Verfilmung des Politthrillers von John le Carré kommt im September
Hanswerner Kruse
Schlüchtern (Weltexpresso) - Wir stellen heute den Politthriller „Marionetten“ aus dem Jahr 2008 von John le Carré vor, der im letzten Jahr verfilmt wurde. Erneut vor, muß man sagen, denn unsere Redaktion gehört zu den Bewunderern des alten Meister, der perfekt Deutsch spricht und der diesen Roman meist in Hamburg spielen läßt. Geben Sie in der Suchfunktion auf dem Titel seinen Namen ein ...und Sie werden staunen.
Unter dem Originaltitel „A Most Wanted Man“ kommt „Marionetten“ am 11. September in die deutschen Kinos - dem Tag, an dem in New York islamistische Terroristen vor dreizehn Jahren das World Trade Center zum Einstürzen brachten.
Im Buch macht Carré früh deutlich und lässt Günther Bachmann, den Chef einer fiktiven deutschen Sondereinheit, sagen: „Der elfte September hat nicht nur einen Ground Zero hinterlassen, sondern gleich zwei. Der eine Ground Zero war in New York. Der andere Ground Zero, von dem man nicht annähernd so viel hört, war hier in Hamburg.“ Denn aus der Stadt kamen seinerzeit die Attentäter, die von den zahlreichen in- und ausländischen Geheimdiensten nicht enttarnt wurden. „Hamburg hatte es verbockt. Alle anderen hatten es genauso verbockt, aber Hamburg bezog die Prügel“, so Bachmann.
Als der tschetschenische Flüchtling Issa illegal in der Hansestadt auftaucht, wird er sogleich von den zahlreichen geheimen Diensten in der Stadt entdeckt und als gefährlicher Terrorist verfolgt. Das Trauma des seinerzeitigen Versagens leitet das klischeehafte Denken und Handeln fast aller Spürnasen: Wenn sie aus Trotteligkeit den Beschatteten aus den Augen verlieren, macht ihn das gerade zum professionell handelnden Terroristen. Die harmlosen Leute, zu denen er Kontakt sucht, werden gerade als „Schläfer“ besonders verdächtig: Sie können nur heimliche Islamisten sein, die auf ihren gewaltsamen Einsatz warten. Zwielichtige russische und türkische Geheimdienste liefern „Geständnisse“ Issas, die ihn dafür fast zu Tode folterten. Dennoch dienen sie dem Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem britischen Secret Service und der amerikanischen CIA als Bestätigung ihrer wahnartigen Ideen.
Nur die junge engagierte Rechtsanwältin Annabell Richter versucht dem illegalen Flüchtling zu helfen, der als strenggläubiger Muslim ein Millionenerbe seines russischen Vaters antreten könnte. Doch Issa möchte in Ruhe leben und will das schmutzige Geld des russischen Kriegsverbrechers Karpow nicht, das in einer Hamburger Bank deponiert ist. Von den geheimen Schnüfflern möchte leidlich der eigensinnige Bachmann wirklich herausfinden, was Issa eigentlich will. Er legt sich mit allen anderen Diensten an, die Issa sofort festnehmen oder liquidieren wollen – und sich gegen Bürgerrechte und für die angebliche Sicherheit entscheiden. Nach einem Deal mit den anderen geheimen Organisationen und im Wettlauf gegen die Zeit versuchen Bachmann und die Anwältin Issas Aufenthalt in Deutschland zu legalisieren…
Einige unerwartete Wendungen und der Schluss des Politthrillers werden hier nicht verraten. Doch am Ende des Buches stellt sich heraus, dass alle Beteiligten lediglich Marionetten in einem undurchsichtigen Intrigenspiel der internationalen Geheimdienste waren. Wie immer vermeidet Carré grobe Klischees und Schwarz-Weiß-Malerei. Durch die glaubwürdige Figur des kritischen Günther Bachmanns bekommen das Individuum und seine Wahrheitssuche großen Raum. Im Gegensatz zum Film ist das Handeln der wichtigsten Romanfiguren psychologisch und im sozialen Kontext fein und ausgiebig herausgearbeitet. Der empfehlenswerte Politthriller ist sehr spannend erzählt und dennoch „echte“ Literatur. Carré ist ein sehr bildhafter Erzähler, deshalb lässt sich dieses eigenständige Werk auch sehr gut vor oder nach einem - möglichen - Filmbesuch lesen.
Info:
Unser Geburtstagsgruß zum Achtzigsten:
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/141-der-bessere-deutsche
John le Carré „Marionetten“, Neuausgabe zum Film (Taschenbuch), Ullstein-Verlag, 368 Seiten, 9,99 Euro
