Benjamin Lapp
Bischoffen/Hessen (Weltexpresso) -
Mit der Beklemmung des Augenblicks wird es immer zweifelhafter, ob dieser krakeelende Ort noch derjenige unseres inneren Frieden sei, oder ob er es jemals war.
So viel Zeit ist verstrichen, seit wir unsere Kraft darauf verwendet, in aller Stille und am Wegesrand der Geschichte, tiefe Schächte in unser Innerstes hinein zu graben, um durch die Sedimente der Aufarbeitung, bis an die Wurzeln aus Leid und Schmerz zu gelangen, die uns zu jenen machten die wir nun sind.
Als wir jedoch die Köpfe wieder erhoben, ging ein Wandel der Zeit über uns hinweg und ließ erkennen, wir sind mit unserer Trauer allein zurückgelassen. Denn mit dem Impetus der moralischen Überlegenheit, wurde schlafwandlerisch eine Reise wieder aufgenommen, ohne einen Blick des Lernens zurückzuwerfen, warum passierte, was niemals hätte sein dürfen.
Doch die Toten im Rückspiegel verweigern sich unaufhörlich zur bloßen Monstranz einer entkernten Erinnerungskultur zu werden, und mahnen beständig mit grollenden Ton uns Angehörige vor einem Unglück, das erneut droht aufzuziehen. So trägt jeder, unter seelischer Belastung ausgestoßene Atemzug eine allumfassende Elegie der Verantwortung in sich.
Es ist alles so befremdlich geworden, und vielleicht liegt unser Versagen gegenüber den Toten wirklich gerade darin begründet, dass es uns doch schon viel eher hätte alarmieren müssen, wie viele neue Kursberechnungen auf einer offenkundigen Einbahnstraße, hinweg vom unvorstellbaren Verbrechen, hin zu einem glaubhaften 'Nie wieder', möglich waren.
So wenig Zeit ist verstrichen, seit der Hass nur ruhte. Und bei all dieser lärmenden Geschichtsvergessenheit musste es wahrscheinlich einfach passieren, in einer Wiederkehr des unfassbar Makabren, dass erneut verödete Landschaften durchquert werden, aus deren rissigen Böden toxische Dämpfe, des ewig gärenden Faschismus, drohen uns die Luft zu rauben.
Mit der Traurigkeit dieser Einsicht wird es immer offenkundiger, dies wird wahrscheinlich nie der Ort werden, wo wir den für uns notwendigen Frieden finden werden.
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Info:
Wir bekamen folgenden Vorschlag, den wir gerne direkt umsetzten. Die Redaktion
Liebe Weltexpresso-Redaktion,
mein Name ist Benjamin Lapp, komme aus Bischoffen/Hessen und bin Lyriker. Der Rechtsruck in
diesem Lande nimmt immerbesorgniserregendere Formen an. Aus diesem Kontext heraus habe ich ein Gedicht geschrieben, in welchem ich auch die eigene Familiengeschichte verarbeitet habe. (meine Urgroßmutter wurde in das KZ Auschwitz verschleppt).
Vielleicht wäre es ja etwas für ihre Zeitschrift.
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Lapp