Die Finalisten des Deutschen Buchpreises 2014 , Teil 14
Claudia Schulmerich
München (Weltexpresso) – Vom 1975 in Bonn geborenen Thomas Melle hörten wir zum ersten Mal, als sein Roman SIXTER für den Deutschen Buchpreis 2011 nominiert wurde, obwohl sich da die Erinnerung regt, da war doch was in Klagenfurt beim Ingeborg Bachmann Wettbewerb und ein paar Literaturpreise gab es auch…
Das alles ist unwichtig, denn es zählt für den Deutschen Buchpreis nur der neue Roman 3000 Euro, der mit 203 Seiten eher zu den schmalen gehört, aber durchaus gewichtig ist, nicht nur weil sein Titel von drei Tausendern spricht. Geld in der Literatur ist meist eine Metapher und in Titeln kommt Pekuniäres sowieso kaum vor. Was stellt man sich also vor? Eigentlich wenig, denn so glatte Summen regen die Phantasie weniger an, als 2 874 Euro beispielsweise. Aber es geht genau um 3 000 Euro merkt man dann und zwar um die, die einer nicht hat, und die eine andere bekommen soll. Gäbe die eine dem anderen die 3 000, dann wäre alles gut?
Tatsächlich kommt diese Überlegung später vor, aber nur vorübergehend, denn Geld ist Geld und hartes, durch Nacktheit erarbeitetes Geld wird nicht einfach weitergegeben, sagt sich Denise, auch wenn ein schlechtes Gewissen bleibt, daß sie hätte helfen können, diesem ihr eher sympathischen Anton, der schon als Obdachloser lebt, jetzt aber vor dem Ruin steht, ins Gefängnis muß, wenn er seine Schulden von 3 000 Euro nicht umgehend bezahlt. Dabei ist die Summe von 3 000 noch euphemistisch gerechnet, denn sie ist die Ausgangsschuld gegenüber der Bank, zu der sich inzwischen Zinsen und Gebühren hinzugesellten.
Anton - sein Jurastudium in den Sand gesetzt, das Taxi ins Jenseits demoliert, ohne Arbeit und Heim - kauft im Supermarkt ein, nachdem er die gesammelten Pfandflaschen in Bares umsetzten konnte, an dessen Kasse die blonde Denise sitzt und sich bei jedem einkaufenden Kunden denkt, ob er ihr wahrer Kunde sei und sie als die Pornodarstellerin erkennt, die sie ist. Schon der Gedanke daran macht sie wütend, denn eigentlich erwartet sie von sich etwas anderes, was also auch die Männer erwarten sollen und eine kleine Tochter hat sie auch, die eine Therapie braucht, was – gemein, gemein – man sich bei dieser Mutter, die dauernd im Kopf mit ihrer Pornodarstellerei nicht klarkommt, gut erklären kann. .
Ohne nervende Systematik, wickelt so Thomas Melle die Geschichte von Denise gekonnt in die von Anton ein und umgekehrt, was erst einmal irritiert, weil die beiden – außer der Chiffre der 3 000 Euro – wenig gemeinsam haben, wenn man nicht darauf abhebt, daß beide nicht die Leben leben, die sie leben wollten, und daß in beiden noch genug Kraft steckt, dies selbst zu erkennen und eigentlich, eigentlich ein anderes Leben führen zu wollen. Eben.
Obwohl wir finden, daß es dem Autor ganz schön gut gelungen ist, uns lange für Anton und Denise beim Weiterlesen zu interessieren, weil er in der Verschränkung beider Leben in Sprache Akzente setzt, ist deren Situation doch nicht dramatisch genug, um uns dauerhaft an sie zu binden. So sehr wir in der Theorie selber wollen, daß nicht immer diese Mittelschichtsprobleme oder sonstige Wohlstandsattitüden die Romane füllen, so gelangweilt reagierten wir ab irgendwann auf Anton, der kaum mehr wiederzuerkennen, und auf Denise, die kenntlich bleibt.
Was die Jury des Deutschen Buchpreises dazu meint:
Denise kommt mehr schlecht als recht mit ihrem Leben klar. Sie arbeitet im Discounter, ihre kleine Tochter Linda überfordert sie oft; die langersehnte New-York-Reise bleibt ein Traum. Mit dem Lohn für einen Pornodreh will sie endlich weiterkommen, aber man läßt sie auf ihr Geld warten. Immer öfter steht Anton an ihrer Kasse, der abgestürzte Ex-Jurastudent, der im Wohnheim schläft. Vorsichtig kommen sich die beiden näher. Doch während für Anton ein Gerichtstermin um 3 00 Euro naht, müssen sie sich fragen, wie viel Nähe ihr Leben wirklich zuläßt.
INFO:
Thomas Melle, 3 000 Euro, Rowohlt Berlin Verlag, 2014
Der Deutsche Buchpreis wird am 6. Oktober abends im Kaisersaal des Frankfurter Römer bekanntgegeben und verliehen.
Der Börsenverein teilt mit: Die Preisverleihung im Live-Stream mitverfolgen
Wer gewinnt den Deutschen Buchpreis 2014? Zuschauer können von zuhause oder unterwegs aus live dabei sein, wenn am 6. Oktober 2014 der Preisträger oder die Preisträgerin bekanntgegeben wird. Unter www.deutscher-buchpreis.de wird die Preisverleihung ab 18 Uhr in Bild und Ton übertragen.
Mit dem Deutschen Buchpreis 2014 zeichnet die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Förderer des Deutschen Buchpreises ist die Deutsche Bank Stiftung, weitere Partner sind zudem die Frankfurter Buchmesse, Paschen & Companie und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland. Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur übertragen die Preisverleihung live im Rahmen von „Dokumente und Debatten“ auf den LW 153 und 177 kHz, per Livestream im Internet unter www.deutschlandradio.de sowie im Digitalradio DAB+.