Verleihung des Leo-Perutz-Preises der Stadt Wien am 10. September 2014, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – Weit sind wir nicht gekommen und haben bisher von den fünf Nominierten für diesen Krimipreis nur Eva Rossmanns MÄNNERFALLEN kurz vorgestellt. Das wollen wir auch bei Anne Goldmanns LICHTSCHACHT bei Argument/Ariadne so halten, wo wir uns zudem auf die KrimiZEIT-Bestenliste Juli 2014 berufen können, wo sie auf Anhieb Platz 5 einnahm.

 

Damals schrieben wir im Juli: Auch Platz 5 ist von einer Neuen besetzt: die Wienerin Anne Goldmann legt mit Lichtschacht, wieder einmal von Argument/Adriadne, ihren dritten Kriminalroman vor. Da geht es um eine Geschichte, die man im Kopf sofort als Film von Hitchcock ablaufen läßt. Laura kommt aus der Provinz in das weltläufige Wien und sieht, wie vom Dach gegenüber eine junge Frau herunterstürzt, das war doch ein Stoß, oder war alles nur ein Schatten und ihre überhitzte Phantasie machte einen Mord daraus? Denn es fehlt die Leiche. Klingt doch gut. Mehr das nächste Mal.

 

Und beim nächsten Mal im August waren wir dann ganz schön begeistert und beleidigt zugleich: das Buch gefiel uns, doch es war nicht mehr auf der Liste. Schön, daß es nun im angestammten Wien eine neue Chance hat. Wir zitieren unsere Autorin Elisabeth Römer: „Also: Die äußere Handlung ist einfach zu beschreiben. Da sieht eine junge Frau, die in der Wohnung einer reichen Freundin, die in der Welt unterwegs ist, in Wien wohnen darf, wie auf der Straßenseite gegenüber ein Mann mit zwei Frauen auf dem Dach sitzt, auf einmal fehlt eine Frau. Wo ist sie? Allerdings sieht unsere Protagonistin alles nicht so genau, was am meisten daran liegt, daß sie die in der Wohnung gefundenen Haschzigaretten kifft.



Aus dieser Ausgangssituation entwickelt sich ein Szenario, in dem es zum einen darum geht, was gesehen, was eingebildet sein kann, zum anderen, wie Dritte mit solchen Situationen umgehen, wo Lena, so heißt die junge Frau, sich immer stärker gewiß wird, daß sie einen Mord beobachtet hat. Allerdings fehlt die Leiche. Wer schlau ist, weiß schon jetzt, daß der Titel LICHTSCHACHT seine Berechtigung hat. Das Netz zieht sich zusammen, in dem Lena sitzt, denn sie verteilt freigiebig ihren Verdacht vom Mord an dieser unbekannten Frau, was damit korrespondiert, daß in diesem besagten Haus gegenüber eine junge schöne Frau, die die Geliebte des Mannes war, der auch dort saß, verschwunden ist. In Urlaub weit weg gefahren, heißt es. Und diesen Mann identifiziert Lena erst nach längerem Überlegen.



Weshalb der Hausmeister eine besondere positive Rolle spielt, ist eines der netten menschlichen Erlebnisse, die Anne Goldmanns Roman wirklich zu einem Wienroman machen, denn stärker noch als Orte und Ortsbezeichnungen sind es die menschlichen Verhältnisse, die eine Stadt anschaulich und typisch machen. Das gilt auch für Lenas Beziehungen zu anderen, wobei eine junge ansehnliche Frau unter ihren Verehrern wählen kann, das finden wir als Leserin gut, müssen uns dann aber fragen, ob die liebe gute, eine wenig naive Lena die richtige Wahl getroffen hat oder ob sie nicht zufällig auf den Mörder gestoßen ist. Denn einen Mörder gibt’s zum Schluß wirklich, den wir natürlich nicht verraten.



Wir auf jeden Fall wünschen LICHTSCHACHT sein Wiederauftauchen im September. Das ist übrigens auch eine schöne Zeit für Wien.“



Na, da haben wir doch unbewußt schon auf den Leo-Perutz-Preis Bezug genommen, kann man unsere antizipierende Schreibe nur interpretieren. Und nun zu den Männern auf der Nominierungsliste, die wir auch noch einmal abdrucken:



