Der Fall Katharina S. von Steffen Weinert im Knaur Verlag
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) – Was erwartet man von einem Krimi? Auf jeden Fall Spannung, die einem die Zeit vertreibt, in der man also dann nicht im Kopf mit dem beschäftigt ist, was tagtäglich auf einen einstürmt. Natürlich erwartet man noch mehr. Aber bleiben wir bei der Spannung, weil es damit gleich spannend wird! Ja, er ist spannend, dieser Krimi, wo erst einmal das öde Private zwischen Mann und Frau, samt gemeinsamen kleinen Jungen einen fluchen läßt, denn wir wollten weder einen Eheratgeber noch eine psychologische Abhandlung lesen, doch während wir das noch denken, kommt es auf den nächsten Seiten knüppeldick!
Zuerst wird Mara Eisfeld für sie völlig unvermutet zur neuen Leiterin der 9. Mordkommission im Berliner LKA ernannt und dann erweist sich ein Einbruch mit einem Toten als ein Haus mit mehr als doppeltem Boden. Denn im Keller wird ein Versteck gefunden, in dem mindestens zwei weibliche Wesen lebten, die miteinander verwandt sind. Der DLH-Bote, Sohn der Hausbesitzerin, die im Altersheim lebt, gilt überall als unbescholten, ja netter, harmloser Kerl, und wird jetzt als der identifiziert, der Katharina Stellkamp vor zehn Jahren entführt und sie die ganze Zeit gefangen gehalten hat, die damals 14-15 Jahre alt war und wohl von ihm vergewaltigt ein Kind, ein Mädchen geboren hat.
Hintergrund ist, daß zwei unbedarfte junge Männer, die mit Einbrüchen ihr Leben finanzieren, in dies Haus einbrachen, aber nicht wußten, daß Dirk Pankewitz aus gutem Grund das gesamte Haus mit Kameras ausgestattet hat, deren Bilder er so nebenbei bei seiner Arbeit kontrolliert und deshalb die Räuber überraschen kann, wobei der Harmlosere gleich tot ist und der andere stiften geht. Pankewitz weiß, daß er nun handeln muß, packt die gefangene junge Frau und die Kleine, tatsächlich seine Tochter, die er liebt und die ihn zurückliebt, ins Auto und fährt los. In einem Wald hält er und entzückt entdeckt die Tochter Gras und Bäume und Vögel und überhaupt die Luft und das Waldgefühl, das wir alle kennen.
Währendessen kann man sich nur wundern, wieviel Zeit sich die Polizei läßt. Gut, Mara Eisfeld ist gerade innerlich mit anderem beschäftigt, ihr Mann hat eine eigene Wohnung gefunden und zieht sofort unter Mitnahme einiger Möbel aus der bisherigen Wohnung aus. Der Junge ist bei ihm, denn sie muß ja arbeiten und ist jetzt besonders gefordert. Zwar kann die erfahrene Krimileserin auch bei ihr nur milde lächelnd den Kopf schütteln, denn sie stellt sich derartig töricht an, aber immerhin tut sie etwas und agiert ab dem Moment ihres Einsatzes auch hundertprozent unter Hinanstellung der privaten Probleme, aber daß sie in die Fänge des Dirk Pankewitz gerät, hat sie – was sich dann wiederholt – ihrem unprofessionellem Verhalten zu verdanken, nämlich daß sie sich immer alleine auf den Weg macht.
Sie findet also den gesuchten Mörder – inzwischen wird im Ursprungshaus im Garten noch eine weitere Leiche gefunden, die schon lange im Boden ruht - , aber Mara wird seine Gefangene zusammen mit der Tierärztin, dessen Haus sich der gut unterrichtete Pankewitz als neue Stätte ausgesucht hatte.
Der Fall findet ein breites Echo in den Zeitungen, wo findet sich nach zehn Jahren noch eine Entführte lebendig und eine Zeitung sticht dadurch hervor, daß sie genauso schnell wie die Ermittler an Einsatzorten auftaucht. Daß dahinter die Erpressung eines ansonsten unbescholtenen Kriminalen steckt, wird zum Schluß auch aufgedeckt und abgestellt. Aber erst einmal weiß die Öffentlichkeit genauso viel wie die Ermittler und das ist wenig. Eisfeld kann sich befreien, aber Pankewitz ist inzwischen über alle Berge, hat aber nur seine Tochter mitgenommen, also wird erst einmal groß die Rettung der Katharina S. gefeiert, deren Eltern im Krankenhaus unterschiedlicher Meinung sind. Die Mutter ist froh, daß nur ihre Tochter aufgetaucht ist und will von einer Enkelin nichts wissen, doch der Vater erkennt, daß es ja die Tochter der Tochter ist, die unabhängig von Vergewaltigung und Vaterschaft ihr Kind liebt und sich jetzt Sorgen um es macht.
Das nur nebenbei, denn in der Hauptsache geht es um die Verfolgung des Pannewitz durch Eisfeld, die buchstäblich über Stock und Stein geht und ausgerechnet in einem Tierpark den Höhepunkt erreicht. Und als der Mörderentführer erkennt, daß er kaum mehr Spielraum hat, läßt er die Tochter bei den Vögeln zurück, flieht alleine weiter, aber….
Nein, alles sollte man nicht verraten, aber das Thema Spannung muß noch vertieft werden. Denn bei diesem Krimi erkennt man die Strategie des Autors allzuleicht. Hier sind nicht die überlappenden Ereignisse oder Mißverständnisse verantwortlich dafür, daß der Täter so lange davonkommt, sondern die Schreibstrategie. Immer dann, wenn eine Entlarvung möglich ist, läßt der Autor den Schurken davonkommen. Immer ist dieser Pannewitz, dessen tatsächlichen Charakter man überhaupt nicht erkennen kann, also auch nicht das Movens seines Handelns, der, der schneller ist als die Einbrecher, die Polizistin, ...immer kann er sich aus den gesponnenen Netzen befreien. Da ist es leicht, Spannung aufzubauen, wenn dann doch immer auch nach dem fünften und sechsten Mal Pannewitz 'Sieger' ist.
Eine gewisse Lieblosigkeit seinem literarischen Personal gegenüber muß man Steffen Weinert sowieso vorwerfen. Da werden Sympathien und Antipathien verteilt, ohne daß man weiß, warum, und natürlich muß auch ein geheimes schwules Pärchen bei der Polizei eine Rolle spielen, das ist alles etwas sehr bemüht und durchsichtig und dann fällt einem am Schluß doch noch auf, daß der Krimi sich ein bißchen zu sehr an der Wirklichkeit orientiert: Raub von jungen Mädchen, die dann in der Gefangenschaft Kinder bekommen...das hatten wir, als Symbiose des Falls Natasche Kampusch und des widerlichen Fritzl in Amstetten jetzt doch immer öfter. Welche Dramen, die hier doch arg hausbacken daherkommen.
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Umschlagabbildung
Info:
Steffen Weinert, Eisfeld, der Fall der Katharina S., Knaur Verlag 2024
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