slow houseEin Fall für die Slow Horses, Diogenes Verlag

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist der siebte Krimi um diese Versagertruppe, die lahmen Gäule des britischen Geheimdienstes, die uns immer noch gut unterhalten, auch wenn den Reiz des Besonderen inzwischen doch Abnutzungsspuren sehr mildern. Und auf jeden Fall die Klassifizierung der Dresdner Neuesten Nachrichten, die auf der inneren Umschlagseite steht, einfach nicht stimmt!: „Besser als John le Carré.“ Das nun doch nicht.


Also von vorne. Das kennt jeder, daß Leute, die eben noch auf der Karriereleiter nach oben strebten, durch berufliche oder private Verfehlung oder auch nur Fehleinschätzung in ihrer Karriere den Boden unter den Füßen verlieren, ausgesondert oder abgeschoben werden. Da hat sich der britische Geheimdienst M15 – das ist im Unterschied zum M16, der fürs Ausland zuständig ist, der Inlandsgeheimdienst, der allerdings auch für’s damals noch vorhandene Empire zuständig war – etwas Besonderes ausgedacht: ein eigenes Haus, das Slow House, in das die Abgehalfterten, sonst ins Abseits Geschobenen oder Frühpensionierten Alibiaufträge erhalten. Denen ist außerdem der rülpsende, dauerfurzende, -rauchende , -trinkende Jackson Lamb als Chef vorgesetzt, was dieser weidlich ausnutzt – und der Autor auch! Wohltuend spielen dessen extraordinäre Züge in diesem Krimi zwar noch eine Rolle, aber nicht mehr so exzessiv nervend.

Alle Insassen aufzuzählen oder gar zu beschreiben, sprengt den Rahmen, aber zwei Slow Horses werden zu Hauptpersonen; das Wiederauftauchen  der doch eigentlich ermordeten und für tot erklärten Sid Baker ist wesentlich, die hilfesuchend bei River untergeschlupft ist, der inzwischen das Haus seines verstorbenen Großvaters, verdienter Geheimdienstler, geerbt hat, aber normalerweise in seinem schäbigen alten Zuhause weilt. Denn eigentlich wollten die Bösen, das sind diese Russen,  ihn entführen und ermorden, finden dort aber Sid vor, die sie gleich mal mitnehmen. Und das kann River natürlich nicht zulassen, der clever den Entführern auf die Spur kommt. Diese Verfolgung steht im Mittelpunkt des Krimis und geht übel aus. Für die Richtigen, das heißt, die falschen Fufziger.

 

Und jetzt wirklich von vorne. Die Kasan-Episode ist eine Umschreibung der Reaktion des M15 auf Giftanschläge des russischen Geheimdienstes, die 2018 real Sergei Skribal und seiner Tochter in London galten und hier verwurstelt werden, was der M15 entlarvte und in Rußland zuschlug, woraufhin wieder die Russen reagierten. Um diese Reaktion geht es jetzt, denn sie richtet sich – leider unterstützt, weil zugelassen von der Chefin des M15, Lady Di genannt – diesem unwichtigen Außenposten des Geheimdienstes, dem Slough House, das einfach mitsamt den Beschäftigten aus den Akten eliminiert wurde und leider auch zwei der Mitglieder in den Tod beförderten. Und jetzt sind alle anderen auch gefährdet und haben mit Recht Angst. Doch wohin können Sie sich retten? Und auch wie, denn Sie sind doch auch als Ungefährdete jederzeit unfähig, das Richtige zu tun.

 

Dieses Durcheinander, in dem sich die verfolgten abgeschobenen Geheimdienstler, für die sich das offizielle London schämt, geradezu suhlen, ist verzweifelt normal. Genauso wie den gesellschaftlichen Wichtigtuern und denen, die ihre gesellschaftliche Position nur für sich selbst ausnutzen hier der Marsch geblasen wird, solche Damien Cantors und Peter Judds, soziale Aufsteiger einerseits, immer noch durch Geburt in Anspruch genommene Privilegienabschöpfer andererseits, gesellschaftlich von gestern, aber auf der Insel immer noch greisenhaft lebendig.

 

Aber das Besondere an diesen Krimis ist ja auch die Art und Weise der Darstellung, der Ton genauso wie die Plots und politischen Anspielungen, die wir alle verstehen. Fast auf jeder Seite gibt es Beispiele für das Gewitzte, das diese Krimis auszeichnet. Und da ist es dann fast egal, um was es geht, weil das Drumherum einen immer noch amüsiert.


Foto:
Umschlagabbildung

 

Info:
Mick Herron, SLOUGH HOUSE. Ein Fall für die Slow Horses, Diogenes Verlag 2024
ISBN 978 3 257 30111 3