eisiges glas taschenbuch anders de la motteLeonore Askers besondere Fälle, Droemer Verlag

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „Bitte nicht vor dem 2. Dezember 2024 rezensieren“, steht auf der ersten Umschlagseite des Leseexemplars. Bitte sehr! Was soll das sein, eisiges Glas? Das interessiert dann beim Lesen der 569 Seiten überhaupt nicht mehr, denn, das muß man dem Autor wirklich zugestehen, ihm gelingt ein spannender Krimi, der zudem persönliche, private Aspekte der beiden Antipoden: Verbrecher und polizeiliche Verfolger gekonnt mit der eigentlichen Krimihandlung verbandelt, so daß beim Lesen eine geballte Ladung auf sie zukommt!

 

Kriminalinspektorin Leonore, Leo genannt, Asker ist die geheime Heldin in ihrem zweiten Fall, der in tiefer Neigung, aber bisher als Freundschaft aus Kindertagen Martin Hill immer wieder zur Seite steht und er ihr! Hill ist so einer, den eine Krimirezensentin auch gerne kennen täte, ein erfolgreicher Autor mit Vergessene Orte und ihre Geschichten und Lehrer an der der School of Architecture. Allerdings hat er gerade einen Anschlag auf sich gerade so überlebt, zudem ihm eine künstliche Herzklappe verpaßt wurde, die bei Aufregung echt zu klappen anfängt. Und Aufregung wird es genug geben.

 

Der Autor hat im Leseexemplar ein Grußwort vorangestellt, das die Dienststelle von Leo näher erklärt, was auch nötig ist. Man kennt ja inzwischen längst die Abteilungen für cold cases, in die meist die besonders kreativen und von der Dienstaufsicht nicht so kontrollierbaren Polizeikräfte abgeschoben werden. Seit dem Auftreten des Vizekriminalkommissars Carl Mørck mit seinem syrischen Immigrantenassistenten Hafez el-Assad, die Jussi Adler Olsen 2007 weltberühmt machte, einschließlich eindrucksvoller Verfilmungen, nehmen die Sondereinsatzzentralen in den Krimis zu. Hier nun geht es um eine „Abteilung für hoffnungslos Fälle und verlorene Seelen“, also gleichermaßen die Verbindung von seltsamen Fällen und polizeilichen Abschußkarrieren. Dahin also wird Leo Asker als Leiterin abgeschoben und es dauert doch viele Seiten, in denen sie erst einmal alleine ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten für den Fall nutzt, bis sie ihre eigenen Leute auf die Reise schickt, so daß ein glorioses Ende die Bösewichter zu Fall bringt.

 

Und hier fährt der Autor Brisantes auf. Urban Exploration, UrbEx, nennen sich diejenigen, die verlassene und verfallende Gebäude erkunden, sozusagen eine moderne Archäologie, die besonders junge Männer in Bann schlägt, warum auch gleich zu Beginn zwei mit ihrem Leben für ihre Neugierde bezahlen müssen. Die Insel auf dem See, von dem es heißt, er sei als Krater durch einen Meteoriteneinschlag entstanden, beherbergt im verlassenen Observatorium Unheimliches, zumal der Besitzer der ganzen Gegend, Gunnar Irving mit der Firma Alfacent, mit technischen Erfindungen schon in der Welt von morgen lebt. Sein Ziel ist es, Menschen durch Unterkühlung und einem speziellen Mittel, auf Zeiten in Glaskörpern zu konservieren, bevor sie aufgetaut, weiterleben können. Und er fängt mit den ersten schon an…

 

Doch das wissen Leo und Martin erst am Schluß, einem furiosen Count down. Denn der schriftstellernde Martin wird erstmal für ein Buch über Firma und Besitzer angeheuert und in einem Haus auf dem Anwesen untergebracht. Leo kommt deshalb ins Spiel, da ihr Vater, der manipulative Prepper-Per, von dem sie 15 Jahre nichts gehört hatte, für den Mörder eines gerade unter einer Müllhalde gefundenen, gut konservierten Toten gehalten wird, ausgerechnet von ihrem sich als Konkurrent empfindenden, sie begehrenden Chef der Mordkommission. Im eigenen Interesse muß sie ihrem Vater helfen und tut das auch, der nun gleichzeitig alle foppt, was der Leserin Spaß macht, weil er wirklich nur irre kontrollsüchtig ist, hier aber kein Verbrechen verübt. Denn auch dieser Tote gehört in den Komplex Irving/Alfacent, um den es geht, wo Familien- mit Forschungsgeschichten amalgamieren. Daß es um mehrere Leichen geht und denen die Augen fehlen, sei hinzugefügt, die nordischen Krimis sind halt immer besonders gewalttätig. Dann kommen aber noch die Außerirdischen dazu, zumindest diese Art fliegender Untertassen, diesen mysteriösen rundlichtigen Scheiben.

Doch das eigentlich Movens der Krimihandlung ist das, was der Rana Sylvatica vormacht, ein Waldfrosch, den man besser Eisfrosch nennt, denn er kann bis zu minus 20 Grad Celsius überleben, in dem vorübergehend dessen Gehirnfunktionen ausgeschaltet werden. Was ein Frosch kann, kann doch ein Mensch schon lange! Oder?

 

Foto:
Umschlagabbildung

 

Info:
Anders de la Motte, Eisiges Glas, Leonore Askers besondere Fälle, Droemer Verlag 2.12. 2024
ISBN 978 3 426 30955 1

 

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