„Glückskind“ von Steven Uhly, Secession Verlag

 

Hanswerner Kruse

 

Fulda (Weltexpresso) – Heute also der  Roman „Glückskind“ von Steven Uhly, der nicht wirklich erbaulich anfängt: „Wieder so ein Scheißtag. Hans D. macht den Wecker aus. Wenn er ihn nicht stellt, bleibt er einfach liegen. Manchmal den ganzen Tag.“

 

Diese ersten Sätze im schnodderigen Stil von Charles Bukowski machen nicht gerade Lust auf das Weiterlesen. Aber das Buch ist so schön gebunden, mit seinem roten, kreppigen Einband fühlt es sich einfach gut an und hat sogar ein Lesebändchen. Und der Klappentext erzählt, dass der völlig verwahrloste Hans in der Mülltonne ein Baby findet, dessen Rettung durch ihn schlagartig sein Leben verändert. Da liest man dann doch einfach weiter…

 

Eigentlich bringt Hans äußerst selten den Müll weg, eigentlich ist sogar seine Wohnung völlig vergammelt und vermüllt. Doch lieber schleppt er die stinkenden Säcke herunter, als endlich seinen Antrag für die Weiterbewilligung von Hartz IV zu erledigen. Das Baby in der Mülltonne hält er für eine Puppe: „Wie die Leute ihre Kinder verwöhnen, denkt er, und dann ist ihnen das auch nicht recht und so eine Puppe wird einfach entsorgt.“ Als er aber seinen Müll „auf die Puppe legen will, schlägt sie die Augen auf, schaut ihn an und beginnt leise und heiser zu schreien.“

 

Hans nimmt das Baby mit in seine Wohnung und nennt es Felizia, weil er es glücklicherweise gerettet hat. Wie im Märchen sorgt er ganz spontan, ohne langes Nachdenken, für das kleine Wesen, das er bald nicht mehr hergeben will. Das alles wird in einfacher, lakonischer Sprache erzählt, dabei bleibt dem Leser freundlicherweise jegliche Psychologisiererei erspart.

 

Immer wieder erinnert sich Hans ohne Gejammer an seine zu Bruch gegangene Familie, an die von ihm aufgezogenen Kinder, die er seit über zwanzig Jahren nicht mehr getroffen hat. Er führt imaginäre theatralische Auseinandersetzungen mit seiner Ex-Frau, kommt ins Grübeln, ob es gut war, eine Geliebte gehabt zu haben und seine Gemahlin zu verlassen. So lernen wir Hans näher kennen, während er seine Wohnung aufräumt, Bart und Haare schneidet sowie Felizia liebevoll versorgt. „Na, was meinst Du jetzt?“, fragt er sein glatzköpfiges Spiegelbild…

 

Später geht er mit dem Findelkind in den Zoo, macht andere Ausflüge oder organisiert komplizierte Arztbesuche mit ihm. „Es gibt keinen Ort, an denen ich nicht schon früher mit den Kindern gewesen bin“, meint er verwundert. „Die ganze Stadt ist voller Spuren, ganz gleich, wohin er mit Felizia fährt.“

 

Wir wollen hier nicht mehr von der weiteren Handlung verraten, denn Felizia verändert nicht nur das Leben von Hans, sondern auch das einiger seiner Nachbarn. Richtig spannend wird es, als die Mutter des Babys unter Mordverdacht verhaftet wird. Was wird Hans nun machen? „Er will Felizia behalten, das ist das Einzige, was er mit Sicherheit weiß.“

 

„Glückskind“ ist keine große Literatur, sondern liest sich eher wie ein langer, anspruchsvoller, gut geschriebener Zeitungsbericht – und ist ein nachdenklich stimmender Text mit einem überraschenden, aber nicht kitschigem Schluss.

 

INFO:

Steven Uhly „Glückskind“, Secession-Verlag 2012, gebunden 245 Seiten, 19,95 Euro

 

VERFILMUNG

Der Roman wurde im Frühjahr von Michael Verhoeven mit Unterstützung des SWR verfilmt. Der arbeitslose Hans wird von Herbert Knaup gespielt. Der Film hat am 7. Oktober seine Deutschlandpremiere auf dem 1. Potsdamer Filmfestival.