unverkennbar die Hexe. Sie war alt, böse und bucklig und das Mädchen daneben konnte niemand anderes sein als Gretel.“ (Seite 31) Und während wir noch Hänsel vermissen, fragt Sophie schon: „Wo ist eigentlich Hänsel? Da sind nur Gretel und die Hexe drin“. (Seite 31)

 

Damit sind wir beim zentralen Problem dieser geschilderten Welt: Wo sind eigentlich die Männer? Und was sind das für Männer? Fortsetzung folgt.

 

 

INFO:

 

Der Berliner Max Bentow hat seinen – ebenfalls Berliner - Kommissar Nils Trojan schon drei Romane hindurch begleitet: DER FEDERMANN, DIE PUPPENMACHERIN und DIE TOTENTÄNZERIN. Alle im selben Verlag herausgekommen, alle als Hörbücher im Hörbuchverlag.

 

Max Bentow, DAS HEXENMÄDCHEN, Psychothriller, 381 Seiten, Page &Turner,

 

DAS HEXENMÄDCHEN als Hörbuch mp3 im der Hörverlag, vollständige Lesung, gelesen von Axel Milberg, Gesamtlaufzeit ca. 9 Stunden 23 Minuten