  • Benvenuti, Jürgen, Schrottplatz Blues. Falter
 Verlag, ISBN 978-3-854395089

  • Fian, AntonioDas Polykrates-Syndrom. Droschl Verlag, ISBN 978-3-854209508

  • Goldmann, AnneLichtschacht. Argument Verlag, ISBN 978-3-867542203

  • Rossmann, Eva, Männerfallen. Folio Verlag, ISBN 978-3-852566290

  • Slupetzky, StefanPolivka hat einen Traum. Kindler Verlag, ISBN 978-3-463400808



Stefan Slupetzkys POLIVKA HAT EINEN TRAUM aus dem Kindler Verlag kennen wir noch nicht, wissen nur, daß er gut schreibt und daß er den allerersten Perutz Preis 2010 erhalten hatte. Tja – und mit Jürgen Benvenutis SCHROTTPLATZ BLUES aus dem Falter Verlag tun wir uns einigermaßen schwer. Dabei hatten wir uns auf diese komplett überarbeitete Neuausgabe aus dem Jahr 1996 auch deshalb gefreut, weil der Autor, 1972 in Bregenz geboren, als Sänger einer Hardcore-Band (doch, doch, das wirkt sich im Buch durch das Hören spezieller Platten aus!) und als Schreiber in der Welt ganz schön herumgekommen ist und schon elf Romane veröffentlicht hat.

 

Es geht um Ben Poller, der – wohl wie der Autor – viel in der Welt unterwegs war und nun zurückgekehrt ist nach Wien. Allerdings – hoffentlich anders als der Autor – ein merkwürdiges, recht freudloses Dasein fristet und sich seine Kicks von seiner Beschäftigung auf einem Schrottplatz holt. Die allerdings sind ganz schön vergeblich, denn er soll die abgelieferten Geräte wieder funktionsfähig machen, was selten gelingt. Die Eisenstange allerdings, die er dort abmontierte, weil er sie zu Hause einbauen will, leistet gute Dienste, als ihm jemand ans Leder will: pautz, schon hat der andere sie übergebraten und liegt am Boden.



Am Boden liegen so allerhand, mal im erotischen Nahkampf, mal im Überlebenskampf. Lange bleibt aber allzu unklar, um was es da eigentlich geht, was mit der schönen Unbekannten mit dem Köfferchen eigentlich los ist, der unser Held Ben zu Dank verpflichtet ist, denn sie rettet ihn mit guten Ausreden vor den U-Bahn-Kontrolleuren am Westbahnhof. Aber lebendig wird uns diese Dame nicht, im Gegensatz zur Schwester des Protagonisten, für die er schöne Bilder, vor allem schöne Frisuren findet. Lesen Sie selbst! Fortsetzung folgt.

 

 

INFO I:

 

Die Jury
Die Shortlist des Leo-Perutz-Preises der Stadt Wien für Kriminalliteratur wurde von einer Jury erstellt, die sich aus je einer Vertreterin/einem Vertreter der Kulturabteilung der Stadt Wien, des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels, des Sortimentsbuchhandels, der Medien sowie der Vereinigung österreichischer Kriminalschriftstellerinnen und -schriftsteller zusammensetzt.

 

2014 gehören der Jury Sylvia Faßl-Vogler (Referatsleiterin Kulturabteilung der Stadt Wien), Michael Kratochvil (Buchhandlung Kuppitsch), Nora Miedler (Krimiautorin), Erwin Riedesser (HVB-Vizepräsident, Vorsitzender des Österreichischen Buchhändlerverbands) und Nils Jensen, Chefredakteur des Magazins Buchkultur an.

 

Der Preis
Mit dem Leo-Perutz-Preis, der jährlich vergeben wird, sollen Krimis ausgezeichnet werden, deren Qualität und literarischer Anspruch an den namensgebenden österreichischen Literaten erinnern. Darüber hinaus sollen die ausgezeichneten Werke möglichst innovativen Charakter haben und einen Wien-Bezug aufweisen.

 

Bisherige Preisträger
Den Leo-Perutz-Preis 2013 erhielt Thomas Raab für seinen Roman
Der Metzger kommt ins Paradies. 2012 ging der Preis an Manfred Rebhandls Kriminalroman Das Schwert des Ostens (Czernin Verlag), 2011 wurde Der Posamentenhändler (Leykam) von Lizl Stein und Georg Koytek ausgezeichnet. 2010 war Stefan Slupetzky mit Lemmings Zorn (Rowohlt) der erste Leo-Perutz-Preisträger.

 

INFO II:

Verleihung des fünften Leo-Perutz-Preises der Stadt Wien für Kriminalliteratur:

 

 

Mittwoch, 10. September 2014

 

19.00 Uhr

 

Palais Fürstenberg, Prunkräume, Grünangergasse 4, 1010 Wien

 

 

 

Bisherige Weltexpresso-Artikel zum Leo-Perutz-Preis

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/960-sieger-ist-manfred-rebhandl-mit-das-schwert-des-ostens-aus-dem-czernin-verlag

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/1799-wiener-kriminalliteratur

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/1989-gewinner-ist-thomas-raab-mit-der-metzger-kommt-ins-paradies-aus-dem-droemer-verlag

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/2013-die-oscarreife-lesung-von-thomas-raab

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/2015-lesungen-im-bestattungsmuseum

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/2094-ein-gespraech-mit-marialuise-